Klimakapriolen

Neue Studien bestätigen, dass wir das Klima schon längst beeinflussen

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Wissenschaftler sind überwiegend vorsichtige Menschen. Das gilt natürlich auch für Klimaforscher. Bevor sie etwas als gesichert ansehen, muss es schon gewissen Kriterien entsprechen. Und das Klima ist einfach ein sehr kompliziertes Gebilde mit Tausenden von Einflussfaktoren.

Außerdem kommt hinzu, dass die Klima-Wissenschaft nach einem sehr kleinen Signal im jährlichen Rauschen des Wettergeschehens sucht. Während die Temperaturen in Deutschland schon zwischen Sommer und Winter leicht um 40 bis 50 Grad Celsius schwanken können, geht es bei der Klimaforschung um Abweichungen von wenigen Zehntel Grad Celsius pro Jahrzehnt weltweit. Bis zum Ende des Jahrhunderts sollen es ganze 3 Grad sein. Das sind 3 Zehntel Grad pro Jahrzehnt, die uns Kopfschmerzen bereiten sollen. So jedenfalls die neueste Annahme der eher konservativen Klimaforscher des weltumspannenden Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

Der Eisberg B-15A zerbrach am Kap Adare im Oktober 2005. Bild: ESA

Da fragt man sich doch, was ist eigentlich so schlimm daran, wenn es zwei, drei oder sogar vier Grad wärmer wird? Sind das nicht Schwankungen, die man täglich erleben kann?

Dazu muss man wissen, dass es sich hierbei um globale Durchschnitts-Temperaturen, sogenannte Mitteltemperaturen handelt. Und dass der Unterschied der derzeitigen globalen Durchschnitts-Temperaturen zur letzten Eiszeit nur etwa 4 bis 6 Grad Celsius beträgt. Das heißt, schon wenige Grad mehr oder weniger globaler Mitteltemperatur bewirken klimatisch einen erheblichen Unterschied.

Damals waren die Ausläufer der nördlichen Gletscher bis nach Brandenburg vorgedrungen und München lag unter einer dicken Eisdecke. Kleine Ursache, große Wirkung. Wenige Grad Temperaturunterschied führen also zu einem erheblichen veränderten Klima. Es ist daher kein leichtes Unterfangen, hier mit „gesicherten“ Daten herauszukommen.

Der Treibhauseffekt ist menschlich

US-Präsident Bush hat ja schon immer behauptet, es sei nicht genügend gesichert, dass wir das Klima mit unserer CO2-Emissionen wirklich beeinflussen. Das Kyoto-Abkommen wurde von der US-Regierung nach Kräften torpediert. Nach langen Querelen hat Bush dann zumindest publikumswirksam ein neues Programm beschlossen, das weitere Klima-Forschungen finanzieren soll. Nun ist der erste von insgesamt 21 Berichten fertig gestellt worden. Das Ergebnis dürfte vor allem die eigene Regierung überraschen.

Der Bericht zeigt eindeutige Belege für die schon seit langem gehegte Vermutung, dass größtenteils der Anstieg der Treibhausgase für die Klimaänderungen verantwortlich ist. Dazu sind die Daten zahlreicher Klimamodelle mit den tatsächlichen Temperaturverläufen des letzten halben Jahrhunderts verglichen worden. Vor allem Unterschiede in den Klimamodellen und der realen Temperaturverläufe in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre wurden oft von Gegnern der Treibhaustheorie angeführt, wenn es um die Stichhaltigkeit der Treibhausthese ging.

Die jetzt vorliegende Studie hat mit diesen Diskrepanzen aufgeräumt. Die Verfasser zeigen in aller Ausführlichkeit, dass sich zum einen die Atmosphäre am Boden tatsächlich analog zu den Klimamodellen erwärmt. Zum anderen haben sie ermittelt, dass die vorhergehenden Unterschiede auf Fehler in den früheren Satellitendaten aus Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre sowie weiteren Messreihen zurückzuführen sind.

In einer Presseerklärung zu den Ergebnissen wird der Direktor der NOAA (National Oceanic and Atmosperic Administration der USA), Dr. Thomas Karl zitiert:

Discrepancies between the data sets and the models have been reduced and our understanding of observed climate changes and their causes have increased. The evidence continues to support a substantial human impact on global temperature increases. This should constitute a valuable source of information to policymakers.

Globale CO2-Konzentration. Grafik: NOAA

Die Ergebnisse bestätigen also einen erheblichen Einfluss des Menschen auf unser Klima und Thomas Karl wünscht sich entsprechende Aufmerksamkeit bei den Politikern. Wahrscheinlich meint er damit vor allem die eigene Regierung.

Ebenso erschienen ist gerade ein vorläufiger Endbericht des IPCC. Auch diese Studie belegt eindeutig den zunehmenden Klimawandel durch die vom Menschen verursachten Treibhausgase.

Selbst unter der optimistischen Prognose einer Stabilisierung der CO2-Konzentration der Erdatmosphäre auf das Doppelte des vorindustriellen Werts, geht der Bericht davon aus, dass die Mitteltemperatur auf der Erde um etwa 3 Grad Celsius steigen wird. Bisher hatte der IPCC es immer vermieden, sich auf bestimmte Zahlen festzulegen, sondern immer einen großen Bereich an möglichen Temperaturverläufen angegeben (Klimaerwärmung in Zukunft schneller als bislang angenommen). Jetzt geben die internationalen Klima-Wissenschaftler erstmals einen wahrscheinlichen Verlauf an, was von einer zunehmenden Sicherheit der Klimaforscher über die künftigen Ereignisse zeugt.

Obwohl weitere Berichte zu detaillierten Folgen der Erwärmung noch nicht fertig gestellt sind, kann davon ausgegangen werden, dass Mitte dieses Jahrhunderts etwa 400 Millionen Menschen unter der aus dem Klimawandel folgenden Dürre leiden werden und dass es erhebliche Veränderungen in der Natur geben wird.

Der Bericht führt aus, dass die Konzentration der Treibhausgase derzeit höher ist als in den letzten 650.000 Jahren. Außerdem könnte eine weitere Erhöhung der Mitteltemperatur durch positive Rückkoppelungen im Klimasystem erfolgen.

Der Eispanzer des Nordpols schmilzt seit 1978 mit fast 3% pro Dekade und in den Sommermonaten mit über 7% pro Jahrzehnt. Schmelzende Gletscher und Eispanzer der Antarktis und Grönlands könnten den Meeresspiegel um bis zu 43 cm zum Ende dieses Jahrhunderts steigen lassen, in den folgenden zwei Jahrhunderten könnte sich dieser Wert dann sogar fast verdoppeln, auf etwa 80 cm pro Jahrhundert.

Die Autoren schließen mit der Bemerkung, dass es eine Überfülle von Beweisen für einen menschlichen Einfluss auf das Klima gibt. Mit der Folge von erheblichen Einflüssen auf das Weltklima. Dazu gehören künftig vor allem Wetterextreme, wie Dürren, Stürme und extreme Niederschläge, sowie ein weiteres Abschmelzen der Polkappen.

Das Verrückte ist nun, dass der Bericht noch gar nicht veröffentlicht werden soll. Man kann ihn zwar einsehen, darf die Inhalte aber nicht preisgeben, obwohl die wesentlichen Aussagen bereits im Fachmagazin Nature sowie weiteren Medien besprochen worden sind. Auf der Webseite, über die man Zugang zu den Unterlagen erhält, heißt es:

Comments submitted as part of the U.S. Government Review should be reserved for that purpose, and not also sent to the IPCC Working Group I Technical Support Unit as a discrete set of expert comments.

Man soll also seine Kommentare nur an die amerikanische Regierung schicken und nicht gleichzeitig an die IPCC-Arbeitsgruppe, die das Papier erarbeitet hat. Ist das wieder ein Versuch der Bush-Regierung, den neuen Bericht des IPCC sprachlich zu verwässern? Das Vorgehen der US-Regierung ist zumindest ungewöhnlich. Vor allem, da der Vorstand des IPCC von der Vor-Veröffentlichung durch die Amerikaner überhaupt nicht informiert war. Zumal der neue Bericht des IPCC im Gegensatz zu den vorhergehenden eine sehr deutliche Sprache spricht:

Apart from providing the most precise estimates yet of the likely course of climate change, the document’s language is much more confident than that of the IPCC’s third report published in 2001. It points to decisive new evidence that the rising temperatures recorded over the past 50 years are the result of human activity and not natural variation.

Temperaturanomalie verschiedener Klimamodelle. Grafik: NOAA

Klimapolitik der Ölkonzerne

Es wäre nicht das erste Mal, dass die derzeitige US-Regierung weltweite Klimaabkommen torpediert, die Veröffentlichungen internationaler Forschungsberichte manipuliert oder kritische Klimaforscher unter Druck setzt. So ist kürzlich erst wieder der Leiter des Goddard-Instituts James Hansen in die Schlagzeilen geraten, nachdem er sich öffentlich für eine schnelle Reduzierung der Treibhausgase ausgesprochen hatte. Er berichtete danach, dass die PR-Abteilung der NASA Anweisung von der US-Regierung erhalten habe, seine Redemanuskripte und Veröffentlichungen zu überprüfen (Hitzerekorde, Dürre, abschmelzende Eisdecken).

Bereits zuvor hatte die Bush-Regierung den langjährigen Vorsitzenden des IPCC, Robert Watson, auf Betreiben vor allem von Exxon abgesägt, nachdem sich dieser kritisch zur Haltung seiner Regierung zum Kyoto-Abkommen geäußert hatte (Ein kleiner Coup in Sachen Energiepolitik).

Klimapolitik wird in den USA wohl inzwischen von den Ölkonzernen bestimmt. Insbesondere die Energy-Task-Force unter Vize-Präsident Cheney scheint dabei die Fäden im Hintergrund zu ziehen. Diese Truppe aus Energie-Bossen ist vor allem ins Gerede gekommen, seit eines ihrer Mitglieder, Enron-Chef Ken Lay, für die größte Pleite in der Geschichte der amerikanischen Wirtschaft zur Verantwortung gezogen wird (Mein Enron stinkt). Nur unter mühsamen Anstrengungen der amerikanischen Öffentlichkeit hatte Cheney damals einige wenige Dokumente über seine Energie-Truppe bekannt gegeben. Ansonsten bleibt alles geheim.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in der illustren Runde wurden offenbar nicht nur Strategien gegen eine umweltbewusste Klimapolitik geschmiedet, sondern auch die Übernahme der irakischen Ölfelder schon lange vor dem 11. September 2001 vorbereitet (Die Bush-Regierung und das irakische Öl) .

Einer der wichtigsten Akteure in der Energy-Task-Force ist Exxon. Nach Angaben der Organisation Exxon-Secrets hat Exxon in den zurückliegenden Jahren ein ganzes Netzwerk aus Akteuren gebildet, die vehement gegen eine nachhaltige Klimapolitik agieren.

Das Prinzip ist ganz einfach: Unter hundert Wissenschaftlern findet sich immer einer, der genau das Gegenteil von dem behauptet, was alle anderen sagen. Dieser wird dann von einer der Firmen und Organisatoren gesponsert und die Medien greifen seine Kritik selbstverständlich allzu gerne auf. Schließlich finanziert die Industrie die Medien ja bekanntlich mit Milliarden für Anzeigen und Werbekampagnen. Und ein Streit unter Klimaforschern ist allemal spannender als ein langweiliger Experten-Report.

So entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Klimaforschung wäre sich immer noch nicht sicher. Damit wird dann der Umstieg auf umweltfreundliche Energieträger wieder um einige Jahre verschoben und die Ölkonzerne fahren in dieser Zeit weitere Milliardengewinne ein. Da lassen sich dann auch schnell mal ein paar Millionen für die Klimaskeptiker locker machen.

Gleichzeitig ist Exxon weltweit der größte private Klimakiller, der alleine etwa 5% zur weltweiten Treibhausproblematik beiträgt, Tendenz immer noch steigend. Kein Wunder, dass Exxon nur ungern etwas über aussagekräftige Klimaforschung zum Treibhauseffekt toleriert.

Klimawandel konkret

Währenddessen ist der Klimawandel im vollen Gang und die Schäden durch Hochwasser, Dürre und Stürme belaufen sich allein in Deutschland in den letzten 10 Jahren bereits auf über 16 Milliarden Euro. Wie eine Studie des Max-Planck-Instituts kürzlich ergab, dürften sich diese Schäden bis zur Mitte dieses Jahrhunderts allein in Deutschland auf etwa 27 Milliarden Euro jährlich erhöhen (Wenige Gletscher, mehr Hochwasser und Dürren).

Wie bereits erwähnt, schmelzen bereits gigantische Mengen an Eis sowohl in der Antarktis (Weltklima im Wandel - was erwartet uns in der Zukunft?) als auch in Grönland. Der Nordpol wird bis zur Mitte des Jahrhunderts nach allen Erkenntnissen im Sommer eisfrei sein, während Afrika zunehmend verdorrt (Afrika verdorrt).

Gleichzeitig zeichnen sich weitere Probleme im Hochplateau von Tibet ab. Wie Wissenschaftler der chinesischen Akademie der Wissenschaften kürzlich bekannt gaben, gehen die Gletscher in Tibet mit einer Rate von derzeit 7% jährlich zurück, das entspricht einem Rückgang von fast 50% pro Jahrzehnt. Die Folge werden zunehmende Dürren in der gesamten Gegend sein mit einem dramatischen Rückgang der Wassermengen aller großen Flüsse, die aus diesem Gebiet gespeist werden (von Indien bis nach China) sowie weiter zunehmender Sandstürme in Zentralasien. Experten sprechen schon von der Gefahr einer sich anbahnenden ökologischen Katastrophe für Asien. Aber auch über dem Atlantik zeichnen sich erhebliche Änderungen der globalen atmosphärischen Strömungsverhältnisse ab, die weitere Unannehmlichkeiten nach sich ziehen können.

Insofern kann man inzwischen eigentlich davon ausgehen, dass wir das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen noch erleben werden. Eigentlich sind wir schon mittendrin (Die sich selbst beschleunigende Katastrophe). Die Frage ist nur noch, kommt jetzt das Jahrtausend der Jahrtausendkatastrophen? Denn wenn es stimmt, dass wir mit einer weltweiten Temperaturerhöhung um 3 Grad rechnen müssen, dann kommen wir genau in den Temperaturbereich, den viele Klimaforscher als gefährlichen Kipppunkt nennen. Dann könnte das Klima bald tatsächlich Kapriolen schlagen und wir hätten keine Möglichkeit mehr, darauf Einfluss zu nehmen oder den weiteren Verlauf auch nur irgendwie zu stoppen.

Nochmals zur Erinnerung: Diese vom IPCC angegebenen 3 Grad sind schon die optimistische Prognose, falls es uns denn tatsächlich gelingt, die Treibhausemissionen alsbald zu reduzieren. Die derzeitige US-Regierung jedenfalls betreibt mit vollem Erfolg genau die gegenteilige Politik. Die Emissionen der USA haben gerade wieder einen neuen Rekord aufgestellt.