Läuft der Rhein aus?

Seite 2: Gasumlage

Nun ist es heraus. Wie bereits seit Wochen angekündigt, kommen ab dem 1. Oktober auf die Gasverbraucher neue Lasten zu, Kosten, die für Menschen mit geringem Einkommen nur sehr schwer zu stemmen sein werden: die Gasumlage. Letzte Woche ist die sogenannte Gaspreisanpassungsverordnung im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und in Kraft getreten.

Für die Gasverbraucher wird damit eine neue Umlage fällig, die zunächst bis zum 1. April 2024 erhoben werden kann. "Gasbeschaffungsumlage" heißt sie im Juristendeutsch und dient dazu, dass unternehmerische Risiko der Gasgroßhändler wie Uniper und anderer auf die Verbraucher abzuwälzen.

Unternehmen mit Sitz in der EU, Norwegen, Großbritannien oder in der Schweiz bekommen einen Anspruch darauf, dass ihnen die Kosten der Ersatzbeschaffung von den Gasendkunden ersetzt werden, wenn ausländische Anbieter ihre Lieferverträge nicht einhalten.

Die Industrie und Handwerkskammer Braunschweig sieht in der Umlage vor allem die erzwungene Übernahme der Stützung des Kohle- und Gaskonzerns Uniper. Das Unternehmen war vor einigen Jahren aus E.on herausgelöst worden, ist inzwischen überwiegend im Besitz des finnischen Staates und betreibt in Deutschland neben dem Gasgroßhandel Kohlekraftwerke.

Errechnet und bekanntgegeben wird die Gasumlage vom "zuständigen Marktgebietsverantwortlichen", in diesem Falle Trading Hub Europe GmbH, ein privatwirtschaftliches Unternehmen von Netzgesellschaften wie Thyssengas und anderen, das den Gasmarkt in Deutschland organisiert.

Obendrauf noch Mehrwertsteuer

2,419 Cent pro Kilowattstunde soll die Umlage fürs erste betragen. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent, über die unter anderem der Fachinformationsdienst IWR schreibt. Nach Aussagen des Finanzministerium habe dieser von der EU-Kommission keine Genehmigung für den Verzicht auf das Belasten der Umlage mit der Steuer bekommen.

Damit verteuert sich für den Verbraucher ab Oktober die Gasrechnung um knapp 2,9 Cent pro Kilowattstunde. Was heißt das im Einzelnen? Wird Gas sowohl zum Heizen als auch für Warmwasser verwendet, so beträgt der durchschnittliche Jahresverbrauch etwa 160 Kilowattstunden pro Quadratmeter.

Für eine vierköpfige Familie, die 70 Quadratmeter bewohnt wären das 11.200 Kilowattstunden im Jahr, wofür eine Gasumlage von 325 Euro anfiele. Die monatlichen Abschlagszahlungen dieses Musterhaushalts würden sich durch die Umlage also um 27 Euro erhöhen.

Entlastung mit 9-Euro-Ticket

Vor dem Hintergrund, dass Menschen mit geringem Einkommen oft in schlecht isolierten Mietshäusern wohnen, keinen Einfluss auf die Modernisierung ihrer Heizungen und Boiler haben – also eher überdurchschnittlich belastet werden – und auch sonst besonders unter den Preissteigerungen leiden, ist die Gasumlage also nicht gerade ein kleiner Brocken.

Die Bundesregierung verspricht zwar Entlastung, aber der einzige konkrete auf dem Tisch liegende Vorschlag, ist eine Reform der Einkommenssteuer, die vor allem Besserverdienern nützen würde. Ganz wie man es aus dem Hause des Finanz- und Porscheministers Christian Lindner erwartet.

Wenn die Bundesregierung jedoch vor hätte, Geringverdiener zu entlasten, dann könnte sie zumindest für die Dauer der Gasumlageverordnung das 9-Euro-Euro-Ticket weiter finanzieren. Insbesondere für ärmere Haushalte stellt es eine enorme Erleichterung dar, die die Kosten für Umlage und den Anstieg der Energiepreise in etwa aufwiegen könnte.

Finanzieren ließe sich das unter anderem mit den drei bis vier Milliarden Euro an Mehreinnahmen, die der Fiskus durch die Mehrwertsteuer auf die Umlage haben wird. Das reicht in etwa für drei Monate 9-Euro-Ticket, doch der Rest ließe sich spielend durch eine stärkere Besteuerung der unverschämt gestiegenen Gewinne der Energiekonzerne herein holen. Doch um das durch zusetzen werden wohl die Proteste notwendig sein, die die Linkspartei bereits angekündigt hat.

Auf der Kriechspur

Ansonsten wäre noch zu berichten, dass der Ausbau der Windenergie weiter auf der Kriechspur unterwegs ist, weshalb der Bundesverband Windenergie (BWE) ein Beschleunigungsgesetz fordert.

Die bayerische Landesregierung wird bei der Gelegenheit aufgefordert, ihre energiepolitischen "Ablenkungsmanöver" sein zu lassen. Statt fast täglich nach Fracking oder Laufzeitverlängerungen für AKW zu rufen, sollte sie lieber bei der Windenergie den Fuß von der Bremse nehmen.

Im ersten Halbjahr 2022 seien in Bayern nur drei neue Windenergieanlagen ans Netz gegangen und drei weitere genehmigt worden, so der BWE. Für einen einen einzigen dieser Anträge braucht man übrigens mehrere Meter Aktenordner. Das Ganze sieht dann so aus.

Viel Sonne

Bei der Solarenergie läuft der Ausbau inzwischen besser. 2021 kamen immerhin Anlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 5,6 Gigawatt hinzu, wie die Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigen.

Das war das beste Ergebnis seit dem vor rund zehn Jahren die damalige schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit den Ausbau abrupt und extrem gedrosselt hat und damit etliche Zehntausend Arbeitsplätze in Solarindustrie und Handwerk zerstörte.

Die Industrie ist inzwischen weitgehend nach China abgewandert, das inzwischen die Welt mit Solaranlage versorgt, wie ein neuer Bericht der Internationalen Energie Agentur zeigt.

China hat seit 2011 50 Milliarden US-Dollar (ungefähr 50 Milliarden Euro) in neue Produktionskapazitäten für Solarmodule, Wechselrichter und ähnliches investiert. Zehn mal so viel wie die EU. 300.000 Arbeitsplätze seien damit geschaffen worden.

Heute beherbergt das Land der Mitte 80 Prozent aller Herstellungskapazitäten und die zehn größten Lieferanten. Gleichzeitig ist die Volksrepublik auch mit Abstand der größte Abnehmer. Allein für dieses Jahr wird damit gerechnet, dass die kombinierte Leistung aller neu installierten Solaranlagen knapp 100 Gigawatt betragen wird. Das wären ungefähr das 16-Fache dessen, was voraussichtlich hierzulande ans Netz gehen wird.