Konfiszierung russischer Vermögen: Warnungen vor De-Dollarisierung und Finanzkrieg
Seite 2: Zinsen beschlagnahmen: Banken warnen
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Wie mein Kollege Bernd Müller auf Telepolis bereits berichtete, befinden sich knapp 70 Prozent aller vom Westen gesperrten Vermögenswerte beim belgischen Zentralverwahrer Euroclear. Dort lagern Wertpapiere und Bargeld der russischen Nationalbank in Höhe von rund 190 Milliarden Euro.
Russische Gegenmaßnahmen (Moskau beschlagnahmt z.B. Euroclear-Gelder) könnten Euroclear in Kapitalschwierigkeiten bringen und eine Finanzkrise auslösen.
Daher zögert man in Europa auch, an die russischen Vermögen heranzugehen. Eine ganze Reihe von Vergeltungsmaßnahmen ist denkbar. So halten westliche Staaten wie die G7 oder die EU in der russischen Wirtschaft ausländische Direktinvestitionen im Wert von 288 Milliarden Dollar, die Moskau im Gegenzug konfiszieren könnte.
Aus diesem Grund verfolgt man in Brüssel bisher einen moderateren Ansatz. Man hat lediglich im Plan, die beträchtlichen Zinszahlungen, die durch die eingefrorenen Vermögenswerte generiert werden, nach Kiew umzuverteilen.
Doch auch dieser Schritt wird selbst von einer Reihe von westlichen Banken als Gefahr angesehen. Sie stellen sich dagegen und haben begonnen, ihre Lobbymacht in die Waagschale zu legen.
De-Dollarisierung spielt China in die Karten
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich letzte Woche auf einen Plan geeinigt, der vorsieht, drei Milliarden Euro jährlich an Zinsen aus russischen Vermögen umzuleiten. Einige Banken befürchten in diesem Fall kostspielige Rechtsstreitigkeiten und ein Vertrauensverlust in das westliche Bankensystem sowie westliche Währungen.
In den USA weist Ryan Martínez Mitchell vom Quincy Institute, Professor an der juristischen Fakultät der Chinesischen Universität Hongkong, noch auf einen anderen negativen Effekt für den Westen hin.
Denn die Beschlagnahmung russischer Vermögen im Westen würde die ohnehin schon weitverbreitete Unzufriedenheit gegenüber der Macht des US-Dollars weiter verschärfen. Die chinesische Währung, der Renminbi Yuan, würde zusätzlich an Attraktivität gewinnen, da Dollar- und Euro-Konten immer anfälliger für Beschlagnahmungen wären.
Es könnte am Ende den Trend Richtung De-Dollarisierung der Weltwirtschaft verstärken. Sicherlich, so Mitchell, sei der Renminbi bisher nur die fünftwichtigste globale Reservewährung und liege damit noch knapp hinter dem Yen und dem Pfund.
Kollateralschäden für den Westen
Auch würden Chinas strenge Auflagen, was die Währung angeht, ein Hindernis für einen schnellen Siegeszug der eigenen Währung auf globaler Bühne darstellen. Das chinesische Bildungsministerium stellt in einer Studie selbst fest, dass "die Entdollarisierung keine vollständige Renminbiisierung sein kann".
Aber die aggressive Politik gegen russisches Zentralbank-Vermögen könnten Chinas Währung und einer Brics-Diversifizierung von Reservewährungen neuen Auftrieb verleihen, während das eigene Sanktionsregime vorangetrieben werden könnte.
Das wäre dann ein weiterer "Kollateralschäden" des westlichen Versuchs, Russland zu schädigen und die Finanzierungslücke – sich ausweitend durch die mangelnde Bereitschaft in den USA und Europa, eigenes Geld für die Ukraine im Krieg zur Verfügung zu stellen – derart zu füllen.
Die G7 will den Beschlagnahmungsvorschlag auf ihrem nächsten Treffen erörtern. Die Biden-Regierung in den Vereinigten Staaten sowie Kanada und Japan sind nach wie vor starke Befürworter dieser Idee. Die Europäer sollten sich gut überlegen, ob sie da mitmachen wollen.