Klimaaktivisten wegen gewaltfreien Widerstand in Haft
Kommentar: Der Teil der Klimabewegung, der eine grundsätzliche Kritik an den Verhältnissen hat, wird weiterhin kriminalisiert, auch wenn die Grünen mitregieren
Die Räumungen im Dannenröder Forst in Nordhessen gehen weiter. Immer wieder meldet die Polizei Festnahme von Umweltaktivisten, die Baumhäuser errichtet und den Wald besetzt haben. Sie wollen die Abholzung verhindern und werden dabei von zahleichen Umweltinitiativen aus ganz Deutschland unterstützt, die dagegen protestieren, dass das Waldstück für den Ausbau der Autobahn A49 verschwinden soll. Jetzt wurde bekannt, dass sieben Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten bereits seit mehr als 2 Wochen in der JVA Frankfurt inhaftiert sind.
"No plans - No Cars"
Sie hatten sich am 26. Oktober aus Protest gegen die Abholzung des Dannenröder Forsts an einer Abseilaktion an drei Autobahnbrücken im Rhein-Main-Gebiet beteiligt. "Wald statt Asphalt - Verkehrswende jetzt!" und "no plans - no cars" war auf den Bannern an den betroffenen Autobahnbrücken zu lesen.
"Dadurch, dass wir hängen, erzeugen wir einen künstlichen Stau und Aufmerksamkeit", begründete eine Beteiligte die Aktion (Anm. d. Red: Über die Abseilaktionen gibt es Kontroversen, siehe: Unfall wegen Danni-Protest?). Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Aktivisten wegen Nötigung und beantragten Untersuchungshaft gegen zunächst 11 Menschen, die sich an der Abseilaktion beteiligt hatten. Gegen vier von ihnen wurde die Untersuchungshaft ausgesetzt.
Dass 7 Personen weiterhin inhaftiert sind, wird von der Justiz mit Fluchtgefahr begründet. Die Beschuldigten hätten bisher verhindert, dass ihre Identität festgestellt werden konnte. Viele der Klimaaktivisten geben keine Namen an und haben auch keine Dokumente bei sich, um ihre Identifizierung zu erschweren. Solidaritätsgruppen kritisieren die Untersuchungshaft und die erschwerten Haftbedingungen.
Kritik der Roten Hilfe
Heftige Kritik an den Haftbedingungen der 7 Klimaaktivisten kommt von der linken Solidaritätsorganisation Rote Hilfe.
"Obwohl die Zeit der Corona-Quarantäne längst abgelaufen ist, sind die sieben Gefangenen weiter isoliert. Sie müssen bis zu 23 Stunden am Tag alleine in einer Zelle verbringen", erklärt ein Rote-Hilfe-Mitglied. Nachts würden die Gefangenen alle ein- bis eineinhalb Stunden geweckt. Dies wird mit Suizidgefahr begründet. Die Inhaftierten werden dabei so lange angeleuchtet, bis sie sich bewegen. Dadurch werde ihr Schlaf nachts mehrmals unterbrochen. Zudem würden den Inhaftierten die Aushändigung von Geld für Einkäufe verweigert, das für sie einbezahlt wurde.
Auch die Aushändigung von Zeitungsabonnements und Büchern würde den Gefangenen verweigert. Die Rote Hilfe selbst ist ebenfalls von der Repression betroffen. Anfang November fasste die JVA Frankfurt den Beschluss, dass die sieben Inhaftierten keine Zahlungen der Roten Hilfe erhalten dürfen, da diese eine "verfassungswidrige Organisation" sei. Damit wird darauf verwiesen, dass die Rote Hilfe unter der Rubrik Linksextremismus im Verfassungsschutzbericht aufgeführt wird. Für die Inhaftierten wird dadurch das Leben im Gefängnis nochmal erschwert.
"Ohne Geld können die Gefangenen kaum mit ihren Anwälten telefonieren und sich keine eigenen Lebensmittel kaufen. Auf diese sind sie aber angewiesen, da die JVA ihnen keine eigenen veganen Mahlzeiten anbietet", erklärt ein Mitglied der Roten Hilfe Frankfurt gegenüber Telepolis. Die Sprecherin des Bundesvorstands der Roten Hilfe, Anja Sommerfeld, befürchtet, dass an den 7 Aktivisten ein Exempel statuiert werden soll, um andere vom Protest gegen die Rodung des Dannenröder Forsts abzuhalten.
"Die Verhängung einer Untersuchungshaft für den Vorwurf einer einfachen Nötigung haben wir noch nicht erlebt. Für uns ist das nur aus politischen Gründen zu erklären", betont Sommerfeld. Auch, dass die JVA ihre Organisation als verfassungsfeindliche Organisation bezeichne und damit Spenden zurückhalte, bezeichnete sie als Willkür.
"Die Rote Hilfe unterstützt seit Jahrzehnten Menschen, die aufgrund ihrer politischen Arbeit von staatlicher Repression betroffen sind. Noch kein Gericht hat jemals festgestellt, dass diese Arbeit verfassungswidrig sei."
Ein Sprecher des Hessischen Justizministeriums widerspricht den Vorwürfen der Roten Hilfe und erklärt, dass die 7 Untersuchungshäftlinge nicht isoliert würden und wie die anderen Untersuchungsgefangenen behandelt werden. Im Detail allerdings bestätigt der Sprecher die kritisierten Haftbedingungen und begründet sie mit den Corona-Schutzmaßnahmen.
Die nächtlichen Kontrollen in den Zellen würden der Suizidprophylaxe dienen. Die Rücküberweisung der Spenden der Roten Hilfe kommentierte der Sprecher des Ministeriums nicht. Die Rote Hilfe bleibt bei ihrer Kritik.
Umweltaktivisten teils hofiert, teils kriminalisiert
Man kann noch erwähnen, dass in Hessen die CDU mit den Grünen seit Jahren geräuschlos regiert. Die Rodung des Dannenröder Forsts hat allerdings den Grünen Proteste aus der Klimabewegung beschert, die die die erfolgsgewöhnte Partei in den letzten Jahren nicht mehr erwartet hatte. Allerdings sehen auch führende Grüne hier eine Bewährungsprobe.
Falls es zu einer von Grünen und CDU geführten Bundesregierung kommen sollte, einer Wunschkoalition führender Wirtschaftskreise, wird die Umweltpartei noch manche Maßnahmen mitverantworten müssen, die in der Klimabewegung auf Protest stoßen werden. Für die Befürworter einer Regierungsbeteiligung ist es auch ein Zeichen von Regierungsfähigkeit, solche Proteste auszusitzen.
Da hat sie ja bereits einige Erfahrung in der Ära der rotgrünen Regierung gesammelt, als der erste und einzige grüne Außenminister Joseph Fischer den Krieg gegen Serbien unterstützte. Damals war der Protest auch bei Teilen der grünen Basis groß, aber die Grünen bewiesen damit, dass man mit ihnen nicht nur Staat machen, sondern auch Kriege führen kann.
Nun wird sich auch die Frage an die Umweltbewegung stellen, ob sie zu einem Teil eines neuen ökokapitalistischen Akkumulationsregimes werden will. Dann wird sie auch einige Pfründe bekommen. Doch der Teil der Klimabewegung, der eine grundsätzliche Kritik an den Verhältnissen hat, wird weiterhin kriminalisiert, wie die 7 Aktivisten, die sich gewaltfrei gegen einen Autobahnbau gewehrt haben und in Untersuchungshaft kamen.