Krieg in der Ukraine: Neue Soldaten nur noch schwer zu finden

Seite 2: Illegale Methoden der Rekrutierung

Während der ersten Einberufungswelle waren lange Schlangen vor den Rekrutierungsbüros ein häufiger Anblick. Inzwischen sind die Ukrainer weniger enthusiastisch. Deshalb müssen sich die Militärbeamten zahlreicher Tricks bedienen, manche illegal, andere sorgten für Empörung, berichtete The Economist kürzlich.

Ein Beispiel aus der Nähe von Lviv. Seit seiner Kindheit ist ein Mann schwerbehindert – ihm fehlen beide Hände. Von den Beamten wurde er dennoch diensttauglich geschrieben. Erst nachdem er damit an die Öffentlichkeit ging und es in den sozialen Netzwerken einen Aufschrei gab, machten die Beamten ihre Entscheidung rückgängig.

Laut Bericht war dieser Fall ein extremer, aber bei Weitem kein Einzelfall. Einberufungsbescheide sollen bei Begräbnissen in Lviv überreicht worden sein, an Kontrollpunkten in Charkiw, in Einkaufszentren in Kiew und an Straßenecken in Odessa. Selbst in Skigebieten sollen die Militärbeamten nach neuen Rekruten gesucht haben.

Diese Schilderungen decken sich mit den Berichten in diversen Telegram-Kanälen oder in ungarischen Medien. Im ungarischen Fernsehen wurden Videos ausgestrahlt, die zeigen sollen, wie ukrainische Soldaten und Polizisten Männer mit Gewalt rekrutieren. Dabei soll es sich vor allem um Angehörige der ungarischen Minderheit in der ukrainischen Region Transkarpatien handeln.

Ob diese Videos authentisch sind, konnte nicht überprüft werden. Aber sie sind es wahrscheinlich. Denn gegenüber The Economist gaben ukrainische Regierungsbeamte indirekt zu, dass es auch zu illegalen Methoden der Rekrutierung kommen kann. Man wolle gegen Exzesse vorgehen, sobald sie ans Licht kämen, erklärten sie.

Auch ukrainischen Juristen ist die Praxis der Einberufung sehr suspekt geworden. Es werde sich kaum an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. Und wenn ein Jurist für seinen Mandanten gegen einen Einberufungsbescheid vorgehe, könne es passieren, dass der Anwalt selbst einberufen werde. The Economist erfuhr nach eigenen Angaben von mehreren Fällen dieser Art.

Die Berichte sind ein deutliches Indiz dafür, dass der Verschleiß von Menschenleben in diesem Krieg hoch ist. Und die Frage bleibt, ob ein Abnutzungskrieg im Interesse der Ukrainer ist.

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