LNG-Terminal vor Rügen: Bundesregierung lässt Muskeln spielen
Energie und Klima – kompakt: Wirtschaftsminister Habeck setzt Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern als auch Umweltverbände unter Druck. Beteiligung nicht vorgesehen. Warum an dem Vorhaben scharfe Kritik geübt wird.
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck setzt gerade alles daran, so schnell wie möglich die Weichen für zwei schwimmende LNG-Terminals im Hafen Mukran bei Sassnitz auf Rügen zu stellen, sodass diese noch im Herbst in Betrieb gehen können. Dafür soll der neue Standort in das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) aufgenommen werden.
Hierfür hat das Bundeswirtschaftsministerium BMWK bereits einen Referentenentwurf vorgelegt, der nach einem Bericht des Portals Klimareporter noch nicht mit dem Kabinett abgestimmt ist.
Dass dem BMWK so sehr daran gelegen ist, das Flüssigerdgas in die Nähe des Greifswalder Bodden zu bringen, liegt daran, dass in Lubmin die Leitungskapazitäten anliegen, in die ursprünglich das Gas aus den Pipelines Nord-Stream 1 und 2 eingespeist werden sollte.
Nur über diese Transportachse kann der Abtransport nach Ost- und Südostdeutschland sowie Mittel- und Osteuropa effizient gewährleistet werden,
… schreibt Habeck in einem Brief an den Wirtschafts- und Tourismusminister von Mecklenburg-Vorpommern, Reinhard Meyer. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte den am 5. Mai datierten Brief veröffentlicht.
Insbesondere betont Habeck in dem Brief, dass auf diesem Weg auch Nachbarländer mit Gas versorgt werden sollen. In dem Brief erläutert er auch den ambitionierten Zeitplan für das Projekt: Die Standortentscheidung müsse "in den nächsten Tagen" getroffen werden, "damit die geplante Anbindungsleitung bis zum Jahresende fertiggestellt sein kann".
Die Bauarbeiten müssten dafür noch im August beginnen. Das Bundeskabinett solle sich daher noch im Mai mit der Novelle des LNGG befassen. Die Genehmigungsunterlagen für das Projekt sollen im Juni, spätestens im Juli beim Bergamt Stralsund eingehen, das dann angehalten ist, zügig die Genehmigungen zu erteilen.
Die eingangs formulierten Sätze: "Die Bedenken der Bewohnerinnen und Bewohner, Kommunalvertreterinnen und Vertretern und Umweltverbände aufgrund der befürchteten Beeinträchtigungen der Umwelt und des Tourismusstandortes nehmen wir dabei sehr ernst. Auch das hat mir der Besuch auf Rügen vor einigen Wochen erneut gezeigt: Wir können dieses Projekt nur gemeinsam mit den Einwohnerinnen und Einwohner Rügens realisieren", klingen angesichts der oben angeführten Umsetzungspläne eher zynisch.
Denn in Habecks Zeitplan besteht kein Spielraum, die Einwohner:innen wie auch die Umweltverbände überhaupt anzuhören. Letzteren wurde der Referentenentwurf des BMWK am Montagmittag um zwölf Uhr zugeschickt – mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum folgenden Morgen um acht Uhr.
Eine Verbändeanhörung über Nacht ist keine angemessene Frist für eine Stellungnahme zu einer umstrittenen Gesetzesänderung. Wieder wird mit hoher Eilbedürftigkeit argumentiert. Oder soll doch nur öffentlicher Widerspruch gegen ein Gesetz vermieden werden, dessen Bedarf und Nutzen zweifelhaft ist? Die künstliche Eile tut nichts für die Qualität der Gesetze und ist uns gegenüber vor allem eins: respektlos,
… erklärte angesichts dessen der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Leif Miller.
Dennoch gab es von der DUH innerhalb der kurzen Frist auch inhaltliche Kritik an dem Entwurf, den der Verband als "überhastet und fachlich fehlerhaft" bewertet. Wie schon zuvor sieht die DUH den Bedarf für die geplante LNG-Infrastruktur nicht gegeben.
"Bereits die gegenwärtige Feststellung des gesetzlichen Bedarfs für 18 LNG-Vorhaben an bestimmten Standorten basiert auf einer Grundlage, die nicht (mehr) valide ist", so die DUH. Für den behaupteten Bedarf der Terminals in Mukran lege das Ministerium keinerlei Berechnungen vor.
Obwohl vonseiten des Ministeriums argumentiert würde, die Terminals sollten später auf "klimaneutrale Gase" umgestellt werden, sei dies im Gesetzentwurf keineswegs verbindlich festgeschrieben. "§ 5 Abs. 3 LNGG sieht allein eine Nachweispflicht für eine theoretische Umrüstungsmöglichkeit auf einen Betrieb mit Ammoniak ab 2044 vor", stellt die DUH fest.
Was weder bedeutet, dass diese Umrüstung wirklich erfolgen wird, noch dass es sich dann um klimaneutral erzeugtes Ammoniak handeln wird. "Damit wäre nach Wortlaut des Gesetzes sogar eine Nachnutzung mit Ammoniak aus herkömmlicher Produktion aus Erdgas möglich", urteilt die DUH.
Bemängelt werden außerdem mit dem Projekt verbundene Kosten in Höhe von mehr 1,5 Milliarden Euro, die von den Steuerzahler:innen bzw. Gaskund:innen aufgebracht werden müssten.
Die grundsätzlichen Zweifel an der Rechtskonformität des LNG-Beschleunigungsgesetzes, die der Verband schon zuvor geäußert hatte, würden auch mit der Novelle des Gesetzes bestehen bleiben. Zentral ist dabei, dass mit den von der Bundesregierung geplanten Terminals Überkapazitäten geschaffen würden, die nicht mit dem Klimaschutzgesetz vereinbar sind. Der DUH zufolge verstoßen die mit dem LNGG geschaffenen Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen zudem gegen europäisches Recht.
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