Krisen-Energien: Rationales Misstrauen und die Sorgen des Verfassungsschutzes
Braucht es "ausländische Akteure" und Rechte, um das Vertrauen in den Staat zu zerstören, oder schaffen das die Regierenden auch ohne sie?
Thüringens Verfassungsschutzchef ist besorgt: "Wir haben es aber nach der Pandemie und den Weltgeschehnissen der letzten Monate mit einer hochemotionalisierten, aggressiven, zukunftspessimistischen Stimmung in der Bevölkerung zu tun, deren Vertrauen in den Staat, seine Institutionen und politisch Handelnden zumindest in einigen Teilen von massiven Zweifeln behaftet ist", sagte Stephan Kramer diese Woche dem ZDF.
Er äußerte die Sorge, dass "Extremisten" bevorstehende Proteste "unterwandern" könnten. Dabei nannte er mal "vor allem rechtsextremistische Kräfte, aber auch ausländische Akteure, die seit einigen Jahren versuchen, das Vertrauen in den Staat und die Demokratie durch Hass, Hetze, Delegitimierung und Fake News zu zerstören" – und dann wieder allgemein "Extremisten" als Problem, ohne zu präzisieren, wen oder was er sich noch darunter vorstellt.
In den Jahresberichten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) wird "Linksextremisten" unterstellt, die Klimabewegung zu unterwandern. Dabei geht das BfV nicht auf wissenschaftliche Argumente und Erfahrungswerte ein, die gegen die Vereinbarkeit von effektivem Klimaschutz und kapitalistischer Wachstumslogik sprechen. Vor diesem Hintergrund sind radikale, antikapitalistische Linke in dieser Bewegung kein Fremdkörper, sondern sie als solchen darzustellen, ist ein Spaltungsversuch.
Bei den erwartbaren Sozialprotesten wird eher eine Instrumentalisierung durch den völkischen Flügel der extremen Rechten befürchtet, der in den Verfassungsschutzämtern lange Zeit nicht als ernste Gefahr behandelt wurde. Versuche von Neonazis, Sozialproteste zu kapern, gab es bereits in den Nullerjahren bei den Protesten gegen die Agenda 2010 tatsächlich – damals gelang es ihnen aber nicht, in der Bewegung Fuß zu fassen.
Inzwischen versuchen Rechte aber gezielt, Soziales und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen, auch wenn Klimaschutz gerade nicht der Grund für die explodierenden Gaspreise ist. Vielmehr werden die jahrelangen Versäumnisse beim Ausbau der Erneuerbaren Energien offensichtlich, aber eine kurzfristige Lösung ist das mal wieder nicht.
Das "kleinere Übel" in Aktion
Die Gefahr, dass legitime Sozialproteste gegen hohe Energiepreise in eine reaktionäre Richtung gelenkt werden, besteht tatsächlich. Die Frage ist aber, ob diese Entwicklung von Regierenden - wie zuletzt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) - und Staatsorganen nicht auch herbeigeredet wird, damit sie am Ende als kleineres Übel dastehen.
Wenn eine vermeintliche Fundamentalopposition den ohnehin kaum stattfindenden Klimaschutz als Problem sieht und sogar noch eine Verlängerung des fossilen Kapitalismus fordert – nur mit ein bisschen mehr sozialem Ausgleich am Standort Deutschland und ohne unwirksame Sanktionen gegen Russland –, während schon ganze Ökosysteme kollabieren, dann bleibt sie hoffentlich klein und unbedeutend.
Das ändert aber nichts daran, dass eine starke, zukunftsfähige Opposition dringend gebraucht wird.
Denn es drohen soziale Verwerfungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellos sind. Und eine "zukunftspessimistische Stimmung" ist leider nicht irrational. Auch und gerade Menschen, die in Sachen Umwelt- und Klimakrise den Ernst der Lage begreifen, haben allen Grund, dieser Bundesregierung keinen Apfel abzukaufen.
Es gibt Gründe, der Regierung zu misstrauen
Ein Bundeskanzler mit SPD-Parteibuch, der im Verdacht steht, als Erster Bürgermeister Hamburgs "Genosse der Bankster" gewesen zu sein und Einfluss auf die Verjährung von Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro genommen zu haben.
Ein Finanzminister mit FDP-Parteibuch, der zwar keine Kirchensteuer zahlte, aber mit großem Pomp kirchlich auf Sylt heiratete und sich über die "Gratismentalität" von ÖPNV-Nutzern beschwert.
Und schließlich die Grünen, die mit waldgrünen Versprechen in den Wahlkampf zogen und nun stringent olivgrüne Politik machen, weil vor der eigentlich unaufschiebbaren Klimarettung doch erst mal die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen muss - an dem Deutschland zwar offiziell nicht beteiligt ist, aber irgendwie doch, weshalb es auf keinen Fall "kriegsmüde" werden darf. Ein grüner Wirtschafts- und Klimaminister, der bei Despoten um fossile Energieträger hausieren geht, sofern es keine russischen Despoten sind.
Also ehrlich: Wer kann da nur auf die Idee zu kommen, die Ampel-Regierung verdiene kein Vertrauen? - Braucht es dafür wirklich Rechte und russische Einflussnahme? – Es braucht sie dafür nicht, auch wenn es diese Versuche zweifellos gibt.
Auch gegen die DDR-Führung protestierten sehr gegensätzliche Gruppen
Bürgerliche Parteien und Regierungen fühlen sich in der Regel genau dadurch bestätigt, dass "Links- und Rechtsextremisten" ihre Gegner sind. Dabei zeichnete es auch die DDR-Führung aus, dass 1989 Menschen mit zum Teil sehr gegensätzlichen Zielen, Träumen und Ansichten gegen sie auf die Straße gingen.
Darunter Umweltbewegte, die sich wegen stinkender Abgase, stinkender Flüsse und vor allem nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Sorgen um ihre natürlichen Lebensgrundlagen machten und Atomkraft unabhängig vom politischen System ablehnten – aber eben auch Leute, die es gar nicht erwarten konnten, schnellere und größere Autos zu fahren, Produkte in stylischen Plastikverpackungen zu kaufen und endlich mal Pauschalurlaub auf Malle zu machen.
Sie konnten ja schließlich nicht wissen, dass viele von ihnen gar nicht das Geld dafür haben würden, denn was sie im DDR-Staatsbürgerkundeunterricht über das eigene Land hörten, stimmte ja auch oft nicht – wie konnten sie da ahnen, dass vieles stimmte, was sie dort über den Westen und Arbeitslosigkeit als Massenphänomen zu hören bekamen? – Viele dachten wohl, das beträfe tatsächlich nur Menschen, die gar nicht arbeiten wollten oder völlig unqualifiziert seien; und selbst die kämen mit Lohnersatzleistungen ganz gut zurecht.
Wer heute mit Ostdeutschen der Generation "50 plus" spricht, kann sich ein Bild von der damaligen Stimmung und der anschließenden Desillusionierung machen. Die gebrochenen Versprechen der "Wiedervereinigung" spielen sicherlich auch heute noch mindestens unterschwellig eine Rolle, wenn auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gegen die Politik der Bundesregierung oder bestimmte Aspekte davon protestiert wird. Ob dies immer die richtigen Aspekte sind, ist eine andere Frage.
Ähnlich wie Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich viele Ostdeutsche heute als Bürger zweiter Klasse. Auch für sie stellte die Integrations- und Migrationsforscherin Naika Foroutan 2019 "eine erhebliche Chancen-Lücke und eine ebenso ausgeprägte Unterrepräsentation" in Spitzenpositionen fest.
Eine Erfolgsgeschichte war dies also für die Ostdeutschen nicht. Linke, die 1989 eine bessere DDR wollten, und Umweltbewegte waren die größten Verlierer. Aber natürlich ist all das nur sehr bedingt mit der heutigen Situation vergleichbar, denn eine "friedliche Revolution" setzt voraus, dass beide Seiten friedlich bleiben, falls eine Revolution, die im Kapitalismus endet, überhaupt eine Revolution ist.