Krise in Moldau spitzt sich zu: Gegen Russland und die Opposition
Seite 2: Chaos in Moldau: Milliardenraub und Massendemos
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Wohin das Geld letztendlich floss, ist bis heute unklar. Die an die Enthüllung anschließenden Massendemonstrationen stürzten das Land in eine Krise und beendeten die Phase prowestlicher Regierungen von 2009 bis 2014.
Das daran anschließende Jahrfünft regierten dann die neutralistischen Demokraten, die gute Beziehungen zu Ost und West suchten. Hinter denen stand jedoch der Oligarch Vlad Plahotniuc, der unter den Pro-EU-Regierungen zu Geld gekommen war und langsam immer mehr Teile des Staates aufkaufte oder durch Ernennungen Kontrolle erlangte.
Da der Einfluss Plahotniucs den Regierungen in Berlin, Washington und Moskau zu gefährlich wurde, einigten sich die Großmächte darauf, dass eine sonderbare neue Koalition die Amtsgeschäfte übernahm: Die neoliberale PAS und die Sozialisten bildeten unter Vermittlung der Botschafter der Großmächte eine Zweckkoalition und wählten im Sommer 2019 Maia Sandu zur Regierungschefin.
Plahotniuc floh aus dem Land und ließ sich im Nato-Mitgliedsland Türkei nieder, hielt sich zwischendurch aber auch schon mal eine Weile in den USA auf und ist wohl öfter in Nordzypern, einer von der Türkei unterstützen und international nicht anerkannten De-facto-Republik.
Sandu wurde nach einem halben Jahr wieder abgewählt, da sich die übriggebliebenen Neutralisten mit den Sozialisten und Kommunisten zusammenschlossen.
Als die Sozialisten und Kommunisten regierten, agierten sie gar nicht so prorussisch, wie manche Beobachter das erwartet hätten. Einerseits gab es eine symbolische Beobachtermitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) mit Russland und anderen post-sowjetischen Staaten sowie eine symbolische Annäherung in der Transnistrien-Frage.
Auf der anderen Seite wiederum blieb die Republik Moldau mit der EU assoziiert und es gab auch sonst keinen großen außenpolitischen Politikschwenk. Da das Land mehr als die Hälfte seiner Importe und Exporte mit der EU abwickelt, ist eine radikale Neuausrichtung der Außenpolitik eher unrealistisch. Auch jene Regierung währte aber nicht lange.
Nachdem die Sozialisten wegen Korruption und Missmanagement der Corona-Pandemie unbeliebter wurden, stieg eine neue Kraft in der Opposition auf: Die Schor-Partei. Deren Vorsitzender war geflohen, als Sandu für ein paar Monate Premierministerin war und lebt seit dem Jahr 2019 in seinem Heimatland Israel. In der Republik Moldau vor Ort tritt vor allem Vizeparteichefin Marina Tauber als das Gesicht der Partei auf.
Eine Positionierung der Schor-Partei auf dem Links-Rechts-Schema ist schwierig – teilweise wurde sie schon als Mitte-links-Partei und teilweise als konservative Kraft bezeichnet.
Die Partei ist sozialstaatsfreundlich, hält das antifaschistische Erbe aus der Sowjetzeit aufrecht, ist gegen eine Integration in die EU sowie für eine Annäherung an Russland und vertritt gesellschaftlich konservative bis erzkonservative Ansichten.
Rasanter Aufstieg der Schor-Partei
Zu den Parlamentswahlen im Jahr 2021 hatte die Schor-Partei lediglich sechs der insgesamt 101 Abgeordnetenmandate gewonnen. Im Zuge des Jahres 2022 stieg sie aber zu einer immer bedeutenden Kraft der Opposition auf.
Laut Vizeparteichefin Tauber hatte die Partei zuletzt rund 10.000 Mitglieder und auf kommunaler Ebene 100 Mandatsträger. Laut einer Verlautbarung der US-Botschaft in Chișinău begannen Firmen und Geheimdienste aus Russland ab dem Sommer des vergangenen Jahres, die Schor-Partei direkt zu unterstützen.
Im Oktober 2022 übertrumpfte die Schor-Partei dann erstmals in einer Umfrage die Sozialisten und Kommunisten. Sandu und die PAS gerieten immer mehr in die Defensive.
Hilfe kam zunächst aus der Ukraine: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte öffentlich, dass der ukrainische Nachrichtendienst Informationen erlangt habe, wonach Russland einen Putsch in der Republik Moldau forciere. Der moldauische Geheimdienst schloss sich der Einschätzung an.
Das "Dossier Center" des russischen Exil-Oligarchen Michail Chodorkowski behauptete, an entsprechende Dokumente gelangt zu sein.
Für die Liberalkonservativen kam das gelegen, da fortan nicht mehr über soziale Probleme und die Wirtschaftspolitik diskutiert werden musste, sondern nun ein Feind von außen alles überschattete.
Den politisch in die Ecke gedrängten Liberalkonservativen kam dann im vergangenen Monat auch noch das Verfassungsgericht zu Hilfe. Am 19. Juni stufte das höchste Gericht des Landes die Schor-Partei als verfassungswidrig ein und beschloss ihre Auflösung. Die Abgeordneten im nationalen Parlament können in der Volksvertretung bleiben, dürfen sich aber keiner politischen Formation anschließen. Sandu begrüßte den Schritt.
Der Gegenwind folgte prompt: Schor kündigte an, gegen das Verbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzugehen. Ex-Präsident Dodon von den Sozialisten kritisierte, dass Sandus Partei Aktion und Solidarität daran arbeite, "oppositionelle Kräfte zu zerstören".
In der letzten Umfrage vor dem Verbot der Schor-Partei kam die Opposition aus Sozialisten, Kommunisten und Schor-Partei auf insgesamt über 48 Prozent der Stimmen, während die derzeit regierende PAS mit rund 38 Prozent der Stimmen rechnen könnte.
Wie sich das Verbot auf die Stärke der übriggebliebenen politischen Kräfte auswirkt, ist unklar. Bereits zu den Parlamentswahlen 2014 spielten moldauische Gerichte eine unrühmliche Rolle: Drei Tage vor der Wahl schloss damals ein Appellationsgericht in Chișinău die linksgerichtete "Unsere Partei" von dem Urnengang aus.
Die Partei des damaligen Bürgermeister von Bălți, Renato Usatîi, stand zu jenem Zeitpunkt in Umfragen auf dem dritten Platz und hätte als Mehrheitsbeschaffer für eine Linkskoalition dienen können. Der drastische Schritt kurz vor der Wahl sorgte sogar für Kritik aus der US-Botschaft in Chișinău. Die Wahl gewann dann wenig überraschenderweise die Pro-EU-Parteien mit den Neutralisten als Juniorpartnern.
Aus dem israelischen Exil kündigte Schor an, eine neue Partei mit dem eigenartigen Namen "Chancen, Pflicht, Umsetzung" gründen zu wollen. Sowohl im Moldauischen als auch im Rumänischen wäre die Abkürzung SOR bzw. Schor.
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