"Krisen sind ein guter Grund, auf Wirtschaftsplanung zu setzen"
Seite 3: Die Rolle einer Planwirtschaft in Krisensituationen
- "Krisen sind ein guter Grund, auf Wirtschaftsplanung zu setzen"
- Der Unterschied zur Planwirtschaft des real existierenden Sozialismus
- Die Rolle einer Planwirtschaft in Krisensituationen
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Das kapitalistische Weltsystem befindet sich in einer manifesten Krise. Welche Rolle könnte nun eine Planwirtschaft in Krisensituationen spielen? Würde sie dabei helfen, eine Systemtransformation in den Postkapitalismus in einer schweren Krisensituation zu bewerkstelligen? Oder droht nicht eher die Etablierung eins autoritäres Systems, da ja Kapitalismus in Kriegs- und Krisenzeiten ebenfalls auf autoritäre Planung setzen kann? Lenin war ja bekanntlich von der preußisch-deutschen Kriegsökonomie ganz begeistert, die ihm als Vorbild diente.
Philipp Dapprich: Wirtschaftliche Krisen sind ein guter Grund, auf Wirtschaftsplanung zu setzen, das hat auch schon Roosevelt während der großen Depression erkannt. Er ist dabei natürlich nicht so weit gegangen, wie ich es tun würde, hat aber eindeutig die Notwendigkeit für planwirtschaftliche Elemente erkannt. Wirtschaftskrisen führen ja oft zu einer Unternutzung von produktiven Ressourcen, weil einfach kein profitabler Absatzmarkt besteht. Fabriken werden stillgelegt, Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen.
Diese ungenutzten Ressourcen könnten aber durchaus gesellschaftlich sinnvoll eingesetzt werden. Da liegt es nahe, dass wir uns als Gesellschaft überlegen, wie wir diese Ressourcen und Arbeitskraft am besten einsetzen können. Wenn die kapitalistische Privatwirtschaft versagt, muss die gesellschaftliche Planung halt übernehmen.
Natürlich ist Wirtschaftsplanung absolut mit einem autoritären System kompatibel. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, diese in einem progressiven Kontext einzusetzen. Wenn der Kapitalismus wirklich in einer tiefen Krise steckt, und ich denke, einiges deutet darauf hin, dann wird es dem Autoritarismus nur nützen, wenn wir keine bessere Alternative bieten können. Wir sehen ja bereits wie sich weltweit Autoritarismus und Nationalismus breit machen.
Könnte man diese Simulation einer Planwirtschaft nicht auch konkret testen? Wäre es möglich, eine internetbasierende Erprobung einer postkapitalistischen Ökonomie zu organisieren? Im Rahmen eines Online-Spiels etwa? Oder ist das etwas, was viel zu aufwendig wäre jenseits kommerzieller Projekte?
Philipp Dapprich: Ich habe darüber nachgedacht, ob man aus meiner Simulation ein Computerspiel machen kann. Aber ich habe noch keine Idee dazu, worin dabei die Aufgabe für den Spieler bestehen könnte. Der Sinn meiner Simulation ist ja gerade, dass der Computer einen optimalen Plan berechnen kann. Dafür braucht man also den Spieler nicht.
Eine bedeutende Beschränkung meiner Simulation ist derzeit, dass ich die Endverbraucher simulieren muss. Das ist rechenaufwendig, und das von mir entwickelte Konsumentenmodell ist auch nicht sonderlich realistisch.
In der Praxis wäre das egal, weil echte Menschen durch ihr Konsumverhalten bestimmen würden, was produziert werden soll. Am besten wäre es also, mein Konzept mit einer echten Population eines echten Landes zu testen. Wer ein Land kennt, welches den computergestützten Sozialismus mal gerne ausprobieren würde, soll sich also bitte bei mir melden.
Relevante Veröffentlichung: Dapprich, JP (2018) Cybersozialismus als konkrete Utopie. In: Neupert-Doppler, A. [Hg.] Konkrete Utopien. Schmetterling Verlag