Krieg der Suchmaschinen?
Microsofts geheimer Flirt mit Google
Die Gerüchte um Geheimverhandlungen zwischen Microsoft und Google wollen nicht verstummen. Jetzt meldete die renommierte New York Times, dass es bereits seit zwei Monaten Gespräche zwischen Microsoft und Google über eine mögliche Beteiligung oder gar eine komplette Übernahme der Suchmaschinenfirma durch den Redmonder Softwarekonzern gebe. Gleichzeitig verdichten sich die Gerüchte, Google ginge Anfang nächsten Jahres an die Börse.
Bereits Ende August hatte Sergey Brin, einer der beiden Google-Gründer, die Netzwelt mit der Erklärung in Aufruhr versetzt, er stehe einem Übernahmeangebot durch Microsoft nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Gleichzeitig zog er auch die Möglichkeit eines Börsengangs in Betracht.
Vor gut einer Woche nun sickerte durch, dass die Google-Manager tatsächlich ernsthaft beabsichtigen, ihr Unternehmen an der Börse zu platzieren. Unter Berufung auf so genannte Insiderkreise berichtete die Financial Times, dass Googles Finanzchef George Reyes die Details des Börsengangs bereits mit Investmentbanken bespreche. Dem Bericht zufolge plane Google, den Gang an die Börse in Form einer Online-Auktion durchzuführen, wovon sich die Google-Strategen offenbar u. a. einen höheren Preis versprechen.
Google als umworbene Braut
Eine mögliche Zusammenarbeit mit Microsoft oder sogar die Übernahme der profitablen Suchmaschinenfirma durch den Redmonder Softwarekonzern sei dem neuerlichen Bericht der New York Times zufolge trotzdem längst noch nicht vom Tisch. Die Initiative gehe dabei von Microsoft aus, während Google sich anscheinend in der Rolle der umworbenen Braut ganz gut gefällt. Denn nicht nur Microsoft hat seine Fühler ausgestreckt, auch die Finanzwelt verspricht sich einiges davon, wenn Google an die Börse geht.
Google gilt als höchst profitabel. Die Suchfirma veröffentlicht zwar keine Bilanzzahlen. Der Firmengewinn soll allerdings Schätzungen zufolge bei einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Dollar eine Größenordnung von über 150 Millionen Dollar erreichen. Ginge Google an die Börse, wäre das der größte Börsengang eines Technologieunternehmens seit dem spektakulären Platzen der so genannten dot.com-Blase. Börsenprofis erwarten positive Auswirkungen auf den gesamten Aktienmarkt und fühlen sich bereits zurückversetzt in längst vergangene Zeiten, als New Economy noch nicht als Schimpfwort galt. Mit glänzenden Augen beschwören sie bereits jetzt die Wiedergeburt des Aktienbooms der 1990er Jahre.
Erwartungen tiefer hängen
Es gibt auch andere Stimmen, die den Börsengang ein wenig nüchterner betrachten. Google sei eine zu einzigartige Firma. Ihr Aufstieg zur Suchmaschine Nummer Eins und ihr kommerzieller Erfolg hätten ganz spezielle Ursachen. Google tauchte zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Ideen und dem richtigen Marketing auf. Eine solche Erfolgsgeschichte lässt sich nicht beliebig wiederholen. Als Modell für andere Technologiefirmen tauge Google deshalb nicht. Sollte die Suchmaschine an die Börse gehen, werde dadurch weder ein neuer spektakulärer Aktienboom wie in den 1990er Jahren ausgelöst, noch sei mit einer nachhaltigen Wiederbelebung des Neuen Marktes zu rechnen.
Am grundsätzlichen Erfolg des Google-Börsengangs, sollte er denn wirklich stattfinden, zweifeln derzeit wenige. Doch ein Unsicherheitsfaktor bleibt. Sein Name lautet Microsoft. Sein Ziel heißt: Google vom goldenen Thron des Suchmaschinenkaisers stoßen. Seine Waffen werden derzeit noch geschmiedet: eine eigene Suchtechnologie aus dem Hause Microsoft und Longhorn, der Nachfolger von Windows XP.
Angriffswaffe No.1: MSN will selber suchen
Schon seit geraumer Zeit lassen die Microsoft-Konzernstrategen immer wieder durchblicken, dass sie selbst an einer eigenen Suchtechnologie arbeiten. Im Juni dieses Jahres hatten die Microsoft-Entwickler bereits einen Webcrawler namens MSNBot auf die Reise durchs Netz geschickt. Ende August hatte Christopher Payne, der bei MSN für Internetsuche zuständig ist, am Rande einer Suchmaschinenkonferenz erklärt, die Websuche sei ein Eckpfeiler der Konzernstrategie. Hier würde besonders kräftig investiert.
Mitte Oktober trennten sich die Redmonder von der Suchtechnologie-Firma LookSmart, deren Zulieferdienste man bisher in Anspruch genommen hatte. Zum Suchen und Vermarkten seiner Suchergebnisse setzt Microsoft seitdem nur noch auf den Suchtechnologie-Provider Inktomi und auf die Zulieferung von kommerziellen Werbelinks durch die Firma Overture.
Last but not least gab Microsoft kürzlich die Umstrukturierung seines MSN-Portals bekannt. Man wolle sich bei MSN stärker auf die umsatzträchtigen Geschäfte mit Musik- und Suchdiensten konzentrieren, hieß es zur Begründung. All diese Maßnahmen machen klar: Microsoft entwickelt großen Appetit auf jenen profitablen Online-Werbekuchen, den Google bisher mit Profit verzehrt. Doch Microsoft begnügt sich nie mit Krümeln. Der Softwareriese will den ganzen Kuchen. Windows-XP-Nachfolger "Longhorn" soll ihm dabei helfen.
Angriffswaffe No.2: Longhorn mit integrierter Suchfunktion
Es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass Longhorn mit einer Suchfunktion ausgestattet werden soll, die wie einst der Internet Explorer fest ins Betriebssystem integriert wird. Auch Einzelheiten dieser neuen Suchfunktion sind bereits bekannt. Sie wird nicht mehr zwischen dem lokalen und dem Online-Speicherort eines Dokuments unterscheiden. Legt der User eine Datei an, egal ob Grafik-, Text- oder Musikdatei, werden die darin enthaltenen Informationen automatisch indexiert. Sucht ein Longhorn-User nach Begriffen, wird ihm die neue Suchfunktion Ergebnisse sowohl aus eigenen Quellen als auch aus dem Internet präsentieren.
Mit einer weiteren, "geotargeting" genannten Suchfunktion soll es bei der Websuche möglich werden, Suchergebnisse so zu begrenzen, dass primär diejenigen Links z. B. von Firmen angezeigt werden, die in Wohnortnähe des Users beheimatet sind. Die Suche nach einem Pizzabringdienst liefert dann beispielsweise nicht mehr alle bundesdeutschen Bringdienste auf, sondern gezielt nur noch diejenigen aus der näheren Umgebung des Users. An einer ähnlichen Funktion arbeiten derzeit übrigens auch Google und Yahoo.
Weitere neue Funktionen, egal ob wirklich nützlich oder bloße Spielerei, sind bisher noch nicht bekannt. Für die Google-Strategen sind solche Einzelheiten vermutlich eher nebensächlich. Microsoft wird das Suchen nicht völlig neu erfinden. Was den Google-Planern mehr Kopfschmerzen bereiten dürfte, ist der fixe Einbau der Microsoftschen Suchfunktion ins zukünftige Betriebssystem von Longhorn.
Krieg der Suchmaschinen
Andere Suchmaschinen mögen schneller finden, ihre Ergebnislisten mögen viel genauer sein, die Trennung zwischen "objektiven" Suchergebnislinks und kommerziellen Werbelinks für jeden klar erkennbar sein - trotzdem wird der Durchschnittsuser der integrierten Longhorn-Suchfunktion vermutlich den Vorrang vor allen anderen Suchmaschinen geben. Otto Durchschnittsuser wählt meistens den bequemsten Weg.
Die Firma Netscape weiß davon ein Lied zu singen. Denn was geschehen kann, wenn Microsoft eine bestimmte Technologie, mag sie auch schlechter sein als Konkurrenzprodukte, fest in sein Betriebssystem einbindet, hat Browserproduzent Netscape mit seinem Navigator seit 1996 schmerzlich erfahren. Nachdem Microsoft den Internet Explorer fest in Windows integriert hatte, verlor der Browser aus dem Hause Netscape schnell an Boden. Der Durchschnittsuser nutzte lieber den Internet Explorer, der bei der Installation des Windows-Betriebssystems automatisch mitgeliefert wurde. Der Rest ist Geschichte: Netscapes Navigator, einstiger Marktführer mit einem Marktanteil von rund 90 Prozent, degenerierte im Zuge des Browserkrieges zu einem Nischen-Browser, der heute nur noch von höchstens 10 Prozent der Surfer für Ausflüge ins Netz der Netze genutzt wird.
Goodbye Google?
Ob und in welchem Maße Googles Gang zur Börse zum Erfolg wird, ist von vielen Faktoren, insbesondere von der Stimmung der potenziellen Anleger und Aktienkäufer abhängig. Würde sich Google definitiv für einen Börsengang entscheiden und Microsoft dafür sorgen, dass kurz vor Googles IPO, dem Initial Public Offering, gezielt Einzelheiten über den geplanten Verdrängungsfeldzug gegen Google in die Öffentlichkeit gelangten, könnte die derzeit gute Google-Stimmung kippen.
Zu einem Desaster würde der Börsengang aller Voraussicht nach trotzdem nicht. Denn ebenso wie man aus dem Browserkrieg lernen kann, dass mit Microsoft keineswegs zu spaßen ist, zeigt die Geschichte auch, dass selbst Microsoft den Browserkrieg nicht ohne juristische Blessuren überstanden hat. Google könnte nämlich zurückschlagen und Microsoft mit seinem Longhorn-Betriebssystem wegen Kartellrechtsverletzung vor den Kadi zerren. In einem solchen Prozess müsste sich Microsoft mit dem Vorwurf auseinander setzen, der Konzern nutze sein Quasi-Monopol bei Betriebssystemen aus, um auch den Suchmaschinenmarkt zu dominieren.
Suchen ohne Browser
Die Google-Toolbar erfreut sich allgemeiner Beliebtheit. Sie ermöglicht die bequeme Google-Suche, ohne die Google-Seite selbst zu laden. Derzeit wird die Toolbar in die Taskleiste des Internet Explorers integriert. Das allerdings ist kein Naturgesetz. Nichts und niemand dürfte Google daran hindern, zukünftige Versionen seiner Toolbar so zu programmieren, dass sie ohne einen Browser auskommen. Das Ergebnis könnte ein kleines, aber feines Suchfenster sein, das leicht downzuloaden und zu installieren ist, zusammen mit dem Betriebssystem gestartet wird und auf dem Desktop jederzeit präsent ist.
"Bequemer Suchen ohne Browser" - die findigen Google-Bastler haben das Konzept bestimmt schon in der Schublade. Sie werden es bei Bedarf herausholen und all jenen präsentieren, die den Suchmaschinenprimus frühzeitig zu Grabe tragen wollen - vorausgesetzt natürlich, die begehrte Suchmaschine kann dem Liebeswerben ihres Möchtegernpartners aus dem schönen Redmond widerstehen und geht nicht doch schon morgen mit dem potenten Partner ins frisch gemachte Doppelbett.