Kongo: Überraschender vorläufiger Sieg eines Oppositionskandidaten

Die Flagge der "Demokratischen Republik Kongo"

Kabila-Schützling nur Dritter, zweitplatzierter Oppositionskandidat spricht von "Wahlputsch"

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Der ehemals belgische Kongo zählt nicht nur zu den rohstoffreichsten Ländern der Erde, sondern gilt auch als Beispiel eines gescheiterten Staates: Seit der Unabhängigkeit des Landes herrschten dort fast ausschließlich Diktatoren und Warlords. Für die Präsidentschaftswahl, die am 30. Dezember stattfand, hatten die meisten internationalen Beobachter erwartet, dass der bisherige Präsident Joseph Kabila seinen Kandidaten Emmanuel Ramazani Shadary durchsetzt.

Nun hat die Wahlkommission überraschend ein vorläufiges Ergebnis verkündet, bei dem ein Kandidat der Opposition mit über sieben Millionen von etwa 18 Millionen abgegebenen Stimmen vorne liegt: Félix Tshisekedi. Emmanuel Ramazani Shadary kam diesem vorläufigen Ergebnis nach nur auf etwa vier Millionen Stimmen. Zwischen ihm und Tshisekedi liegt mit gut sechs Millionen Stimmen ein anderer Oppositionskandidat: Martin Fayulu, der ehemalige Generaldirektor von Exxon Mobil in Äthiopien.

Lingalasprecher gegen Luba

Fayulu spricht außer dem von der ehemaligen Kolonialmacht hinterlassenen Französisch Lingala - die Verkehrssprache im Norden und Westen des Gut-80-Millionen-Einwohnern-Landes, die auch der langjährige Diktator Mobutu Sese Seko nutzte: Im Südwesten, im Zentrum des ehemaligen Kongoreichs, dominiert dagegen die auf dem Kikongo der Kongo basierende Kreolsprache Kituba.

Die größte Bevölkerungsgruppe sind aber die Luba, die in der Mitte des Landessüdens leben und Tschiluba sprechen. Zu ihnen gehört sowohl Félix Tshisekedi als auch Joseph Kabila, auch wenn letzterer seinen Kritikern nach die im Osten des Landes gängige vierte große Verkehrssprache besser spricht: Das in Kenia, Tansania und anderen ostafrikanischen Ländern als Verkehrssprache verbreitete Kiswahili, das auch (der darüber hinaus lingalaflüssige) Emmanuel Ramazani Shadary spricht.

Tshisekedi dankt Kabila

Tshisekedi meinte nach der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses, er wolle Joseph Kabila nun danken und ihm die Hand reichen, damit er nicht länger ein Gegner, sondern ein politischer Partner sein könne. Joseph Kabila hatte die Macht im Kongo 2001 von seinem Vater Laurent-Désiré Kabila geerbt, der sich selbst zum Präsidenten machte, nachdem er 1997 Mobutu Sese Seko stürzte.

Der wiederum hatte bereits unmittelbar nach der Unabhängigkeit des Landes 1960 den ersten Ministerpräsidenten Patrice Lumumba gestürzt, wobei er aus wirtschaftlichen und weltpolitischen Erwägungen heraus von der CIA und vom belgischen Geheimdienst unterstützt wurde. Fünf Jahre später setzte Mobutu auch den Staatspräsidenten Joseph Kasavubu ab, einen Kongo mit chinesischem Großvater, und übernahm sowohl dessen Posten als auch die gesetzgeberischen Kompetenzen.

Um seine Macht zu erhalten, ließ er nicht nur regelmäßig Rivalen und ehemalige Mitstreiter hinrichten, sondern sorgte durch öffentliche Verstümmelungen auch dafür, dass man ihn als sehr grausamen Herrscher fürchtete. Außerdem initiierte er eine Authenticité-Kampagne, in deren Rahmen er das Land in Zaire umbenannte, christliche Vornamen afrikanisierte und Männern einen Abacost-Anzug nach chinesischem Vorbild vorschrieb. Trotz einer auf fünf Milliarden US-Dollar geschätzten Selbstbereicherung ließ ihn der Westen erst nach dem Ende des Kalten Krieges fallen, wobei er sich noch bis 1997 an der Macht halten konnte.

Bürgerkrieg

Seinem Land vererbte er bei seinem Gang ins Exil nach Marokko einen sehr hartnäckigen Bürgerkrieg im Osten, in dem auch andere afrikanische Länder wie Angola, Simbabwe und Ruanda mitmischten. Dabei entstanden auch Revitalisierungsbewegungen wie der wiederauferstandene ostafrikanische Maji-Maji-Krisenkult, dessen Anhänger besondere Risiken eingehen, weil sie sich einreden, durch Zauberwasser unempfindlich gegen Gewehrkugeln zu sein. Im Süden des Landes bildeten sich außerdem Luba-Milizen, die an einen noch etwas problematischeren Unbesiegbarkeitszauber glaubten (vgl. Luba-Rebellen glauben an Unbesiegbarkeitszauber durch Bluttrinken und Kongo: Pygmäen gegen Bantu).

Theoretisch reicht für Tshisekedis Präsidentschaft eine einfache Stimmenmehrheit. Ob er aber auch praktisch am 18. Januar als Präsident vereidigt wird, ist noch unklar und hängt nicht nur davon ab, ob das Endergebnis dem vorläufigen Ergebnis entspricht, sondern auch davon, ob das Verfassungsgericht dieses Ergebnis am 15. Januar bestätigt.

Martin Fayulu zweifelte das vorläufige Ergebnis bereits als "fingiert und erfunden" an und rief seine Anhänger dazu auf, sich gegen den "Wahlputsch" zu erheben. Unter diesen Anhängern kursiert die Mutmaßung, dass sich die beiden Luba Kabila und Tshisekedi gegen Fayulu verschworen, um einen Sieg des Lingala-Sprechers zu verhindern. Tshisekedi räumte Gespräche mit Kabila ein, meinte aber, dabei sei es lediglich um eine friedliche Übergabe der Macht und nicht um einen Wahlbetrug gegangen. Unterstützung erhielt Fayulu inzwischen vom belgischen und vom französischen Außenminister, die sich auf Umfragen und Wahlbeobachter der katholischen Kirche beriefen, nach denen zufolge eigentlich der Ölmanager vorne liegen müsste.

Zeitgenössischer musikalischer Kommentar zu den Vorgängen im Kongo der 1960er Jahre.

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