Klimakonferenz: Deutschland hat die Hausaufgaben nicht gemacht
Energie und Klima – kompakt: Die Bundesregierung zeigt wenig Willen, zum globalen Klimaschutz beizutragen. Stattdessen werden alte Feindbilder wiederbelebt und die Verantwortung für das Versagen Russland zugeschoben.
Im ägyptischen Scharm El-Scheich am Roten Meer laufen sich derzeit Beobachter, Lobbyisten und Diplomaten aus aller Welt auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz langsam warm. Seit Montag wird, wie berichtet, in dem Touristenort im Süden der Sinai-Halbinsel mal wieder über globalen Klimaschutz geredet.
Wie immer wird man zwei Wochen konferieren – meist auf der Beamtenebene. Für gewöhnlich fliegen die zuständigen Minister und zum Teil auch Regierungschefs erst in der zweiten Woche ein, wenn die Vorarbeiten getan sind. Doch diesmal sind sie gleich zu Anfang dabei. Offensichtlich ein Zeichen dafür, dass der überaus zähe Verhandlungsprozess festgefahren ist. Wieder einmal.
Erst 29 der 194 UNO-Mitglieder haben, wie eigentlich schon mindestens ein Jahr überfällig, ihre vollkommen unzureichenden nationalen Selbstverpflichtungen (INDC im Jargon der Klimadiplomaten) verbessert, hieß es am Sonntag bei der Eröffnung der Konferenz aus dem Sekretariat der Klimarahmenkonvention.
Auch Deutschland, das seine Selbstverpflichtungen gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedern abgibt, hat noch nicht geliefert und wird es laut Bundesregierung auch nicht mehr vor Abschluss der Konferenz machen.
Dabei ist völlig klar, dass die 2015 in Paris beschlossenen Ziele des internationalen Klimaschutzes, die globale Erwärmung auf "deutlich unter zwei Grad Celsius" und "möglichst nicht mehr als 1,5 Grad Celsius" gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, mit den bisherigen nationalen Plänen niemals eingehalten werden können.
Ein UN-Bericht sieht die Welt auf Grundlage der eingegangenen Selbstverpflichtungen – vorausgesetzt diese werden tatsächlich umgesetzt – eher auf dem Weg zu einer Erwärmung von 2,5 Grad Celsius. Erreicht haben wir bereits etwa 1,1 Grad Celsius und seit den 1970er Jahren hat die globale Temperatur um rund 0,23 Grad Celsius pro Jahrzehnt zugelegt.
Soll das Pariser Klimaziel der Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius Erwärmung noch erreicht werden, müssten der weltweite jährliche Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 43 Prozent gegenüber dem Niveau von 2019 reduziert werden, hatten die Klimaforscherinnen und Klimaforscher des Weltklimarats, des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimafragen IPCC, in ihrem letzten Bericht festgestellt.
Das entspricht in etwa dem im deutschen Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Ziel, die Emissionen bis zum Ende des Jahrzehnts um 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 abzusenken. Was hierzulande als besonders ehrgeizig angesehen wird, ist also nur das, was im weltweiten Durchschnitt nötig ist.
Von einem der reichsten Industrieländer, das seit dem Beginn der Industrialisierung so viel zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beigetragen hat, wie nur sehr wenige andere Staaten, sollte man zudem eigentlich mehr erwarten. Insbesondere angesichts der historischen Emissionen müsste Deutschlands Beitrag überdurchschnittlich sein, um den vielen ärmeren Ländern mit erheblich weniger Ressourcen eine Last abzunehmen.
Doch nicht einmal das in Wirklichkeit sehr wenig ehrgeizige Ziel ist gesichert, wie gestern berichtet. Beim Verkehr tut sich zu wenig (siehe Verkehrsministerium verweigert weiter die Arbeit), die Industrie verschleppt den Wandel und die Energiepolitik ist mit Frackinggas und RWE-Deals unter grüner Regie im Rückwärtsgang, was natürlich alles nur Putins Schuld ist.
Viele Menschen wollen sich damit aber nicht abfinden. Die einen gehen freitags auf die Straße, einige machen spektakuläre Aktionen und ziehen den Hass der Satten und Rechten auf sich, und wieder andere bemühen die Gerichte. Wie zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die gegen das vom Bundesverkehrsministerium vorgelegte Klimaschutzprogramm für den Verkehrssektor vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klagt, weil es – wie berichtet und oben verlinkt – vollkommen unzureichend ist.
Den Bericht der Expertenkommission zum Stand des Klimaschutzes, über den wir gestern schrieben, sieht die DUH als Beleg, dass die Bundesregierung verfassungsmäßige Rechte der Bürgerinnen und Bürger verletzt, und will ihn in das Verfahren gegen das Verkehrsministerium einbringen.
Ansonsten fordert die DUH als Antwort auf das negative Urteil der Expertenkommission Sofortmaßnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen wie die Einführung eines Tempolimits von 100 Kilometer pro Stunde auf den Autobahnen, 80 auf den Landstraßen und 30 in den Ortschaften, die sofortige Beendigung der Subventionierung klimaschädlicher Dienstwagen, eine 180-Tage-Sanierungsoffensive für Schulen und Kindergärten sowie ein Verbot des Einbaus von Gasheizungen im Neubauten. Aber wahrscheinlich geht das alles nicht, weil Putin die eigentlich willige Bundesregierung an der Umsetzung hindert.