Klimawissenschaftler: Anstieg des Meeresspiegels besorgniserregend

Bild: Geomar (Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) / CC BY 4.0 Deed

Energie und Klima – kompakt: Anstiegstempo verdoppelt sich alle 20 Jahre. COP 28: Weltorganisation der Meteorologen im Kampf gegen Fossil-Lobby.

Der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich und könnte somit schon zum Ende des Jahrhunderts zahlreiche Küstenstädte und Inselstaaten bedrohen. Die vergangene Dekade war die wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Gletscher und polaren Eisschilde schrumpfen in Rekordtempo, Wärme und Versauerung setzten den marinen Ökosystemen zu und Extremwetter untergraben die nachhaltige Entwicklung, heißt es in einem am heutigen Dienstagmorgen veröffentlichten Zehn-Jahres-Rückblick der Weltorganisation für Meteorologie (WMO).

Hier geht es zur Presseerklärung und einem Livestream der Pressekonferenz. Die in Genf ansässige Organisation ist sozusagen der Dachverband der nationalen Wetterdienste und eine der ältesten Organisationen der UNO.

COP 28: Sultan Ahmed al-Dschaber hat andere Interessen

Anlass der jüngsten Warnungen ist die seit vergangener Woche in den Vereinigten Arabischen Emiraten tagende diesjährige Weltklimakonferenz COP 28. Deren Präsident, Sultan Ahmed al-Dschaber, scheint die Warnungen allerdings nicht besonders ernst zu nehmen.

Al-Dschaber ist Industrieminister der Emirate und zugleich Chef des Erdölkonzerns ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company), einem der weltweit größten seiner Art. Wenig überraschend ließ er die Weltöffentlichkeit schon im Vorfeld des Klimagipfels wissen, dass er keine Notwendigkeit für den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern sieht, wie die britische Zeitung Guardian am vergangenen Sonntag berichtete.

WMO-Generalsekretär Petteri Taalas sieht das derweil ganz anders:

Unser Wetter wird extremer, was deutliche und nachweisbare Auswirkungen auf die sozial-ökonomische Entwicklung hat. Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und Waldbrände zerstören Ernten, begrenzen die Wasserversorgung und vertreiben massenweise Menschen aus ihren Dörfern und Städten. Zahlreiche Studien zeigen, dass im letzten Jahrzehnt vor allem die Gefahr intensiver Hitzewellen signifikant zugenommen hat.

Petteri Taalas, WMO

Am oberen Rand dessen, was Simulationen mit Computermodellen erwarten lassen

Dass dafür die Anreicherungen von Treibhausgasen in der Atmosphäre verantwortlich sind, gilt seit Ende der 1980er-Jahre als gesichertes Wissen in den Erdwissenschaften. Und die Entwicklung der letzten rund 15 Jahre bewegt sich eher am oberen Rand dessen, was die Simulationen mit Computermodellen seit den 1990er-Jahren erwarten lassen.

Manches, wie etwa der Rückgang des Meereises auf dem arktischen Ozean oder das Schrumpfen der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis, vollzieht sich auch schneller, als von den meisten Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern erwartet worden war.

Der von Satelliten ermittelte Meeresspiegel in Millimetern seit Anfang der 1990er. Von den Rohdaten wurden die jahreszeitlichen Schwankungen subtrahiert. Der graue Bereich um den Grafen herum markiert die Messungenauigkeit. Grafik: WMO

Exponentieller Anstieg

Besonders besorgniserregend ist der Meeresspiegel. Wie die obige Grafik zeigt, beschleunigt sich sein Anstieg deutlich. Während die Pegel im 20. Jahrhundert bis 1971 nur um 1,3 Millimeter pro Jahr kletterten, waren es in den 1990ern bereits 2,14 Millimeter pro Jahr und seitdem hat sich das Tempo binnen 20 Jahren etwas mehr als verdoppelt.

Es liegt also ein exponentieller Anstieg vor. Wird diese Verdoppelungsrate bis zum Ende des Jahrhunderts beibehalten, würde sich das Tempo des Anstiegs bis zu den 2090er-Jahren noch viermal verdoppeln. Die Meere würden bis 2092 im globalen Durchschnitt um eineinhalb Meter steigen und von 2093 bis 2102 noch einmal um 75 Zentimeter.

Hunderte Millionen Menschen müssten umgesiedelt werden

Die Folgen wären katastrophal. Zahlreiche Inselstaaten würden untergehen, flache Küstenländer von Sturmfluten und eindringendem Grundwasser bedroht. Große Metropolen wie Shanghai, New York oder Ho-Chi-Minh-Stadt wären in akuter Gefahr, und Hunderte Millionen Menschen müssten umgesiedelt werden.

Große Teile der Niederlande und der deutschen Nordseeküste lägen unter dem Meeresspiegel und könnten nur noch mit einer massiven Erhöhung der Deiche geschützt werden.

Sollte der Meeresspiegel weiter steigen, wovon angesichts der langsamen Prozesse in den polaren Eismassen auszugehen ist, dann müssten diese Regionen schon im nächsten Jahrhundert aufgegeben werden, weil Deiche sich nicht beliebig erhöhen lassen.

Versalzen des Grundwassers

Außerdem versalzt an der Küste oft das Grundwasser, wenn das Land unter dem Meeresspiegel liegt. Das dortige Ackerland ginge also auch verloren, wenn die Deiche noch halten. Hier kann man auf einer Weltkarte nachvollziehen, welche Küsten bei unterschiedlichen Höhen des Meeres bedroht wären.

Dabei kann im Einzelnen der Anstieg der Meere sehr unterschiedlich ausfallen. Wenn vom mittleren Meeresspiegel die Rede ist, wird damit der über alle Ozeane und Seitenmeere gemittelte Wert gemeint. Dieser ist von der Menge des Wassers und seiner Temperatur abhängig.

Der lokale Meeresspiegel hängt zusätzlich von den vorherrschenden Winden und Meeresströmungen sowie den Luftdruckverhältnissen ab. Auch die veränderte Massenverteilung wirkt sich aus.

Wenn das Eis schwindet, verändert sich die Erdrotation, was vor allem vor der Ostküste der USA den Meeresspiegel überdurchschnittlich stark ansteigen lässt.

Hier, auf einer Internetseite der Universität von Colorado, kann man sehen, wie sich der Anstieg der Meere in den letzten 30 Jahren verteilt hat. Die Ostküste Nordamerikas, sie Archipele Indonesiens und der Philippinen sowie die Inselwelt im westlichen Pazifik sind im besonderen Maße gefährdet.