König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron
Die ersten Monate der Präsidentschaft Trumps erscheinen wie das uralte Spiel von Macht, Intrigen und Verrat - eben wie ein "Real Game of Thrones"
Als ich im letzten Sommer begann, dem Wahlkampf in den Vereinigten Staaten etwas Aufmerksamkeit zu schenken, kamen mir zwei geflügelte Worte in den Sinn, die auf den römischen Dichter Juvenal zurückgehen.
"Difficile est satiram non scribere" ("Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben") hatte dieser Anfang des 2. Jahrhunderts angesichts der Intrigen in der Hauptstadt des Imperiums notiert - was für die gigantische Castingshow, die das US-amerikanische "Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln" (Gore Vidal) alle vier Jahre durchzieht, zwar schon lange zutrifft, dieses Mal aber ganz besonders zu passen schien. Mit einer verbissenen Kandidatin auf der einen Seite, die ihren weitaus populäreren parteiinternen Konkurrenten mit üblen Tricks aus dem Rennen geworfen hatte - und auf der anderen Seite mit einem großmäuligen Baulöwen und Casinobetreiber, der die gesamte "Grand Old Party" der Republikaner ausmanövriert und sich zum Spitzenkandidaten aufgeschwungen hatte.
Spätestens seit dem Schauspieler Ronald Reagan war ja schon klar, dass eine Rolle als charismatischer Grüßaugust vollkommen reicht, um als "großer Präsident" in die POTUS-Annalen einzugehen. Intelligenz und politische Erfahrung waren also schon länger nicht mehr Voraussetzung für das Präsidentenamt. George W. Bush konnte ohne Teleprompter kaum drei Sätze geradeaus sprechen, wurde aber dennoch zwei Mal gewählt, da er die Grundvoraussetzung für das Amt mitbrachte: genug Geld.
Diese Summen waren 2016 derart astronomisch - 1,3 Milliarden bei Dollar Hillary Clinton, 795 Millionen bei Donald Trump -, dass von einer demokratischen Wahl des Fähigsten tatsächlich nicht mehr im Ernst, sondern nur noch satirisch geredet werden kann: als demokratische Dekoration eines plutokratischen Systems.
"Wer bewacht die Wächter?"
Als dann im Zuge des Wahlkampfs zu beobachten war, wie auch eine der sogenannten "Säulen der Demokratie" - die Wächter- und Kontrollfunktion der Medien und ihre Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer, objektiver Information - zusehends zerbröselte und statt fairer Berichte über den Wettbewerb auf fast allen Kanälen völlig einseitiger Rudeljournalismus gepflegt wurde, kam mir die zweite berühmte Juvenal-Sentenz in den Sinn: "Sed quis custodiet ipsos custodes?" ("Wer aber bewacht die Wächter?")
Ein Fußballreporter, der jeden Rempler der einen Mannschaft als "grobes Foul" und die Blutgrätschen der anderen als "faire Härte" kommentiert, hätte keine Chance, in die Champions League der TV-Reportage aufzusteigen. Doch in den Nachrichten schien es sich jetzt genau umgekehrt zu verhalten: Permanentes Trump-Bashing gehörte überall zum guten Ton, während Clinton derart mit Lob und Hudel bedacht wurde, dass man ihren Wahlsieg mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagte.
Wenn ich im Freundes- und Kollegenkreis diese unfaire Berichterstattung ansprach, bekam ich zu hören: "Dieser Trump ist aber doch eine Katastrophe, da kann man einfach nicht anders berichten." Wirklich? Jubelten ihm außer an den Küsten die Leute überall im Land zu, weil er eine "Katastrophe" oder ein "Rassist", "Sexist", "Faschist" ist? Oder hatte das nicht vielleicht doch mit seinen politischen Forderungen zu tun: illegale Immigration eindämmen, Arbeitsplätze im Land schaffen, die Infrastruktur wieder aufbauen, die "regime change"-Politik stoppen, mit Russland "klar kommen" und als erstes das terroristische Kalifat ISIS "eliminieren"?
Das waren die konkreten Punkte, die er in seiner Kampagne immer wieder angesprochen hatte und für die ihm die Leute zujubelten. Doch in den Medien kamen diese Punkte fast nur in Form der Mauer vor, die er an der mexikanischen Grenze errichten und Mexiko dafür bezahlen lassen will - wobei meist unter den Tisch fiel, dass mit dem Bau der Mauer seine Vorgänger Bush und Obama schon begonnen hatten.
Wie eine der teuflischen und tödlichen Intrigen aus der mittelalterlichen Fantasy-Serie "Game of Thrones"
Und dann wurde der "Irre" tatsächlich gewählt - der "Rassist", "Sexist", "Faschist" Trump wurde Präsident und die "Wächter" - die für die Information der Öffentlichkeit zuständigen Medien - sprachen von "Schock": Ein kometenhaftes Monster in Orange raste auf den wehrlosen Planeten zu, es enthauptete die Freiheit und hielt Miss Libertys blutigen Schädel als Trophäe in den Wind: das "Ende der Welt".
Das war es für den Spiegel und die anderen Wächter der Demokratie aber gar nicht, es war nicht einmal ein Moment des Innehaltens oder gar der Reflektion, dass man bei der völlig einseitigen Reportage des Wahlkampf-Matches womöglich Fehler gemacht habe - es ging genauso und im selben Ton weiter. Allen voran, wie jetzt gerade eine Medienstudie der Harvard-Universität ermittelte, der deutsche Gebührensender ARD, in dem 98 Prozent der nicht-neutralen "Tagesthemen"-Berichte über Trump negativ gefärbt waren, bei CNN waren es 93 Prozent, bei der New York Times 87 Prozent und der Washington Post 83 Prozent.
Als Trump dann bei einer Pressekonferenz im Januar einem CNN-Reporter eine Frage mit dem Hinweis verwehrte "You Are Fake News!", versetzte dies die Medienvertreter in Schnappatmung, und wenn man sie aufgeregt vom "Ende der Pressefreiheit" und von "Zensur" reden hörte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass der befürchtete Polizei- und Überwachungsstaat des "Diktators" Trump jetzt wirklich Realität wird.
Tatsächlich aber wurden die Methoden eines solchen Staatssystems jetzt gegen den Präsidenten selbst angewandt: Mit Gerüchten, Lecks und Aussagen von anonymen "senior officials", die aus dem Untergrund der Geheimdienste und Behörden in den Top-News landeten, wurde weiter an der Demontage Trumps gearbeitet.
Dann sah ich kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember 2016, in der New York Times, dass dem gewählten Präsidenten nunmehr schon offen gedroht wurde: "Presidents who sideline the CIA do they at great risk" - JFK und Dallas lassen grüßen! Und ich las, dass Trump seine eigenen Leibwächter mit ins Weiße Haus nehmen wollte, weil er dem Secret Service offenbar misstraute.
Kurz darauf erschien ein Dossier, in dem alle siebzehn Geheimdienste der USA über die Beeinflussung der US-Wahl durch Russland spekulierten - ohne aber irgendeinen Beweis dafür vorzulegen, dass Trump, den Hillary Clinton als "Marionette Putins" bezeichnet hatte, tatsächlich mit illegalen russischen Manipulationen Präsident geworden war.
Als dieser substanzlose Bericht dann von den Medien gar nicht kritisiert wurde, sondern nur dazu diente, das Russland-Märchen weiter zu stricken, schien mir das Ganze nun nicht mehr nur wie eine spätrömische Satire von Juvenal, sondern wie eine der teuflischen und tödlichen Intrigen aus der mittelalterlichen Fantasy-Serie "Game of Thrones". So kam es dann zu der kleinen Serie, die unter dem Titel "Real Game of Thrones" ab dem 15. Januar auf Telepolis erschien.
Bei dieser Chronik der aktuellen Ereignisse handelte es sich um eine Art Hybrid: sowohl um Fantasy mit Fußnoten und Märchen mit Quellenangaben als auch um einen Zeitkommentar im Mythenton und Journalismus als große Saga von Schurken und Helden. Im Zeitalter von "Fake News" schien mir das eine angemessene Form der Berichterstattung zu sein, denn wenn man von der Tagesaktualität einen Schritt zurücktrat, ließ sich erkennen, dass hier nichts anderes stattfand als der alte Kampf um die Macht, mit den immergleichen Mustern von Intrige und Verrat, eben ein "Real Game of Thrones".
Auf 208 Seiten, gebunden und im handlichen Pocket-Format, erscheint die erweiterte Fassung der "Real Game of Thrones"-Serie in dieser Woche als Buch im Westend Verlag mit dem Titel "König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron".