Kommen die Menschen mit teil- und hochautomatisierten Autos zurecht?

Seite 2: Die Menschen seien nicht gut in der "passiven Überwachung"

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Der Kognitionspsychologe Daniel Heikoop, ein holländischer Wissenschaftler von der Delft University of Technology, hat in seiner Doktorarbeit "Fahrerpsychologie während des Fahrens in Kolonnen" vor dem Übergang zum völligen autonomen Fahren gewarnt. Bei den teil- oder hochautomatisierten Fahrzeugen, bei denen die Fahrer noch weiter in Verantwortung stehen, seien diese schlicht von der verordneten Aufgabe überfordert, permanent "wahrnehmungsbereit" zu sein.

Selbst Spurhalteassistenten oder Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC) würden Fahrer nicht nur unterstützen, sondern sie in eine "passive Überwachungsrolle zur Suche nach möglichen gefährlichen Reizen in der Umgebung oder nach einem Systemfehler" versetzen. Wenn durch fortgeschrittenere Systeme die Autos in Kolonnen fahren, können sie in geringerem Abstand fahren, um den Spritverbrauch zu reduzieren und Staus zu vermeiden (platooning technology). Das würde die Situation noch gefährlicher machen, weil dann die Reaktionszeit für Menschen zu kurz würde.

Um zu sehen, wie sich Fahrer beim Kolonnenfahren verhalten, führte Heikoop drei Experimente mit Versuchspersonen durch, deren Herzschlag gemessen und deren Blickrichtung aufgezeichnet wurde. In einer ersten Simulation wurde das Kolonnenfahren mit einem Fahrassistenten dreimal hintereinander jeweils 40 Minuten lang auf Stress, Arbeitsbelastung und Signalwahrnehmung unter drei Bedingungen untersucht. In einem Szenario ging es um die Beobachtung des Verkehrs und das Einschreiten bei einer gefährlichen Situation, bei dem zweiten solle die Versuchsperson rote Fahrzeuge entdecken und beim dritten konnte der Fahrer machen, was er wollte. Am wenigsten stressig war das dritte Szenarion, bei der aktiven Suchaufgabe blieben die Versuchspersonen meist aufmerksam. Allgemein müsste beim teil- oder hochautomatisierten Fahren die Zeit berücksichtigt werden, da die Aufmerksamkeit nachlasse und der Puls mit der Zeit absinkt

Im zweiten Experiment wurde in einer Fahrsimulation untersucht, wie sich unterschiedlich schwere mentale Aufgaben auf die Situationswahrnehmung auswirken. Je mehr mentale Aufgaben erledigt werden mussten, desto geringer wurde die Aufmerksamkeit auf das Fahren. Im dritten Experiment wurde mit einem Tesla Model S wirklich auf Autobahnen mit dem Autopilot zweimal hintereinander jeweils für 32 Minuten gefahren. Gefolgt werden sollte dabei aus Sicherheitsgründen einem anderen Fahrzeug. Wenn das Auto überholt und der Abstand zu große wurde, sollten die Versuchspersonen das Steuer ergreifen und wieder hinter das führende Fahrzeug fahren. Ein Teil der Versuchspersonen hatte die Aufgabe, nebenbei Brücken zu registrieren.

Wie in der Simulation sank auch hier der Puls ab und wurde die Arbeitsbelastung als ziemlich gering beschrieben. Wie bei der Simulation sinkt die selbstbeschriebe Arbeitsleistung mit der Zeit, Herzschlag und Atemfrequenz sind nahe der Ruhephase einer normalen Situation. Die mentale Aufgabe wurde schlechter erfüllt, vermutlich waren die Versuchspersonen eher motiviert, auf das Fahren zu achten, als in der Simulation.

Etwa 30 Minuten lang, so das Ergebnis der Versuche, könne die Aufmerksamkeit auf das Fahren aufrechterhalten werden, auch wenn dies nicht perfekt geschehe. Die Aufgabe, aufmerksam auf das Fahren zu bleiben, sei stressig und "extrem langweilig", sagt Heikopp, die Menschen seien nicht gut in der "passiven Überwachung". Seine Schlussfolgerung, die er als Ergebnis seiner Doktorarbeit sieht, ist, dass die Menschen nicht geeignet sind für die beim teil- oder hochautonomen Fahren notwendigen Überwachungsaufgaben. Überdies seien sie dafür nicht ausgebildet: "Sie wissen nicht einmal, auf was sie achten sollen, da sie nicht wissen, wie der automatisierte Wagen funktioniert, was er sehen kann und was nicht."

Genau das, was die Bundesregierung als das "modernste Straßenverkehrsrecht der Welt" propagiert, das einen "wahrnehmungsbereiten" passiven Fahrer verlangt, sei sehr gefährlich: "Wir sollten diese Phase besser überspringen und nur Fahrzeuge in Kolonnen fahren lassen, wenn sie ganz autonom sind. Die jetzt vorhandenen automatisierten Fahrzeuge sind nicht ausreichend verlässlich. Sensoren können falsch reagieren, wenn sie sehr hellem Sonnenlicht ausgesetzt oder mit Schmutz oder Schnee bedeckt sind." Das