Künstliches Chromosom im Labor zusammengesetzt

Das künstlich hergestellte Hefe-Chromosom. Die Änderungen im Vergleich zur natürlichen Referenz sind durch Stecknadeln und die weißen Rauten markiert. Die gelben Bereiche wurden in der synthetischen Variante entfernt. (Grafik: Lucy Reading-Ikkanda)

Auf dem Weg zum synthetischen Leben ist Biologen ein wichtiger Schritt gelungen: Sie konnten erstmals ein komplettes Chromosom eines Eukaryoten aus einzelnen Basenpaaren kombinieren

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Der Weg zum künstlichen Leben ist steinig. Nachdem Anfang 2008 einem Team um Craig Venter erstmals die Synthese eines Bakterien-Chromosoms gelungen war, spezialisierten sich die Forscher vor allem darauf, bekannte Gensequenzen neu zu kombinieren, um so neue Funktionen zu implementieren oder Fehler zu korrigieren. Komplett synthetisch erzeugen kann man bis heute nur Erbinformationen von Bakterien und anderen primitiven Lebewesen - von so genannten Prokaryoten, die keinen Zellkern besitzen. In ihnen befindet sich die DNA frei im Zellplasma, in der Regel in Form eines einzigen Chromosoms mit einer vergleichsweise simplen Struktur.

Selbst primitive Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkern, zu denen auch das Tierreich und der Mensch gehören, stellen da gleich ganz andere Anforderungen. Die Bäckerhefe etwa, Sacharomyces cerevisiae, gilt gemeinhin als einfacher Modellorganismus - und doch ist seine DNA aus etwa zwanzig Mal so vielen Bausteinen aufgebaut wie die des Bakteriums, das Venter & Co. 2008 im Labor nachbauen konnten.

Jetzt jedoch berichtet ein internationales Forscherteam in Science von einem Durchbruch: Erstmals ist es gelungen, ein komplettes Chromosom eines Eukaryoten im Labor aus einzelnen Basenpaaren zu erzeugen. Der Erfolg ist ein Meilenstein im Rahmen des Sc2.0-Projekts, das sich die Schaffung eines künstlichen Genoms der Bäckerhefe zum Ziel gesetzt hat.

Der gesamte Prozess hat demnach etwa sieben Jahre gedauert. Zunächst stellten die Forscher maschinell Blöcke aus etwa 750 Basenpaaren her. Über 60 Studenten halfen dann dabei, diese kleineren Sequenzen zu größeren zusammenzusetzen. Dabei hatten sich die Forscher die Aufgabe durchaus erleichtert.

So wählten sie das Chromosom III für den Einstieg nicht zufällig aus: Mit seinen 316.667 Basenpaaren ist es das drittkleinste der insgesamt 16 Chromosomen - das komplette Genom umfasst über 12 Millionen Basenpaare. Zudem gelten Abschnitte von fast 50.000 Basenpaaren als Informationsmüll, den die Biologen bei der Synthese einfach weggelassen haben.

Ebenso lebens- und vermehrungsfähig und widerstandskräftig

Chr III ist aber auch Sitz einer ganz wesentlichen genetischen Information: Es bestimmt, wie sich Hefezellen bei der Vermehrung verhalten. Die Zellen von Sacharomyces cerevisiae können nämlich in drei Formen vorkommen. Die Form, die beim Backen verwendet wird, ist diploid (wie die Zellen fast aller Säugetiere), das heißt, sie enthält zwei identische Kopien der DNA. In dieser Form vermehrt sich Hefe durch Teilung: Die zwei Tochterzellen bekommen jeweils eine der Kopien und duplizieren diese dann. Unter Stress kann sich die diploide Form jedoch auch in vier haploide Sporen teilen.

Diese unterscheiden sich voneinander durch den so genannten Mating-Faktor: Zwei der Sporen sind so genannte α-Zellen, die beiden anderen sind a-Zellen. Jeweils eine α- und eine a-Zelle können sich unter Rekombination ihrer genetischen Informationen zu einer diploiden Zelle vereinen. Wir haben es also gewissermaßen mit einer primitiven Form von Sex zu tun, wobei die α- und a-Faktoren das Geschlecht darstellen. Die Erbinformation, die beide kodiert, sitzt auf Chromosom III - das hat den großen Vorteil, dass sich Erfolg und Misserfolg der Synthese besser kontrollieren lassen.

Tatsächlich zeigten sich bei umfangreichen Vergleichen mit dem biologischen Original keine Veränderungen. Hefezellen mit dem synthetischen Chromosom erwiesen sich unter allem Umweltbedingungen als ebenso lebens- und vermehrungsfähig, und auch die Widerstandskraft gegen Zellgifte hat nicht nachgelassen.

Für die Zukunft hoffen die Forscher, zunächst ein komplettes Hefe-Genom zu synthetisieren - um mit den dabei gewonnenen Erkenntnisse noch mutiger Veränderungen an der Erbinformation vornehmen zu können. Manipulierte Hefezellen, so die Idee, könnten etwa medizinisch wichtige Stoffe herstellen oder auf effizientere Art Bio-Treibstoffe produzieren.