Krieg gegen den Terror als Freibrief für Menschenrechtsverletzungen?
Die Bush-Regierung hat einem US-Gericht geraten, eine Klage von Gewerkschaftern gegen den Ölkonzern Exxon Mobil abzuweisen
Der International Labor Rights Fund (ILRF) hatte am 11. Juni 2001 im Namen von elf anonymen Klägern den Ölkonzern Exxon Mobil vor einem Bezirksgericht in Washington D.C. verklagt, da dieser Menschenrechtsverletzungen indonesischer Militärs unterstützt haben soll. In einer von dem Washingtoner Bezirksgericht angeforderten Stellungnahme befürchtet das US-Außenministerium, eine Verurteilung des Unternehmens Exxon Mobil käme einer Verurteilung Indonesiens gleich. Das aber könnte die Beziehungen zu dem Land gefährden und damit den gemeinsamen Krieg gegen den Terrorismus.
Den Klägern zufolge hat sich Exxon Mobil in der krisengeschüttelten Provinz Aceh vom indonesischen Militär schützen lassen, das dabei massive Menschenrechtsverletzungen - darunter Mord, Folter und sexueller Missbrauch - begangen habe. Der Vorwurf gegen Exxon lautet, die Firma habe von dem Vorgehen der Militärs gewusst und nichts dagegen unternommen, sondern vielmehr das Militär "logistisch und materiell" unterstützt. Die Gewerkschafter berufen sich auf eine Reihe von nationalen Gesetzen und internationalen Konventionen wie den amerikanischen Alien Tort Claims Act, nach dem Klagen vor US-Gerichten gegen im Ausland begangene Verbrechen möglich sind, und den Torture Victims Protection Act, gemäß dem Opfer von Menschenrechtsverletzungen, egal aus welchem Land, die Täter in den USA verklagen können .
Exxon Mobil widersprach den Anschuldigungen und beschuldigte seinerseits die "Free Aceh Movement", die seit 1976 für einen unabhängigen islamischen Staat kämpft, der Brandstiftung und Entführung. Die Sicherheitslage habe sich im letzten Jahr so verschlechtert, dass das Unternehmen ausländisches Personal habe evakuieren müssen. Auf Bitte des Unternehmens, das zu den größten Finanziers des Wahlkampfes von Präsident George W. Bush gehörte, fragte das Washingtoner Bezirksgericht am 10. Mai 2002 beim US-Außenministerium an, ob das Verfahren die US-Außenpolitik belastet. In seiner Antwort vom 29. Juli kritisierte William Taft vom US-Außenministerium Indonesien wegen des Umgangs mit Menschenrechten. Trotzdem empfahl er dem Gericht, die Klage abzuweisen.
Das Außenministerium glaubt, dass eine richterliche Entscheidung in diesem Fall zu dieser Zeit einen möglicherweise ernsthaften widrigen Einfluss auf wichtige Interessen der Vereinigten Staaten haben könnte, einschließlich solcher Interessen, die sich auf den vorangehenden Kampf gegen den internationalen Terrorismus beziehen.
William Taft
Die indonesische Regierung müsse dem nationalen Zusammenhalt wahren und sehe sich nicht nur in Aceh einer starken sezessionistischen Bewegung gegenüber, gab Taft gegenüber dem Gericht zu bedenken. Die USA bemühen sich gegenwärtig darum, wieder stärker mit Indonesien zusammenzuarbeiten. Erst kürzlich hat Außenminister Colin Powell dem Land 50 Millionen Dollar als Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus zugesagt. "Die Bemühungen der USA zur Bekämpfung des Terrorismus könnten auf verschiedenste Art gefährdet werden, wenn Indonesien und seine Behörden die Zusammenarbeit einschränken", befürchtet das Außenministerium.
Zur Untermauerung seiner Argumentation legte Taft seinem Brief an das Gericht auch gleich ein Schreiben des indonesischen Botschafters in Washington bei, in dem dieser seine Bedenken gegen den Prozess formuliert. Indonesien könne erstens "aus prinzipiellen Gründen" nicht akzeptieren, dass ein US-Gericht über indonesische Militäroperationen entscheide. Der Prozess störe zweitens die Bemühungen der indonesischen Regierung, ausländische Investoren zu schützen und damit die indonesische Wirtschaft wiederzubeleben. Drittens erschwere es der Prozess, eine friedliche Lösung des Konflikts in Aceh zu erreichen.
Für helle Empörung sorgte der Brief aus dem Außenministerium bei Menschenrechtsorganisationen. Human Rights Watch erinnerte an die Worte von George W. Bush nach dem Enron-Skandal und der Worldcom-Pleite, dass eine "neue Ethik der persönlichen Verantwortung in der Geschäftswelt" nötig sei. "Wenn die Bush-Administration es ernst damit meint, moralisch einwandfreies Geschäftsverhalten zu fördern, sollte sie nicht versuchen, dieses Gerichtsverfahren in seinem Fortkommen zu behindern", sagte Kenneth Roth, Executive Director von Human Rights Watch.
Exxon Mobil sei erst im Juni 2002 dem "Voluntary Principles on Security and Human Rights"-Programm beigetreten. Das Programm wurde von mehreren Regierungen, darunter neben den USA Großbritannien und Dänemark, sowie multinationalen Konzernen ins Leben gerufen und beinhaltet Verhaltensregeln für Unternehmen, mit denen die Menschenrechte gefördert werden sollen. Human Rights Watch hält es vor diesem Hintergrund für um so schlimmer, dass sich die Regierung nicht aus dem Verfahren herausgehalten hat.
Es ist der Gipfel der Heuchelei, wenn das Außenministerium einerseits öffentlich Menschenrechtsprinzipien in der Öl- und Gasindustrie fördert und andererseits dem Gericht sagt, dass eine genauere Prüfung der Leistungen einer Ölgesellschaft in Sachen Menschenrechte der Außenpolitik zuwider läuft.
Kenneth Roth