Lässt sich der Dollar-Crash vermeiden?
Nachdem die letzte Schuldenemission der USA erfolgreich verlaufen ist, reist US-Finanzminister Geithner für drei Tage nach China. Auf der inoffiziellen Tagesordnung dürfte die Rettung des internationalen Finanzssystems stehen
Diese Woche verkauften die USA mehr als 100 Mrd. Dollar an Schuldverschreibungen, was als vorerst geglückter Testfall für die Aufnahmebereitschaft der ausländischen Investoren gelten kann. Immerhin hatte keine zwei Wochen zuvor die Ratingagentur Standard & Poor’s Großbritannien auf die Watchlist für eine Herabstufung gesetzt, was viele Marktteilnehmer als Vorspiel für eine Herabbstufung auch der USA betrachteten.
Zwar dementierte S&P dies umgehend und auch Rating-Konkurrent Moodys bestätigte das Top-Rating der USA, jedoch hatte auch der Dollar zuletzt einige Schwächen gezeigt. Das etwa gegenüber dem Euro, der nun mit fast 140 US-Cent je Euro so stark ist, wie erstmals Mitte 2007, als das als große Gefahr für die europäische Exportwirtschaft galt. Allerdings wurde der Dollar schon Mitte März für 136 Cent gehandelt und hatte sich seither eigentlich stabil gehalten, betrachtet man die Entgleisung des US-Budgets und die monetären Eskapaden der US-Notenbank Fed.
Auch die Renditen der langfristigen US-Staatsanleihen, die sich invers zu den Marktpreisen der Anleihen bewegen und das Niveau der langfristigen Zinsen etwa bei Unternehmenskrediten und Hypothekaranleihen bestimmen, hatten zuletzt deutlich angezogen. So rentierten die zehnjährigen T-Bonds letzte Woche erstmals seit letztem November mit über 3,5 Prozent und am Mittwoch sogar mit 3,70%, nach nur 2,08 % noch im Dezember. Die Renditen der kurzfristigen Papiere zogen hingegen nur mäßig an und die zweijährige Notes rentierten zuletzt mit bescheidenen 0,90 bis 0,98 Prozent.
Insgesamt ist der Dollar derzeit also relativ stark und das Zinsniveau nach wie vor niedrig. Denn bisher haben der Dollar als Weltleitwährung und die US-Schatzscheine – da vom Emittenten der umlaufenden Dollars garantiert - als „sicherste Investition“ von der Krise profitiert. Aus Sicht ausländischer Investoren kann bei US-Treasuries freilich von „sicher“ nicht die Rede sein, haben durch die laufende Entwertung des Dollar doch alle Investoren aus Ländern ohne an den Dollar fix gebundenen Wechselkurs jahrelang nun massive Verluste eingefahren. Dennoch hat sich ein ungewöhnlich klares Muster herausgebildet: Dollar und Treasuries fallen, wenn die Risikoneigung zunimmt und Aktien oder Währungen aus den Emerging Markets ansteigen - und umgekehrt. Dementsprechend wird der durchaus dramatische Einbruch der langlaufenden US-Staatsanleihen und der Anstieg des Euro von optimistischen Marktteilnehmern als Anzeichen bzw. Beleg für eine vermutete Gesundung des Finanzsystems gedeute, was aber an der Realität vorbeigehen dürfte.
Denn immerhin profitieren die Kurzläufer nach wie vor vom niedrigen Leitzins der Fed, während die Renditen der Langläufer auch von den Käufen der Fed niedrig gehalten werden. Diese hat laut Bloomberg seit 25. März im Zuge des „quantitative easing“ immerhin 131 Milliarden Dollar direkt in US-Staatsanleihen investiert, damit wurden Staatsschulden also monetisiert. Obwohl die Fed zusätzlich zu den Staatsanleihen auch angekündigt hat, bis zu 1,25 Billionen an Anleihen der im Sommer verstaatlichten Hypothekenagenturen Fannike Mae und Freddie Mac zu kaufen, sind die Marktzinsen für Hypotheken inzwischen wieder höher, als zu dem Zeitpunkt, als die Fed diese Stützungsmaßnahmen angekündigt hatte. An den Anleihemärkten herrscht jedenfalls weltweit nicht unbeträchtliche Skepsis bezüglich der langfristigen Stabilität des Dollars, was auf eine Machtprobe der Märkte mit der Fed hinauslaufen dürfte. Denn offenbar herrscht derzeit weltweit die Tendenz vor, die Laufzeiten von US-Papieren zu reduzieren, wie auch mehrere Notenbanken, darunter die chinesische, bereits offen angekündigt haben.
Mit einem zweijährigen Kurzläufer war die Schulden-Emission am Dienstag dann auch gestartet, wobei die angebotenen 40 Mrd. USD laut Wall Streeet Journal „exzellent“ aufgenommen wurden. Das Käufersegment des „Indirect bid“, zu dem auch die ausländischen Notenbanken gehören, übernahm satte 54 Prozent des Angebots, nach nur 28,7 Prozent bei der April-Auktion und einem Schnitt von 34,6 Prozent der letzten zehn Auktionen. Am Mittwoch gingen auch die füfnjährigen Notes recht gut, wobei 44,2 Prozent an die „indirect bidders“ verkauft wurden, nach 36,2 Prozent bei der vorangegangenen Auktion. Erwartungsgemäß schwächer war die Nachfrage hingegen am Donnerstag, wo 26 Mrd USD an siebenjährigen Anleihen angeboten wurden. Als einzige der dieswöchigen Auktion war hier die Nachfrage geringer als beim letzten Mal, wobei die „indirect bidders” ebenso wie beim letzten Mal 33 Prozent des Angebots abnahmen, dies übrigens zu einer Rendite von 3,3 Prozent. Interessant ist, dass kurz vor den Auktionen die Anleihenkurse noch kräftig angezogen hatten, was gemeinhin mit Käufen durch die Fed begründet wird.
China im Schulden-Dilemma
Dieses Ergebnis deutet immerhin auf eine wiedererstarkte Kauffreude der chinesischen Notenbank PBOC, die zuletzt Zurückhaltung gezeigt hatte, da deren Bestand an US-Staatspapieren ja bereits jetzt bedrohlich hoch erscheint. Da Exporteinnahmen und ausländische Investitionen in China krisenbedingt zurückgehen, sinkt zudem der Bedarf an Dollar-Käufen, was die Angelegenheit nicht weniger spannend macht – immerhin befinden sich aktuell fast zwanzig Prozent der umlaufenden, d. h. nicht von Regierungsfonds gehaltenen US-Staatsschulden in chinesischen Händen. Insofern findet sich China bekanntlich in einer klassischen Catch-22-Situation: Einerseits sollte es seine abwertungsgefährdeten Dollarreserven möglichst rasch abbauen, anderseits würde jede dahingehende Aktivität der PBOC fast zwangsläufig zu einer Flucht aus dem Dollar führen, die die schlimmsten Befürchtungen Chinas wohl rasch realisieren würde. Kauft China nun weniger US-Papiere, würde der Yuan gegenüber dem Dollar aufwerten und die bestehenden Reserven würden entwertet.
Offensichtlich ist jedenfalls die langfristige Instabilität der aktuellen Situation. Immerhin ist die internationale Kreditmarktkrise vor allem das Ergebnis von zuviel Kredit und Geld, die die Zentralbanken (neben der Fed insbesondere die Bank of Japan) weltweit zu Niedrigzinsen in die Märkte gedrückt haben. Die Krise nun mit noch mehr Schulden, noch niedrigeren Zinsen und noch mehr Geld zu bekämpfen dürfte die Probleme nur weiter in die Zukunft verlagern und die nötigen Anpassungen um so schmerzhafter machen.
Im Zentrum dieser Anpassungen stehen die USA und China, die sich seit Jahren in einem informellen Wechselkurssystem befinden, das gelegentlich als Bretton Woods II bezeichnet wird und dem sich etliche weitere Länder mit Exportüberschüssen angeschlossen haben, etwa die meisten Ölexporteure. Die Notenbanken der USA und Japans produzieren Geld, das vor allem über Hypothekarkredite an US-Konsumenten weitergereicht wird. Die Amerikaner können dank der fixierten Wechselkursrelationen zu niedrigen Prisen asiatische Exportgüter konsumieren, während Asien mit den im Export verdienten Dollars US-Anleihen kauft und so US-Konsum und US-Budgetdefizit finanziert. Am Anfang stehen die expansive Geldpolitik der USA und eine hohe Sparneigung in Asien (und zum Teil auch in der EU), während die zu niedrige Fixierung des Wechselkurses den Kreislauf am Laufen hält.
All das wäre kein Problem, würden die USA nicht zwangsläufig an die Grenzen ihrer Verschuldungskapazität stoßen. Immerhin bedingt das Leistungsbilanzdefizit der USA einen ebensohohen ausländischen Finanzierungsbedarf, der auf Dauer kaum zu beschaffen sein wird, bedenkt man die absehbaren Folgen des aktuellen Systems. Bereits jetzt liegen die Schulden der US-Regierung offiziell bei rund 11,3 Billionen Dollar, wobei das US-Finanzministerium allein im aktuellen Finanzjahr rund 3,25 Billionen an Treasuries begeben will. Darüber hinaus bestehen gewaltige Verpflichtungen vor allem aus staatlichen Pensions- und Gesundheitsversorgungszusagen. Diese werden selbst von Regierungsbehörden, die mit äusserst positiven Annahmen rechnen, mit unglaublichen 60 Billionen Dollar beziffert, allerdings verschwanden derartige Studien jeweils sofort in den Schubladen.
Entschuldung der USA über Geldentwertung
De facto sind die USA also bereits latent bankrott, denn es ist völlig ausgeschlossen, diese Verpflichtungen aus Steuergeldern zu finanzieren, will man künftigen Generationen nicht eine Verdoppelung der Steuerlast zumuten. Immerhin zeigt das jüngste Beispiel Kaliforniens, dass ernsthafte Sparmaßnahmen in einer Demokratie eher nicht durzusetzen sind.
Bleibt als einzige realistische Alternative die „Entschuldung“ über eine Geldentwertung, wodurch – da sich die USA im Ausland bisher in der eigenen Landeswährung verschulden konnte – das Problem nun auf das Ausland übergewälzt wird. Der PBOC, dem größten Gläubiger der USA, ist das freilich ebenso wenig entgangen wie der chinesischen Bevölkerung, so dass sich die Regierung genötigt sieht, nach innen einen harten Standpunkt gegenüber den USA zu vertreten. Ebenso drängt die US-Regierung offiziell auf eine Stärkung des chinesischen Yuan, um die einheimische Industrie zu stärken, während sie gleichzeitig auf chinesische Stützungskäufe angewiesen ist, um ihr Budgetdefizit zu finanzieren.
So forderten China – und Russland schloss sich sofort an – im Frühjahr unmittelbar vor dem G20 Treffen eine neue monetäre Weltordnung, die den Dollar durch die vom IWF kreierten „Special Drawing Rights“ ersetzen wollte, die aus einem Währungskorb aus Dollar, Euro, britischem Pfund und japanischem Yen besteht und im internationalen Zahlungsverkehr eingesetzt werden kann. Dieser Idee konnte nach einer Schrecksekunde auch US-Finanzminister Timothy Geithner einiges abgewinnen, wurde sie doch schon 2007 von Fred Bergsten, dem Chef des renommierten Peterson Institute of International Economics vorgestellt, um der drohenden „Mutter aller Finanzkrisen“, die durch einen Dollarcrash verursacht würde, entgegenzutreten.
Die Position Chinas ist dabei in sich durchaus wiedersprüchlich. Immerhin besteht wenig Zweifel, dass der erstaunliche Aufschwung, den China im letzten Jahrzehnt erlebt hat, durch eine Unterbewertung des Yuan ermöglicht wurde, welche wiederum nur durch die steten Dollarkäufe seitens der PBOC möglich war. China dürfte die daraus resultierenden und absolut absehbaren Risiken durchaus in Kauf genommen haben – ebenso wie die USA, die nach den meisten Analysen in den vergangenen 20 Jahren alljährlich um 10 bis 20 Prozent mehr konsumiert hat, als durch die eigene Wirtschaftsleistung gerechtfertigt wäre.
Aus der Ferne betrachtet ist klar, wie die Probleme gelöst werden könnten. Die USA müssten die private Sparquote steigern und jedenfalls ein glaubhaftes Sparprogramm entwickeln, um die Budgetdefizite sowie den massiven Dollarüberhang abzubauen, der nach menschlichem Ermessen zwangsläufig zu extrem ausufernder Inflation führen müsste. China hingegen sollte einerseits den Inlandskonsum stärken und anderseits gleichzeitig auch weiter massiv in den USA investieren, allerdings nicht in Schuldtitel, sondern in den produktiven Kapitalstock, wobei chinesische Direktinvestitionen in den USA bisher freilich auf einigen Wiederstand gestoßen sind.
Dementsprechen heikel wird es, wenn Geithner nächste Woche China seinen Antrittsbesuch abstattet. Zu vermuten ist, dass die Öffentlichkeit vor allem gemäß der jeweiligen innenpolitischen Erfordernisse, informiert wird. Hinter den Kulissen dürfte es hingegen deutlich konkreter zur Sache gehen. So drängt sich der Verdacht auf, dass es bezüglich des Dollars bereits beim G20-Gipfel im Frühjahr zu diskreten Absprachen gekommen sein könnte. Immerhin waren an den Forex-Märkten vor dem Treffen durchaus klare Trends zu erkennen, während der Devisenhandel danach eher richtungslos verlief. Insofern ist es durchaus denkbar, dass man sich im Rahmen der G20 auf eine Stabilisierung des Dollars geeinigt hat. Da der internationale Devisenhandel von nur wenigen internationalen Großbanken dominiert wird, könnte ein derartiger informeller Deal trotz der gewaltigen Tagesumsätze an den Devisemärkten auch durchaus funktionieren, wenn diese Banken mitspielen. Und das ist nicht ganz unwahrscheinlich, bedenkt man den Einfluß, den Behörden weltweit neuerdings auf die meisten internationalen Großbanken nehmen können.
Vielleicht war auch die Kauffreude Chinas bei den aktuellen Treasury-Emissionen bereits eine Vorleistung bzw. Bestandteil einer Absprache. Jedenfalls dürfte es weder im Interesse Chinas noch der USA sein, die Finanzmärkte durch offen zur Schau gestellte Differenzen zu unerwünschten Reaktionen zu veranlassen.