Kosmogramm für ferne Intelligenzen
Seite 5: Tiefgreifend und weitreichend
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Entwickelt wurde die Skala von dem ungarischen Astronomen Iván Almár während des sechsten "World Symposium on the Exploration of Space and Life in the Universe" im März 2005 in San Marino. In Anlehnung an die Richter-Skala soll das San-Marino-System das theoretische Risiko einer aktiven Funkbotschaft abschätzen.
Der Sinn und Zweck dieses Risikogradmessers besteht nicht darin, eingehende Funksignale, sondern ausschließlich abgesandte Botschaften auf ihr Gefahrenpotenzial hin zu messen, unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen einseitigen irdischen Kontaktversuch oder sogar um ein Antwortschreiben, also eine Replik auf ein außerirdisches Signal handelt.
Im Vordergrund der Skala stehen charakteristische Parameter wie die Stärke der Transmission (im Verhältnis zur natürlichen Hintergrundstrahlung der Erde), die Senderichtung und Sendedauer, der Inhalt der Nachricht, insbesondere die damit einhergehende Intention des Absenders. Das Bewertungsspektrum reicht von eins (keine Gefahr) bis zehn (außerordentlich hoch).
Unter Anwendung des auf des San Marino Scale Calculator lässt sich das Risiko jeder Sendung berechnen. Und für das so hoffnungsvoll entsandte Arecibo-Piktogramm, für die stärkste künstlich komponierte Emission in der Geschichte des Homo sapiens, die unsere Heimatwelt jemals verlassen hat, ist der Wert ein schlechter.
Schließlich bewertete selbst Frank Drake die vor 40 Jahren versandte Arecibo-Botschaft als einschneidend. Er und andere Wissenschaftler stuften sie als "tiefgreifend und weitreichend" und versahen sie mit dem San-Marino-Skalenwert 8. Und dies, obwohl die Flaschenpost das anvisierte Ziel, den Kugelsternhaufen M13, erst in 25.000 Jahren erreichen und eine Antwort frühestens in 50.000 Jahren vorliegt wird.
Brins Kritik
Wenngleich die Wahrscheinlichkeit noch so gering ist - bereits eine einzige falsche Botschaft in die falschen Tentakel oder krabbenartigen Scheren könnte für den Absender im ungünstigsten Fall das Ende bedeuten. Vielleicht ist deswegen der renommierte Science-Fiction-Autor David Brin nicht nur ein entschiedener Kritiker des Arecibo-Signals, sondern generell ein überzeugter Gegner der Active-SETI-Methode. Seit vielen Jahren warnt er explizit vor den Folgen einer zu freizügigen Entsendung irdischer Informationen ins kosmische Blaue hinein. Dadurch bestehe eine theoretische, wenngleich ausgesprochen geringe Gefahr, dass im Zuge einer maßlosen und einseitigen datenreichen Sendung außerirdische Geister heraufbeschworen werden könnten.
Denn wer kann uns glaubhaft garantieren, dass unter den vielleicht Millionen intelligenten Kulturen, die in der Milchstraße ihren Platz an ihrer Sonne gefunden haben, ausnahmslos friedliche Arten einladende Antwortschreiben aufsetzen? Wenn da draußen tatsächlich viele intelligente Spezies existieren, die sich darauf verständigt haben, allesamt zu schweigen, wäre es dann nicht naheliegend, so Brin, ihrem Beispiel zu folgen, wenigstens eine Zeit lang? Könnte es nicht sein, dass diese gute Gründe haben, um zu schweigen?
Diamonds Kritik
Mit Verve wetterte auch der Pulitzer-Preisträger und Evolutionsbiologe Jared Diamond gegen die Arecibo-Flaschenpost. Die damalige Vorgehensweise von Frank Drake und seiner Entourage war für ihn "naiv" und "gefährlich":
Denken Sie unter diesem Geschichtspunkt noch einmal an die Astronomen, die Funksignale von Arecibo ins All sandten und darin beschrieben, wo die Erde liegt und wer sie bewohnt.
Denn einstmals hätte auch der Herrscher der Inkas den goldgierigen spanischen Eroberern von dem Reichtum seiner Stadt erzählt und diese damit nur noch neugieriger gemacht. Die Geschichte des Homo sapiens lehre eben, dass ein erster Kontakt und Austausch zwischen primitiven Völkern und hochstehenden Zivilisationen, die in unterschiedlichen Ökosystemen und Kulturen leben, sehr oft mit der Vernichtung des Schwächeren Endes:
Wenn dort draußen wirklich Zivilisationen existieren, die Radioastronomie betreiben und innerhalb unserer Reichweite sind, dann sollten wir um Himmelswillen unsere Transmitter ausschalten, um einen Kontakt zu vermeiden, andernfalls sind wir dem Untergang geweiht.
Drakes Eingeständnis
Doch höchstwahrscheinlich kommen derartige Cassandra-Rufe zu spät. Denn wenn hochstehende Kulturen und weit fortgeschrittene Technologien fernab der Erde ernsthaft daran interessiert sind, mit anderen hochintelligenten Lebensformen zu kommunizieren, werden sie längst alle Register der astrophysikalischen Kunst gezogen haben. Sie werden dank ihrer ausgefeilten Technik interstellare Kosmogramme mit spielerischer Leichtigkeit empfangen und dabei selbst das schwächste Radiosignal noch nachweisen. Für das Arecibo-Datenpaket gilt dies im Besonderen.
So gesehen ist es in der Tat bereits zu spät, wie Frank Drake in einem Interview mit Telepolis vor fünf Jahren freimütig einräumte:
Wir haben uns längst verraten und sind leicht auszumachen. Es ist bereits zu spät. Wir senden schon seit vielen Jahren Radiosignale ins All, die auf unsere Existenz hindeuten. Alle warnenden Stimmen kommen leider zu spät.
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