Kongress streicht Gelder für Pentagon-Überwachungsprojekt

Allerdings dürfen Technologien, die im Rahmen des Terrorism Information Awareness Programms (TIA) entwickelt wurden, von anderen Behörden verwendet und eingesetzt werden

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Wenn es um die allzu offensichtliche Überwachung und Beeinträchtigung der Privatsphäre durch den Staat geht, wachen die Gesetzgeber auf, zumal bei einem Vorhaben wie dem monströsen Terrorism Information Awareness Programm (TIA), das große Kritik auf sich gezogen hat. Jetzt hat der Kongress bei der Verabschiedung des Pentagon-Haushalts für 2004 (H.R.2658) beschlossen, das keine Gelder mehr in die Forschung und Entwicklung dieses Programms fließen dürfen - zumindest nicht im Pentagon. Lücken bleiben genug für die US-Regierung.

Das TIA-Logo verschwand nach Bekanntwerden des Programms schnell wieder von der Website, später passte man noch den Namen an

Das umstrittene Programm sollte unter der Leitung des nicht weniger umstrittenen ehemaligen Generals John Poindexter den Prototyp einer gewaltigen Datenbank mit unterschiedlichsten Datentypen aus möglichst vielen in- und ausländischen Quellen sowie Data-Mining-Möglichkeiten entwickeln, um automatisch verdächtiges Verhalten von Personen zu erkennen, die Terroristen sein könnten (Totale Überwachung). Ursprünglich hieß es "Total Information Awareness" und stieß nach Bekanntwerden schnell auf Kritik, weil ganz offensichtlich auch die Daten von US-Bürgern gesammelt und ausgewertet werden sollten.

Obgleich man beim Pentagon versicherte, damit nur Ausländer erfassen zu wollen, weswegen man schnell das Projekt umtaufte, war trotz der noch immer hohen Popularität der Bush-Regierung zu Beginn des Jahres die Bereitschaft offenbar erschöpft, nach dem eilig verabschiedeten Patriot-Act und der Schaffung des Heimatschutz-Ministeriums noch weitere Einschränkungen der Bürgerrechte hinzunehmen. Schon 2002 hatte der Kongress die Umsetzung des von Justizminister Ashcroft vorgeschlagenen Spitzelsystems TIPS verboten (Big Brother Staat USA?). Jetzt haben die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und des Senats dem Pentagon nicht nur die Gelder für die Weiterentwicklung und Anwendung des Programms auf US-Bürger gesperrt, sondern auch für alle Komponenten und Nachfolgemodelle. Das Finanzierungsverbot betrifft also nicht nur die Datenbank, sondern auch andere Projekte wie die Identifizierung von Menschen aus der Ferne anhand ihrer Bewegungen.

Der demokratische Senator Ron Wyden, der allen voran gegen TIA gekämpft hatte, begrüßte die Entscheidung, da die Pentagon-Datenbank die Privatsphäre und dei Bürgerrechte der US-Bürger erheblich verletzt hätte: "Ich habe stets gesagt, dass ich denke, man kann den Terrorismus wirksam bekämpfen, ohne dei Bürgerrechte zu untergraben, und TIA bestand diesen Test nicht. Immer wieder hat das Verteidigungsministerium versucht, im Namen des Kampfs gegen den Terrorismus die Grenze für Privacy und Bürgerechte zu überschreiten." Jetzt könne die Regierung "nicht mehr Amerikaner hochheben und schütteln, um zu sehen, ob irgend etwas Seltsames herausfällt".

Sollte das Pentagon dennoch TIA-Komponeten weiter entwickeln wollen, so muss der Kongress zuvor einen genauen Bericht erhalten. Jedes Entwicklungsvorhaben benötigt eine gesonderte Genehmigung. Damit wollen die Gesetzgeber vorbeugen, einmal wieder von Projekten der Regierung überrascht zu werden. Doch auch wenn TIA geschlossen werden soll - das Gesetz muss noch von US-Präsident Bush unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten -, so will man nicht verhindern, so Wyden, dass Technologien zur Bekämpfung von Terroristen und zum Heimatschutz zur Anwendung kommen.

Ausdrücklich ausgenommen wurde vom Verbot die Verwendung von TIA-Technologien für "rechtmäßige militärische Operationen der USA im Ausland" sowie für "rechtmäßige Aktivitäten von Auslandsgeheimdiensten, die gänzlich gegen Nicht-US-Bürger durchgeführt werden". Also können wohl nicht nur die CIA oder das Außenministerium, sondern doch auch wieder das Verteidigungsministerium die von der Darpa Überwachungstechnologien nutzen, auch wenn diese wegen des TIA-Programms gerügt wurde, die Grenzen ihrer Befugnisse überschritten zu haben. Weiterhin dürfen vier Projekte weiter entwickelt werden, die eine schnellere Erkennung von Anschlägen mit biologischen Waffen, eine automatische Übersetzung und Bearbeitung von Dokumenten und Sendungen in anderer Sprache (Tides) oder die Vorhersage von künftigen Anschlägen zum Inhalt haben. Im Rahmen des zuletzt genannten Projekt dürfte die umstrittene Future-Börse für Terroranschläge entwickelt worden sein, die man schnell wieder aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte (Das Pentagon darf doch keine Wetten auf Terroranschläge veranstalten).

Ob der Zusatz am Ende des Budgetgesetzes neben den Schlupflöchern tatsächlich die Weiterentwicklung und den Einsatz von TIA-Data-Mining-Programmen verhindern wird, ist durchaus zweifelhaft. Womöglich sind Teile der TIA-Projekte oder mit diesen verwandte Programme bereits an anderem Ort und unter anderer Bezeichnung weiter entwickelt worden (Undurchsichtige Spiele mit Data-Mining-Programmen der US-Regierung). Das zunächst für die Kontrolle von Flugpassieren geplante CAPPS II (Computer Assisted Passenger Pre-screening System) wäre dafür ein Kandidat, zumal es auch auf US-Bürger angewendet wird (Zuerst die ganz Bösen, dann die weniger Bösen). In Florida, wo Jeb Bush Gouverneur ist, wird von einer dubiosen Firma eine Datenbank namens "Matrix" mit persönlichen Informationen von Amerikanern entwickelt, die bundesweit eingesetzt werden soll und die ebenfalls dem TIA-Programm gleicht (Matrix ist in Florida).