Kleines Flugzeug, was nun?
US-Senator, der gegen Bushs Kriegspläne gestimmt hatte, ist tot
Der Demokrat Paul Wellstone war so weit links, dass sich die relativ starke Grüne Partei in Minnesota darüber zerstritten hatte, ob sie überhaupt einen Gegenkandidaten stellen sollte, der Wellstones Wiederwahl gefährden könnte. Wellstone hatte seit 12 Jahren den Bundesstaat im US-Senat vertreten. Gleich am Anfang machte er von sich reden, als er gegen die Kriegspläne von Bush Sr. gegen den Irak stimmte. Vor wenigen Wochen unterstrich er seinen Pazifismus, als er gegen die Kriegspläne von Bush Jr. stimmte. Am Freitag, dem 25. Oktober, starb er samt Frau, Tochter und drei Assistenten, als ihr kleines Flugzeug abstürzte.
Die Republikaner nutzten einiges an Rhetorik, um die Demokraten vor der Abstimmung über einen Präventivkrieg gegen den Irak einzuschüchtern. Bush selbst behauptete aufgrund des wachsenden Widerstands im Senat, dass der Senat nicht an der Sicherheit des amerikanischen Volkes interessiert sei. Auch die US-Presse drescht seit Monaten unablässig auf Kriegsgegner ein. So wurde z.B. der Besuch von drei demokratischen Abgesandten (und Veteranen), die sich vor einigen Wochen ein Bild vom Irak vor Ort gemacht hatten, in Newsweek als bizzare behavior abgetan, einfach weil "Baghdad is not the place to wage the debate". Die Drohung wirkte: laut Washington Post haben viele Demokraten allein aus Angst um Wählerstimmen für Bushs Präventivkrieg gestimmt.
Aber wie so oft stimmt die vorherrschende Meinung der US-Medien nicht mit der Mehrheit der Bevölkerung überein. Obwohl Wellstones demokratische Freunde und seine republikanischen Gegner ihn gleichermaßen gewarnt hatten, dass Widerstand gegen Bush ihn seine Wiederwahl im November kosten würde, folgte Wellstone seinem Herzen. Und gewann über Nacht an Beliebtheit. Das bisschen Vorsprung, das Wellstone vor der Abstimmung in der Irak-Frage vor seinem republikanischen Konkurrenten genoss, baute er mit seiner einsamen Gegenstimme deutlich aus. Es bestand kaum mehr Zweifel, dass er wiedergewählt würde.
As I write this there is not a single shred of physical evidence - that the public is aware of - to suggest foul play in his death. But I must say, this does not look right.
Marc Ash, Herausgeber von truthout.org
Seine Wiederwahl war um so wichtiger, da das System der "checks and balances" mit den bevorstehenden Wahlen außer Gefecht gesetzt werden könnte, denn die Exekutive ist republikanisch, die Gerichte auch (die ja 2000 per richterlichen Erlass dafür sorgten, dass Bush ins Wie?e Haus einziehen konnte) und die Legislative zur Hälfte: Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner die Mehrheit, im Senat die Demokraten - das aber erst seit der Republikaner Jeffords nach der Wahl Bushs aus seiner Partei ausstieg. Es ist also knapp. Und wenn die Demokraten nur einen Sitz im Senat verlieren, werden die Republikaner kaum noch aufzuhalten sein.
ABC: Given the fact that you voted against the president, do you think this race is particularly meaningful to the White House?
Wellstone: I think the race is definitely particularly meaningful to the White House. I think the president has been here four times, the vice president has been here once and Karl Rove is coming out this weekend and they're saying the president might come back again.
Aus dem letzten Interview mit Wellstone am Tag vor seinem Tod
Zwei Lektionen
Neben der Einsicht, dass die Mehrheit der Amerikaner gegen einen Alleingang der USA gegen den Irak sind, zeigt der Fall Wellstone vor allem eines: Die Kritik an Bush und den Republikanern wird immer lauter. Die ersten Stimmen, die "foul play" hinter Wellstones plötzlichem Tod witterten, meldeten sich nach wenigen Tagen. Am eingehendsten ist wohl der am Montag bei AlterNet.org erschienen Artikel Was Paul Wellstone Murdered?. Der Autor Michael Niman listet eine Reihe seltsamer Zufälle und vergleichbarer Todesfälle kritisch denkender Menschen auf, unter anderem: Mel Carnahan, der 2000 als klarer Favorit in die Endphase der Senatorenwahlen in Missouri gegen John Ashcroft (!) ging, starb drei Wochen vor den Wahlen in einem Flugzeugunglück. John Ashcroft war jedoch so unbeliebt, dass Carnahans Witwe Ashcroft anstelle ihres Mannes schlagen konnte. Und die Liste der seltsamen Zufälle ist lang...
Anyone familiar with my work knows that I'm certainly not a conspiracy theorist. But to be honest, I know I wasn't alone in my initial reaction at this week's horrible and tragic news: that being my surprise that Wellstone had lived this long.... I know of many [mainstream journalists] who shared my concern.
Michael Niman
Laut Don Hazen, Herausgeber von AlterNet, war Wellstone "der Kandidat, den die Republikaner am liebsten besiegen wollten". Nun ist Wellstone aus dem Rennen - für immer. Offiziell heißt es, die Untersuchung des Absturzes wird einige Zeit dauern. Hoffentlich sind alle Zweifel unbegründet und die Verschwörungstheoretiker spinnen einfach mal wieder, denn sonst müsste man sich wirklich die rhetorisch gemeinte Frage stellen, die Republikaner Trent Lott während der Parlamentsdebatte an potentielle abtrünnige Demokraten stellte: "Who's the enemy here: the President of the United States or Saddam Hussein?"
PS: Irrtümlich hieß es zunächst im Artikel, Wellstone sei der einzige Senator gewesen, der gegen die Irak-Resolution verstieß. Der Irrtum wurde verbessert.