Kurden lösten Massenflucht aus
Assyrer-Vertretung in Schweden
"Wir wissen nun, dass es sich nicht um die ISIl-Truppen handelt, die die Stadt Al Hamdaniya attackierten, wie wir ursprünglich dachten, sondern es sind Kurden, Zerevani-Einheiten, die gegen sunnitisch-arabische Gruppen im Süden vorgehen", so Afram Yacoub in einem Telefongespräch.
Yacoub ist Vorsitzender der Assyrischen Föderation in Schweden, der größten Interessenvertretung der Volksgruppe in Europa. Assyrer ist die geläufigste Selbstbezeichnung der Christen im Norden Iraks und Syriens sowie im Südosten der Türkei. Sie gehören verschiedenen Kirchen an, haben jedoch als gemeinsame Sprache das Aramäische.
Die Vereinigung sendet am Dienstag eine entsprechenden Dokumentation an die schwedischen Medien, die die Flucht der 50.000 Menschen vor allem von der Stadt Al Hamdaniya in ein anderes Licht stellt. Aframs Angaben beruhen auf Telefongesprächen mit Augenzeugen vor Ort, die er aus Sicherheitsgründen nicht nennen will, und aus regionalen Medienberichten.
Die Kurden nutzen danach die Konfliktsituation mit ISIL aus, um ihre eigene Position in der Ninive-Ebene zu stärken. Demnach hätten am 25. Juni kurdische Einheiten sunnitische Araber nahe der Stadt Al Hamdaniya angegriffen, dort gingen bereits Gerüchte um, dass ISIL-Verbände die Stadt einnehmen würden, was eine Massenpanik auslöste.
Die Kurden wollten die Stadt Tikrit als südliche Grenze etablieren. Derzeit weht in allen Gegenden, wo Minderheiten leben und die Kurden militärisch dominieren, die kurdische Fahne. Seit dem 9. Juni, seit die irakischen Streitkräfte nach Süden geflohen sind.
Die fruchtbare Ninive-Ebene gilt als Brotkammer des Irak, worauf die im Norden ansässigen Kurden schon lange öffentlich Ansprüche anmeldeten. Die Region ist eine der letzten im Nahen Osten, in der Muslime eine Minderheit ausmachen, Assyrer und Jessiden dominieren.
Es gibt seit 2005 Anläufe, für die Bewohner der Region Ninive-Ebene eine regionale Streitmacht in Bataillonsstärke (1000 Mann) zu etablieren, das amerikanische "Joint Operation Center" war in den Beschluss mit einbezogen. Aber die Kurdische Regionalregierung (KRG) sowie Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistans haben dies verhindert. Es gibt daher heute keine bewaffneten Gruppen auf Seiten der Assyrer, die ernsthaften Widerstand leisten können.
Die kurdische Okkupation würde zudem den Autonomiebestrebungen der Region zuwiderlaufen, die vor kurzem umgesetzt werden sollten. Der irakische Ministerrat stimmte im Januar dafür, der Ninive-Ebene den Status einer Provinz zuzugestehen, um den Assyrern mehr Autonomie zu ermöglichen und sie zum Bleiben zu bewegen. Von den 1,5 Millionen Christen im Irak sind seit dem zweiten Golfkrieg 2003 über eine Million geflohen.
Die Föderation fordert eine internationale Verurteilung der kurdischen Okkupation der Ninive-Ebene. In dieser Gegend würden bislang so gut wie keine Kurden leben. Es sei eine Schande, dass die Kurden nun so handeln wie Saddam Hussein, der einst die Assyrer und andere Minderheiten unterdrückte. Gefordert wird eine Fact-finding-Mission, die die Ereignisse um Al Hamdaniya untersucht, sowie internationale Unterstützung der Bevölkerung der Ninive-Ebene, um für diese mehr politische Selbstständigkeit erreichen.
Militärisch wie psychologisch hätte die kurdische Seite Fakten geschaffen, sie sind mit schwerem Gerät vor Ort, zudem habe die Bevölkerung dankbar zu sein, da sie vor den fanatischen ISIL-Verbänden gerettet worden seien. Afram erklärt, dass es für ihn in Schweden sehr schwer sei, Kritisches über die Kurden im Irak zu veröffentlichen.
Seine Prognose ist düster. Da die irakische Armee derzeit effektiv gegen ISIL vorgeht, kann es zu einem Krieg zwischen der irakischen Armee und den kurdischen Peshmerga-Verbänden kommen. "Ich glaube nicht, dass die Kurden die Ninive-Ebene, Kirkut oder andere 'umstrittene Gebiete' zurückgeben wollen, die sie gerade besetzt haben."