Klimaschutz: Grüne legen "radikal realistischen Maßnahmenplan" vor
Im Gegensatz zur Bundesregierung wollen die Grünen CO2 deutlich stärker bepreisen. Der Verringerung der Stromsteuer und ein Energiegeld sollen die Wellen der Empörung glätten
Vom Klimapaket der Bundesregierung sind die Grünen enttäuscht, damit stehen sie nicht allein. Im Gegensatz zu den Vertretern der Klimaproteste, die das noch nicht abgeschlossene Maßnahmenpaket als Schlag ins Gesicht bewerten, sind die Grünen als politische Partei mit Regierungsambitionen aber gefordert, konkrete Vorschläge für ein besseres Klimaschutzgesetz zu bringen.
Die legen sie nun in einem 29-seitigen Leitantrag für die Bundesdelegiertenkonferenz Mitte November in Bielefeld vor. "Handeln - und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land" ist das Papier betitelt, das online veröffentlicht ist. "Mit unserem Klimaschutzpaket legen wir einen radikal realistischen und sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vor", heißt es in der Vorstellung des Papiers auf der Webseite der grünen Partei.
Höhere CO2-Bepreisung
Kernpunkte daraus wurden am Samstag bereits in Berichten großer Medien vorgestellt. Vor allem die letztlich sechs Mal höhere CO2-Bepreisung im Vergleich zu den Plänen der Bundesregierung wird viel beachtet. Die Grünen fordern als Sofortmaßnahme die Reform der Energiesteuern im Bereich "Verkehr und Wärme" mit einer CO2-Komponente.
"Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter planbar ansteigen." Ein unabhängiges Gremium soll die nach dem Vorschlag der Grünen für die Planbarkeit zuständig sein - bis es zu einer Einigung auf europäischer Ebene kommt.
Auch die Grünen wissen, dass Teuerungsvorschläge bei Steuerzahlern nicht gut ankommen und empörte Diskussionen auslösen. Hier setzen sie darauf, dass ihr Vorschlag der Reduzierung der Stromsteuer "auf das europarechtlich zulässige Minimum", die mit den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden soll, einen herabmildernden Effekt erzielt.
Darüber hinaus schlagen sie "als sozialen Ausgleich" die Einführung eines Energiegeld für alle vor. Es soll 100 Euro betragen. Wahrscheinlich pro Jahr. Denn es heißt, dass es "jede Bürgerin und jeder Bürger" erhalten soll. "Da Menschen mit niedrigem Einkommen in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon", heißt es im Leitantrag.
Wie sich dieser Anreiz auf die Diskussion auswirken, wo die Grünen mit ihrem Image als Verbotspartei konfrontiert sind, bleibt abzuwarten. Das Papier ist dicht gefüllt mit Vorschlägen aus unterschiedlichen Bereichen, so dass es für die Diskussionen über Einzelheiten, die erst ab Wochenanfang einsetzen werden, reichlich Stoff gibt.
Ende der Ölheizungen - Klimawohngeld
In den Berichten am Wochenende setzt der Vorschlag der Grünen, wonach Ölheizungen ab sofort nicht mehr eingebaut werden sollen und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr, eine Marke. Stattdessen sollen Heizungen mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz gefördert werden, wobei letzteres auch umstritten ist.
Auch im Wohnungssektor arbeitet der Vorschlag der Grünen mit Anreizen, die betonen, dass man einen sozial gerechten Klimaschutz will: "Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen."
Eigenheimbesitzer sollen "mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten" unterstützt werden, wenn sie sich bei der energetische Gebäudesanierung mitmachen. Ob die sozial gerechten Maßnahmen der Grünen ausreichen, um die Lasten weiterer Mieterhöhungen verträglich zu halten?
Ab 2030 nur noch Zulassung emissionsfreier Autos
Wie zu erwarten ist, wollen die Grünen den Autoverkehr mit Verbrennungsmotoren so weit wie möglich zurückfahren. Kommunen soll es erleichert werden, dass sie Maßnahmen treffen, die auf autofreie Innenstädte hinauslaufen. Steuerliche und finanzpolitische Maßnahmen sollen so gestaltet werden, dass "der Kauf von Autos mit fossilem Verbrennungsmotor ausläuft". "Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden", so die Forderung der Grünen.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos, die heute Tag für Tag im Stau stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, verringern und so Verkehrssicherheit und Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Die Grünen
Mauteinnahmen sollen der Förderung des Bahnverkehrs zugute kommen. Die Schiene soll deutlich Vorrang vor dem Straßenbau bekommen. "Ab 2025 wollen wir keine neuen Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind."
Kohlekraft: 2030 soll abgeschaltet sein
Auch für den Ausstieg aus der Kohlekraft nennt der Leitantrag für den Parteitag Mitte November ein Datum: 2030 soll abgeschaltet sein. "Wir machen uns daher dafür stark, über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten; für die Zeit nach 2022 wollen wir einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für Kohlekraftwerke vereinbaren."
Auch hier werden Anreize vorgeschlagen: ein "Klimaqualifizierungsgeld" für Beschäftigte, "die aufgrund eines klimaschutzbedingten technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen". Dieses soll insbesondere Unternehmen zugutekommen, "die auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen Qualifizierungsfonds einrichten können". Für die älteren Beschäftigten in Arbeitsbereichen, die direkt oder indirekt vom Braunkohleausstieg betroffen sind, schlägt man ein Anpassungsgeld vor.
Gespart werden soll bei den "umwelt- und klimaschädlichen" Subventionen: "Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum Beispiel die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung, den Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen und die Nichtbesteuerung von Kerosin."
"Was wir brauchen ist eine Klimaregierung"
Parteichefin Annalena Baerbock sagte, die Partei wolle möglichst schnell möglichst große Budgeteinsparungen. "Was wir brauchen ist eine Klimaregierung," heißt es im Leitantrag.
"Denn das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger als Verantwortung allein beim Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die Pflicht nehmen."