Klimakatastrophe: Rekordhitze, Dürre und leere Stauseen

Stausee Siurana im Mai 2023. Foto: Ralf Streck

Iberische Halbinsel: Die erste Hitzewelle mit fast 40 Grad gab es schon im April. Es steht ein heißer Dürre-Sommer bevor. Doch die Wasserreserven sind aufgebraucht.

Ein Bild sagt oft mehr als tausend Worte. Ein Blick auf leere Stauseen im spanischen Staat, der nun wie praktisch die gesamte Iberische Halbinsel seit drei Jahren unter der Dürre leidet, bringt die Lage auf den Punkt.

"So tief war der Wasserstand im Frühjahr noch nie", kommentiert ein alter Anwohner die Situation. Er blickt von der Staumauer des katalanische Stausees Siurana auf die traurige Pfütze. Umstehende Freunde nicken zustimmend. Sie fragen sich besorgt, wie lange noch Trinkwasser aus den Leitungen in der Gegend hier in der südlichen katalanischen Provinz Tarragona fließen wird.

Stausee Siurana im Juni 2022. Foto Ralf Streck

Eigentlich regnet es im Frühjahr. Doch hier wurden im März und April nur etwa 14 Prozent des Niederschlags registriert, der nach den Durchschnittswerten zwischen 2009 und 2021 eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

Die Zuflüsse des Stausees sind ausgetrocknet, er ist nur noch zu acht Prozent gefüllt, obwohl es vor einer Woche sogar wieder etwas geregnet hat. Überall ragen Gebäude aus dem "See", die einst im Wasser versanken.

Sogar noch niedriger ist der Pegel weiter nördlich am großen Sau-Stausee in der Provinz Barcelona, wo die Kirche des früheren Ortes Sant Romà de Sau wieder vollständig auf dem Trockenen liegt. Der See ist nur noch zu gut sieben Prozent gefüllt, wobei sich der Pegelstand wegen des Regens innerhalb einer Woche um knapp einen Prozentpunkt erhöht hat.

Dieser Stausee muss seit Wochen weitgehend leergefischt werden, um zu verhindern, dass Fischkadaver das Wasser kontaminieren und damit die Versorgung von Millionen Menschen noch stärker gefährdet wird.

Man erlebe derzeit ein "Extremszenario", erklärt die katalanische Wasserbehörde (ACA) gegenüber Telepolis. Die bisher härteste Dürre habe man 2007 bis 2008 erlebt, als es 18 Monate kaum geregnet hat.

Damals sei die Wassermenge in den Stauseen auf 20 Prozent abgesunken, erklärt der ACA-Pressespreche Xavier Duran i Ramírez:

"Jetzt sind es schon 30 Monate."

Die gestaute Wassermenge ist auf 25 Prozent abgesunken, schon im Frühjahr. Schon mehr als die Hälfte aller Gemeinden in Katalonien, das von der Dürre besonders hart getroffen wird, unterliegt jetzt mehr oder weniger starken Restriktionen.

Die würden nächste Woche ausgeweitet und etliche Orte im Schweregrad hochgestuft. Im September könnte der Notstand in Katalonien eintreten, meint der Chef der Regionalregierung Pere Aragonès. Er hält die Dürre für das "gravierendste Problem".

Wie sich die Lage zugespitzt hat, lässt an den Pegelständen der Stauseen ablesen. Sau war vor einem Jahr noch zu 61 Prozent gefüllt, im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren es sogar noch 77 Prozent. In Siurana waren es vor einem Jahr noch 33 Prozent. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren es dagegen fast 73 Prozent.

Rationierung des Trinkwassers

Weiter im Hinterland Tarragonas findet sich das Dorf L'Espluga de Francolí mit knapp 4.000 Einwohnern. Dort wird das Wasser am Abend regelmäßig um 22 Uhr abgestellt und fließt erst wieder am Morgen ab sieben Uhr. Die Gemeinde hat das Wasser rationiert. Bevor es abgestellt wird, befüllen die Bewohner Flaschen oder Behälter für die Klospülung, zum Kochen oder um sich das Gesicht zu waschen, wie sie berichten.

Neu ist das hier nicht, dass die Brunnen, aus denen das Dorf eigentlich versorgt wird, nicht mehr genug Wasser führen. Im Herbst 2021 wurde damit begonnen, das Dorf mit Tankwagen zu beliefern. Auch das nächtliche Wasser-Abstellen hatte damals nicht mehr ausgereicht.

Lange waren es drei Lieferungen am Tag, doch schon im Frühjahr sind es nun 20 Fahrten, vier pro Wochentag, mit dem ein Tanklaster die wertvolle Fracht aus der Kleinstadt Montblanc herankarrt.

Im vergangenen August wurde sogar in Betracht gezogen, das Wasser zum Teil ganze Tage abzustellen, da Tanklaster auch an vielen Stellen gebraucht wurden, erklärt Xavier Rosell. Er ist der für Umweltfragen zuständige Gemeinderat.

Es wurde mit dem Klimawandel ein neuer Abschnitt begonnen, der macht sich in den letzten zwei oder drei Jahren ganz besonders bemerkbar.

Xavier Rosell

Beten für Regen

Immer stärker leben alte Traditionen auf, die auf der anderen Seite der Grenze auch schon wieder aufgenommen wurden. Man führt auch hier wieder Prozessionen durch und betet dafür, dass es endlich wieder regnet.

Im französischen Perpignan wurde nach 150 Jahren kürzlich damit begonnen, wo die Dürre auch längst dramatische Ausnahme angenommen hat.

Jetzt beten auch Landwirte in Spanien wieder für Regen. Vor einer Woche fand eine Prozession des "Heiligen Schwarzen Christus" in Perelada statt. Aber auch bis tief im Süden in Andalusien wird für Regen gebetet.

Im äußersten Süden entwickelt sich Lage fast noch dramatischer, dabei sind in Andalusien die Stauseen mit etwa 28 Prozent gefüllt, also sogar noch etwas stärker als im Norden. Aber die Region leidet schon im Frühjahr unter extremen Temperaturen, die eigentlich erst im Sommer zu erwarten sind.

Hitzewellen im April

Bereits Ende April wurden mit der ersten großen Hitzewellen Temperaturen von fast 40 Grad registriert. In Cordoba stieg das Thermometer auf 38,7 Grad. Damit wurde der bisherige April-Rekord um sage und schreibe 4,7 Grad pulverisiert.

Zuvor war am 18. April 2017 mit 34 Grad der bisher höchste Wert registriert worden. Die Hitze-Rekorde wurden in zentralspanischen Städten wie Madrid übertroffen, in Toledo und Avila auch um mehr als vier Grad.

So ist es kein Wunder, dass sich schon vor zwei Wochen 27 Prozent von Spanien wegen Wasserknappheit im Alarm- oder Notstand befand.

Die Lage soll sich, meint der meteorologische Dienst AEMET, in den nächsten Monaten nicht bessern. "Es sieht danach aus", dass sie sich jedenfalls im Mai nicht ändert, erklären die Wetterfrösche. Dann kommt der Sommer, in dem es in Spanien "nicht viel regnet, bis auf einige starke Gewitter", so der AEMET-Sprecher Rubén del Campo.

Wenn der Herbst nicht sehr regenreich ausfällt, dann werde die Dürre bleiben. Auch del Campo weist darauf hin, dass die Dürre in Katalonien besonders stark sei, so stark wie seit den 1960er-Jahren nicht. Allerdings wurde erst 1961 damit begonnen, lokale Daten aufzuzeichnen.

Furcht um die Ernten

Überall im Land wird um die Ernten gefürchtet. Landwirtschaftsverbände haben schon vor Wochen erklärt, dass etwa 60 Prozent der Agrar- und Weideflächen bereits vom Wassermangel betroffen sind, was die Kosten weiter in die Höhe treiben wird.

Etliche Landwirte trauen sich nicht einmal, die Aussaat vorzunehmen. In der nordspanischen Region Navarra, wo das geschehen ist, gilt die Ernte von 40.000 Hektar nicht bewässerter Getreide-Felder praktisch schon als verloren.

Man kann sich ausmalen, welche Auswirkungen das auf die ohnehin längst enorm gestiegenen Lebensmittelpreise haben wird.

In Katalonien wurde zum Beispiel schon die Bewässerung für 70.000 Hektar Landwirtschaftsfläche eingestellt. Betroffen sind vor allem Fruchtbäume und Getreidefelder im Landesinneren um Lleida.

Bewässert werden darf nur noch, um die Bäume vor dem Vertrocknen zu bewahren. Würde man nicht zu dieser Maßnahme greifen, hätten 80.000 Menschen kein Trinkwasser mehr.

Der Reisanbau

Die Ernten sind verloren. Der Reisanbau im größten spanischen Anbaugebiet um das andalusische Sevilla herum, ist praktisch ins Trockene gefallen. Schon im letzten Jahr ging die Produktion deutlich zurück und könnte nun ganz ausfallen.

Ähnlich sieht es beim zweitgrößten Reisproduzenten in der angrenzenden Extremadura aus. Erwartet werden Verluste im Umfang von bis zu drei Milliarden Euro.

Viele Felder sind geflutet, aber ob Wasser während der Blüte der Reispflanzen kommt, steht in den Sternen. Foto: Ralf Streck

Im Norden Kataloniens wurde in Girona der Reisanbau in diesem Jahr schon eingestellt, anders als im Ebro-Delta, dem drittgrößten Reisanbaugebiet im Land. Hier sind die Reisbauern sauer auf die spanische Wasserbehörde "CHE", die für das Delta-Einzugsgebiet zuständig ist.

Erst kürzlich hat die CHE mitgeteilt, dass die Bewässerungsmenge auf 50 Prozent eingeschränkt wird. Albert Pons kritisiert gegenüber Telepolis das Vorgehen, da man längst alle Vorbereitungen getroffen hatte. Er hätte weniger angebaut, wenn er das frühzeitig gewusst hätte, um den Anbau anzupassen und mögliche Verluste zu begrenzen. Üblicherweise werden die Felder am 28. April geflutet.

Als die CHE die Beschränkungen verkündete, waren alle Böden schon aufwendig nivelliert, Düngemittel eingearbeitet, das Saatgut gekauft und ausgebracht.

"Viele werden hier ruiniert, wenn es ab Juli kein Wasser mehr gibt", erklärt Pons, der zugleich Verantwortlicher für den Reis-Sektor in der katalanischen Landwirtschaftsvereinigung Unió de Pagesos ist. Er kritisiert die "fehlende Voraussicht".

Zunehmend wird schon auf Trockensaat umgestellt, man braucht weniger Wasser im Frühjahr, aber mehr im Sommer, wenn es eigentlich noch knapper ist. Foto: Ralf Streck

Er beziffert die Kosten auf etwa "1500 Euro pro Hektar". Das Problem der Reisbauern ist, dass die CHE 50 Prozent des Wassers nur bis Juli garantiert. "Dann steht der Reis in der Blüte und ist verloren, wenn kein Wasser mehr kommt", fügt der Pons an.

Enorme Verluste kommen auf die Landwirte zu und auf ganz Europa ein Kostenschub, denn im größten europäischen Reisanbaugebiet, in der italienischen Po-Ebene, sieht es ebenfalls fatal aus.

Mar Catala, die Reis-Expertin des katalanischen Forschungsinstituts "IRTA", kennt auch die Lage in Italien gut. "Ich hätte mir nie vorstellen können, dass der Po fast kein Wasser mehr führt", erklärt sie gegenüber Telepolis. Schon jetzt ist der Fluss stellenweise nur noch ein Rinnsal, da die Schneefelder in den Alpen, die ihn speisen, um 75 Prozent zurückgegangen sind.

Catala und die IRTA forschen im Ebro-Delta auch, wie man sich an die Veränderungen anpassen könnte. Hier habe bisher aber fast niemand damit gerechnet, dass auch das Wasser des Ebros knapp werden und rationiert werden könnte.