Knappe Kohle
Die Energie- und Klimawochenschau: RWE will für viel Geld CO2 verbuddeln, aber ob der Aufwand überhaupt lohnt, bleibt fraglich. Für den Verbraucher bestimmt nicht
King Coal is back, könnte man meinen. In Deutschland gibt es einen Boom neuer Kohlekraftwerke, in den USA auch und in China erst recht. Mit einer viel gerühmten, aber unerprobten Technik zur Abscheidung der Treibhausgase versucht man, den Bürger zu beruhigen, doch die eigentliche Frage scheint zu sein, wird überhaupt noch bezahlbare Kohle auf dem Markt sein, wenn die Technik 2020 oder 2025 vielleicht einmal einsetzbar ist.
„Saubere Kohle“ hat eventuell die Chance, das Unwort des Jahres zu werden. Anmelden sollte man es jedenfalls dringend und verdient hätte der Begriff die Auszeichnung auf jeden Fall. Einer der großen Freunde der „sauberen Kohle“ ist Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (siehe auch Kohle um jeden Preis). Letzte Woche gab er im hohen Norden den Startschuss für ein 60 Millionen Euro teures Erkundungsprogramm, mit dem nach geeigneten Lagerstätten für das Treibhausgas Kohlendioxid gesucht werden soll.
In Nordfriesland, unter dem Boden der Nordseeküste, und in Ostholstein wird in den nächsten Jahren RWE Dea die entsprechenden geophysikalischen Untersuchungen vornehmen. In Ostholstein, wo es, nach einem Bericht der Lübecker Nachrichten zu schließen, erhebliche Unruhe wegen der Pläne gibt, verspricht sich der Konzern gleichzeitig Aufschluss über ein dort vermutetes kleineres Ölfeld.
In 2500 Metern Tiefe hofft man geeignete Schichten für die Aufnahme des CO2 zu finden. Die Kraftwerke, aus denen das Treibhausgas stammt, werden allerdings woanders entstehen, haben Vertreter des Unternehmens und der Landesregierung den betroffenen und besorgten Bürgern erzählt. Dass allerdings in Kiel und Brunsbüttel an der Unterelbe, den von Austermann favorisierten Standorten, die Kraftwerkspläne äußerst unbeliebt sind, wurde geflissentlich verschwiegen. An der Kieler Förde haben die dortigen Stadtwerke ihr Vorhaben vorläufig auf Eis gelegt und in Brunsbüttel gab es erst am 15. März eine Demonstration gegen die dort geplanten drei Kraftwerksblöcke.
Wie dem auch sei, nach den Vorstellungen RWEs und der Kieler Landesregierung soll dereinst das verflüssigte CO2 dutzende Kilometer weit, wenn nicht noch weiter, per Pipeline durchs Land gepumpt werden. Das wird natürlich nicht umsonst zu machen sein. Es wird sogar ziemlich teuer werden, wie die Frankfurter Rundschau und andere letzte Woche berichteten.
Das beim Bundestag angesiedelte „Büro für Technikfolgenabschätzung“ hatte berechnet, dass die Technik, die es bisher in Deutschland nicht einmal in funktionsfähigen Pilotanlagen gibt, die Kohlekraftwerke unrentabler machen könnte. Eigentlich ist das nicht weiter verwunderlich, denn unter anderem wird durch die energieaufwendige Abscheidung der Wirkungsgrad der Kraftwerke erheblich gesenkt. Rechnet man auch Verflüssigung und Transport des CO2s ein, so geht der Nettowirkungsgrad um mindestens zehn vermutlich eher 15 Prozent zurück.
Kohle wird knapp
Angesichts rasant steigender Kohlepreise dürfte das erheblich ins Gewicht fallen. Laut FR hat das Bundestagsbüro ermittelt, dass für die gleiche Menge Strom der Kohleeinsatz um bis zu 40 Prozent steigen könnte. Der Preisvorsprung zu den erneuerbaren Energien würde vollkommen zusammenschmelzen.
Dabei haben die Technik-Beurteiler noch nicht einmal die Auswirkungen des weltweit zunehmenden Steinkohle-Verbrauchs berücksichtigt. Die Washington Post schrieb am Osterwochenende von einem bemerkenswerten Engpass in den ersten Monaten des Jahres. Ursache war eine Mischung aus hohem Verbrauch und misslichen Wetterlagen.
Während China durch den ungewöhnlichen Wintereinbruch im Süden des Landes Schwierigkeiten hatte, seine Kraftwerke mit Kohle zu versorgen, behinderten in Australien starke Regenfälle den Export. Zu Dutzenden reihten sich die Kohlefrachter in den Häfen, weil ihre Ladung nicht herangeschafft werden konnte. Zusätzlich verknappt wurde das Angebot auf dem Weltmarkt dadurch, dass China und Vietnam ein temporäres Exportverbot für Kohle aussprachen.
Fachleute gingen inzwischen davon aus, dass die hohen Preise für Kohle (seit Januar 2007 ein Anstieg von über 100 Prozent) keine kurzfristige Erscheinung bleiben werden. Im Schatten dieser Entwicklung macht ein Land Karriere als Rohstoffexporteur, von dem man es am wenigsten erwarten würde: die USA. „Der Wert der Kohleexporte, die 2,5 Prozent aller US-Ausfuhren ausmachen, wuchs im letzten Jahr um 19 Prozent auf 4,1 Milliarden US-Dollar“, schreibt die Washingtoner Zeitung.
Für dieses Jahr werde sogar ein noch größeres Wachstum erwartet. Die Einnahmen für die Kohleexporte hätten dem Land ein wenig geholfen, die Ausgaben für Flachbildschirme aus Japan, iPods aus China und Maschinen aus Deutschland abzudecken. Nicht unbedingt eine schmeichelhafte Feststellung für einen Industriestaat. In den USA wird nun überlegt, die Infrastruktur für den neuen Boom auszubauen. Neue Eisenbahnlinien und Verladestationen in den Häfen müssen her, neue Lagerstätten erschlossen werden. In den USA wird die Kohle oft im Tagebau gewonnen. Vor allem die Appalachen sind schon erheblich verwüstet.
Wie lange reicht die Kohle?
Die Frage ist allerdings, wie lange die Kohle reicht. Ein Kohlekraftwerk läuft für gewöhnlich 35 bis 40 Jahre. Wird es noch so lange Kohle geben? In den letzten sechs Jahren ist weltweit der Verbrauch um 30 Prozent gestiegen. Nach Angaben der Washington Post nimmt der Einsatz von Kohle in China zum Beispiel derzeit jährlich um zehn Prozent zu. Das Land hat zwar 139 Milliarden Tonnen abbaubare Kohle, womit es zu den größten Kohle-Ländern gehört, aber diese Menge wird nicht ewig reichen. Beim gegenwärtigen Verbrauch, schrieb 2004 Bao Quan im China Economic Net, werde diese Menge 83 Jahre reichen. Man kann sich also leicht ausrechnen, was passiert, wenn das gegenwärtige Wachstum noch länger anhält: In 12 bis 13 Jahren hätte sich der Kohleverbrauch verdreifacht, die chinesischen Kohlevorräte würden dann nur noch bis etwa 2045 für den Eigenbedarf reichen.
Entsprechend ging die Energy Watch Group bereits vor einem Jahr in ihrem Kohlebericht (PDF-Datei) davon aus, dass der Höhepunkt der weltweiten Kohleförderung nicht mehr allzu fern ist, weil die Lagerstätten bald Erschöpfungserscheinungen zeigen würden. Bestenfalls sei noch bis 2025 Zeit. In den USA, dem Land mit den weltweit größten Reserven sei allerdings bereits seit einigen Jahren zu beobachten, wie die spezifische Produktivität der Kohlekumpels abnehme. Soll heißen: Die beste Kohle ist bereits abgebaut, jetzt ist die mit geringerem Brennwert an der Reihe.
Kein Wunder, dass der dänische Energiekonzern DONG Energy, für sein bei Greifswald geplantes „Steinkohlekraftwerk“ (siehe Kohlekraftwerk im Touristenparadies) in der Spezifikation Kohle mit einem derart niedrigen Brennwert angibt, die in Deutschland eigentlich als Braunkohle eingestuft wird.
Schädlicher als gedacht
Neben ihrer tendenziellen Knappheit bringt Kohle noch manches andere Problem mit sich. Zum Beispiel den Ruß: Ruß entsteht, wo immer Kohle, Holz, Kuhmist oder Diesel verbrannt wird. Als Feinstaub ist er eine akute Gefahr für Stadtbewohner, da er tief in die Lunge eindringen kann. Aber auch zum Klimaproblem leistet er seinen Beitrag: Ein Teil des Rußes, vor allem der aus höheren Schornsteinen ausgestoßene, gelang bis in die Arktis, lagert sich dort auf Schnee und Eis ab und vermindert damit deren Reflektivität. Weniger Sonnenlicht wird direkt zurück in den Weltraum geworfen, mehr verbleibt im Klimasystem und trägt zu dessen Erwärmung bei. Doch der Effekt ist im Vergleich zu den Treibhausgasen eher klein.
Größer hingegen ist da schon die Klimawirkung, die der Ruß in der Atmosphäre entfaltet. Das ist das Ergebnis der Untersuchungen US-amerikanischer Wissenschaftler, über die die britische Zeitung The Guardian am Osterwochenende berichtete. Greg Carmichael von der University of Iowa und V. Ramanathan vom Scripps Institution of Oceanography in San Diego haben die Messungen von Satelliten, Messflugzeugen und andere Quellen ausgewertet und kommen zu dem Schluss, dass die Auswirkungen des Ruß vor allem in größeren Höhen bisher unterschätzt wurde.
Sie gehen davon aus, dass insgesamt die Rußpartikelchen in der Luft einen Beitrag zur globalen Erwärmung leisten würden, als hätte die Intensität der Sonnenstrahlung am Oberrand der Atmosphäre um 0,9 Watt pro Quadratmeter zugenommen. Das entspräche immerhin rund 54 Prozent des Effekts des CO2, das den größten Anteil am von Menschen verursachten Treibhauseffekt hat.
Im Gegensatz zu anderen Schwebteilchen wie namentlich den Schwefelverbindungen hat der Ruß wegen seiner Schwärze auch in der Atmosphäre eine wärmende Wirkung. Bisher ging man allerdings davon aus, dass der kühlende Effekt der reflektierenden Teilchen und der durch alle Aeorosole (wg. ihrer Wirkung als Kondensationskeime) begünstigten Wolkenbildung, überwiegt. In der Spalte sechs (Total Aerosols Direct Effect) verbirgt sich die Annahme eines positiven Effekts von Ruß, der +0,3 +- 1 W/m2 beträgt. Die im Text zitierten Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Effekt eher bei +0,9 W/m2 liegt.
Gegenüber dem CO2 hat Ruß aber einen wesentlichen Vorteil. Seine Verweildauer in der Atmosphäre beträgt nur einige Wochen. Wenn morgen jedoch alle Emissionen des Treibhausgases aufhörten, dann würde es noch Jahrhunderte dauern, bis seine Konzentration wieder auf das vorindustrielle Maß abgesunken wäre. Durch die Kurzlebigkeit des Ruß würden Maßnahmen zu seiner Verminderung schon schnell Früchte tragen und zwar im doppelten Sinne, wie Ramanathan und Carmichael betonen: Zum einen würden sie den Treibhauseffekt mindern, zum anderen würden sie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten und könnten Jahr für Jahr hunderttausende Menschenleben retten.
Übrigens: Ruß entsteht auch bei der Verbrennung von Holzpellets und Diesel aus Raps, Soja, Palmöl und ähnlichem. Ein weiterer Grund, noch einmal nachzudenken, bevor zu weit in die Sackgasse nachwachsender Rohstoffe gerannt wird.