Krise in Moldau spitzt sich zu: Gegen Russland und die Opposition

Immer wieder Massenproteste in Moldau, hier 2009. Bild: VargaA, CC BY-SA 4.0

Oberstes Gericht verbietet die in Umfragen stärkste Oppositionskraft. Regierung geht auf Konfrontationskurs gegenüber Opposition, Separatisten und Russland. Zeichen stehen auf Sturm.

Im Schatten des Ukrainekriegs spitzt sich die innenpolitische Situation in der Republik Moldau – gelegen zwischen der Ukraine und Rumänien – weiter zu. Das zweitärmste Land Europas ist weder Mitglied der EU noch der Nato und tritt derzeit aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), des Zusammenschlusses der meisten post-sowjetischen Staaten, aus.

Lange Zeit galt die Republik Moldau als das ärmste Land Europas, bis die Ukraine infolge der EU-Assoziierung dahinter fiel. Verschiedene Mächte buhlen um Einfluss in dem kleinen südosteuropäischen Staat.

Auch wenn neoliberale Rezepte in den 1990er-Jahren damals zum totalen wirtschaftlichen Kollaps der Republik Moldau führten, regiert dort derzeit eine wirtschaftsliberal ausgerichtete Pro-EU-Regierung. Nachdem die Regierung der sozialistischen Partei (PSRM) im Umgang mit der Corona-Pandemie versagte, gewann die ehemalige Weltbank-Mitarbeiterin Maia Sandu im November 2020 die Präsidentschaftswahl.

Mit ihrem neuen Mandat ausgestattet reizte Sandu aus, was verfassungsgemäß erlaubt ist und setzte im Sommer 2021 Neuwahlen durch. Diese gewann dann Sandus Partei, die Partei Aktion und Solidarität (PAS), welche 2017 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei stellte und bereits Beobachtermitglied der Vereinigung europäischer konservativer Parteien ist.

Ein halbes Jahr gab die moldauische Bevölkerung den Neoliberalen von der PAS einen Vertrauensvorschuss und ließ die liberalkonservative Regierung gewähren, doch die wirtschaftsliberale Politik traf nicht dauerhaft auf viel Gegenliebe. Seit Anfang 2022 – noch vor dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine – gab es nahezu keine Umfrage, welche die PAS bei einer Neuwahl in Führung sah.

Sowohl der oppositionelle Block aus Sozialisten und Kommunisten (PSRM und PCRM vereinigt zu BECS) als auch die inhaltlich schwer einschätzbare Schor-Partei führten von Januar vergangenen Jahres bis zum vergangenen Monat durchweg die demoskopischen Befragungen an.

Laut einer von der FDP-nahen Naumann-Stiftung in Auftrag gegebenen Umfrage sehen 56 Prozent der Befragten die aktuelle Regierung als verantwortlich für die Probleme im Land an.

Gemäß der moldauischen Verfassung positioniert sich die moldauische Regierung im Ukrainekrieg neutral, lässt aber trotz alledem keine Gelegenheit aus, die Anlehnung an den Westen und die Ukraine zu betonen. Das kleine Land nahm über eine halbe Million ukrainischer Geflüchtete auf, verbot die russischen Kriegssymbole V und Z sowie begann damit, aus der GUS auszutreten. Ferner näherte sich die Regierung still und leise verstärkt der Nato an.

Im Osten der Republik Moldau existiert mit Transnistrien seit Anfang der 1990er Jahre eine De-facto-Republik, die lange Zeit nur durch russische Hilfe und ukrainische Duldung wirtschaftlich stabil blieb.

Gegen Separatisten in Tiraspol und gegen Moskau

Im Ukrainekrieg positionierte sich die abtrünnige Regierung in Tiraspol zwar neutral, doch die moldauische Zentralregierung in Chișinău verschärfte den Kurs gegenüber den Separatisten. In einem "glatten Bruch" der Politik der Jahrzehnte zuvor beendete die Regierung in Chișinău Verhandlungen über eine Autonomie- oder Föderationslösung für den Transnistrien-Konflikt. Verhandlungen mit der Separatistenregierung in Tiraspol oder gar mit Russland seien nicht mehr notwendig.

Im Sommer vergangenen Jahres begann die moldauische Regierung darüber hinaus die Rotation von russischen Offizieren der Friedenstruppe, auf welche sich die Konfliktparteien zum Ende des Transnistrienkrieges 1992 geeinigt hatten, zu blockieren. Um von den Problemen im Innern abzulenken, verschärft die moldauische Regierung den Kurs gegenüber den Separatisten in Tiraspol und Moskau.

Doch nicht nur zu den Separatisten, sondern auch gegenüber der heimischen Opposition ging die PAS-Regierung zunehmend auf Konfrontationskurs. Die Folgen des Ukrainekriegs, wie die galoppierende Inflation und der ökonomische Kollaps der benachbarten Ukraine, führten zu massiven sozialen Verwerfungen in dem Land.

Dagegen richtete sich massiver Protest. An der Spitze der Demonstrierenden setzte sich die "Bewegung für das Volk", welche der Schor-Partei nahestand, durch. Im Vorfeld von angekündigten Protestzügen Anfang des Jahres stoppten Soldaten der Armee unter Vorwänden Busse der Bewegung und Anfang März warfen Oppositionspolitiker dann auch noch der Regierung vor, Straßen in der Hauptstadt blockiert zu haben, um Demonstrationen zu behindern. Mit Polizei und Armee versuchte die PAS-Regierung, die Sozialproteste abzuwürgen.

Die Schor-Partei ging aus der früheren Partei der russischen Minderheit, der "Sozio-politischen Bewegung Gleichheit", hervor. Diese hatten die damalige Führungsspitze des Kongresses der Russischen Gemeinden der Republik Moldau 1998 gegründet.

Im Jahr 2016 benannte sich die Partei nach Ilan Schor um. Der war ein Jahr zuvor Bürgermeister von Orhei, der neuntgrößten Stadt des Landes, geworden. 1987 in Tel Aviv geboren, erlangte der moldauisch-israelische Oligarch zunächst Berühmtheit, da er den moldauischen Fußball-Erstligisten FC Milsami gekauft hatte.

Schor hatte vor dem Sprung auf die nationale politische Bühne lokale Fernsehstationen und eine Versicherung aufgekauft und stand an der Spitze einer landesweiten Bank. Im Jahr 2017 verurteilte ein Gericht ihn wegen einer angeblichen Verwicklung in den "Bankraub des Jahrhunderts".

Bei diesem hatten unbekannte Hinterleute kurz vor der Parlamentswahl 2014 mehr als eine Milliarde US-Dollar aus der moldauischen Staatskasse gestohlen, indem sie Kredite staatlicher Banken an dubiose Kredithäuser vergeben ließen. Letztere gingen dann bankrott – und die Kredite wurden nicht zurückgezahlt.

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