Labour-Partei will britische Wasserversorgung verstaatlichen
Auf dem Parteitag ging es nicht nur um de Brexit, sondern auch um die programmatische Absetzung vom Neoliberalismus, was auch Freihandelsabkommen betrifft
In Liverpool ging am Mittwoch der Parteitag der britischen Labour-Partei zu Ende. Im deutschsprachigen Ausland dominierte die konfliktträchtige und auch nach Abschluss der Konferenz nicht vollständig geklärte Haltung Labours zur Brexit-Frage die Berichterstattung. Dabei kam zu kurz, dass in Liverpool Programmpunkte vorgestellt wurden, welche die neoliberale (Un-)Ordnung Großbritanniens und im weiteren Sinne auch jene Europas in Frage stellen könnten.
Am deutlichsten zeigte sich dies beim Thema der Wasserversorgung. Diese wurde 1989 von der konservativen Thatcher-Regierung gegen den Willen eines Großteils der britischen Bevölkerung privatisiert. So unbeliebt war die Privatisierung schon damals, dass die Tories deren Einführung in den 1980er Jahren zweimal verschoben hatten, um mögliche Niederlagen bei Parlamentswahlen zu vermeiden.
Heute wird die Wasserversorgung in England und Wales durch multinationale Großkonzerne betrieben. Die viel beschworene Effizienz ist dabei nicht sichtbar. In vielen Städten gibt es zahlreiche Leckagen. In einem kurz vor dem Parteitag veröffentlichten Strategiepapier mit dem Titel "Clear Water: Labour's Vision for a Modern and Transparent Publicly-Owned Water System" weist die Partei auf weitere durch die Privatisierung verursachte Probleme hin.
So seien die Kosten für den Endverbraucher im Laufe der vergangenen 25 Jahre um 40% gestiegen. Derweil hätten die Betreiberkonzerne in den letzten zehn Jahren Dividenden im Wert von 18 Milliarden Pfund an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Dieses Geld, so argumentiert das Strategiepapier, hätte man stattdessen in die Infrastruktur stecken oder zur Senkung der Verbraucherpreise nutzen können. Stattdessen seien Investitionen in die Infrastruktur zwischen 1990 und 2018 massiv gesunken, obwohl 20% des Leitungswassers durch Leckagen verloren gehe. Für diese "Leistung" seien die Chefs der Wasserkonzerne im Durchschnitt mit einer Million Pfund pro Jahr bezahlt worden.
"Demokratischer öffentlicher Besitz"
In seiner Parteitagsrede vom Montag, den 24. September, kündigte Labours wirtschaftspolitischer Sprecher John McDonnell die Verstaatlichung der britischen Wasserversorgung durch die nächste Labour-Regierung an. Das oben erwähnte Strategiepapier soll beschreiben, wie dies funktionieren könnte.
Angedacht ist demnach eine Regionalisierung der Wasserversorgung, die an "Regional Water Authorities" übertragen werden soll. Dies soll durch ein im Parlament beschlossenes neues Gesetz in die Wege geleitet werden. Dieses Gesetz soll außerdem Schutzklauseln enthalten, welche zukünftige Privatisierungsvorhaben verhindern sollen.
Die Labour-Partei fasst ihre Pläne unter dem Schlagwort "demokratischer öffentlicher Besitz" zusammen. Damit ist die Errichtung von Strukturen gemeint welche "Teilhabe und Rechenschaftspflicht maximieren" sollen. Teil dieser Rechenschaftspflicht soll eine für die Bevölkerung jederzeit einsehbare Veröffentlichung aller die Wasserversorgung betreffenden Behördendokumente im Internet sein. Außerdem sollen die "Regional Water Authorities" öffentlich tagen und paritätisch aus Lokalpolitikern, Gewerkschaftsvertretern sowie Mitgliedern von Nachbarschafts- und Umweltschutzgruppen bestückt werden. Den Profitgedanken möchte Labour aus der Wasserversorgung verbannen. Stattdessen will man eventuelle Überschüsse für Investitionen in Infrastruktur oder in die Kostensenkung stecken.
Positionierung zu Freihandelsabkommen
Diese Ankündigungen sind von einer gewissen internationalen Bedeutung, weil der Trend bei multilateralen Freihandelsabkommen immer noch in Richtung Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Ressourcen geht. Auch in Deutschland war das in den vergangenen Monaten wieder Thema, als über die kommende Ratifizierung des JEFTA-Freihandelsabkommens mit Japan diskutiert wurde.
Dieses Abkommen wurde erstmals im Juli 2017 im Umfeld des G20-Treffens in Hamburg einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Am 17. Juli dieses Jahres wurde es von der EU-Kommission und der japanischen Regierung unterzeichnet. 600.000 Menschen unterschrieben ihrerseits eine Onlinepetition gegen dieses Abkommen, eben weil sie unter anderem eine Liberalisierung der deutschen Trinkwasserversorgung befürchteten. Das Europaparlament soll JEFTA im Dezember ratifizieren.
Während unter anderem die Linkspartei und die Grünen Kritik an JEFTA äußerten zählt die SPD zu den Befürwortern des Abkommens - obwohl die Partei früher Skepsis gegenüber Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP geäußert hatte. Einen von den Grünen Mitte Juni im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Bundestages eingebrachten Antrag, dem Bundestag doch bitte mehr Zeit zur Durchsicht des Abkommens zu geben, lehnten SPD, CDU und FDP gegen die Stimmen von Linkspartei, Grünen und AfD ab. Wenn JEFTA Anfang 2019 in Kraft tritt, könnte in Deutschland die Frage der Wasserprivatisierung also wieder auf den Tisch kommen, auch wenn die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland dies bestreitet.
In Großbritannien wird seit dem Brexit-Referendum ebenfalls wieder viel über Handelsabkommen geredet und gestritten. Auch eine von Jeremy Corbyn geführte Labour-Regierung wird solche Abkommen unterzeichnen wollen. Öffentliche Dienstleistungen sollen jedoch, nimmt man das auf dem jüngsten Parteitag vorgestellte Strategiepapier ernst, bei solchen Verhandlungen ausgespart werden. Sollte in kommenden Monaten oder Jahren eine solche Labour-Regierung ihr Amt antreten, werden nicht nur in Deutschland die Befürworter und Gegner der Privatisierung öffentlicher Güter mit Interesse verfolgen, ob und wie dies funktioniert.