Läuft der Rhein aus?
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Energie und Klima – kompakt: Von den Vorboten der großen Klimakrise, von einer Gasumlage zur Rettung Unipers und von Sklavenhaltern, die anderen Sklaverei vorwerfen.
Hitze, Dürre und Waldbrände halten weiter große Teile Europas fest im Griff. Die aktuelle Karte des European Drought Observatory zeigt verschiedene Warnstufen für alle EU-Länder und auch einige östliche und südliche Nachbarn.
Die Statistiken des European Forest Fire Information System zeigen, dass in diesem Jahr in der EU bereits 660.000 Hektar (6.600 Quadratkilometer, mehr als die doppelte Fläche des Saarlandes) Wald verbrannt sind. Das war mehr als in irgendeinem anderen Jahr seit 2006, dem Beginn der Aufzeichnungen.
Entsprechend sind einige der großen Flüsse Westeuropas inzwischen nahezu ausgetrocknet. Die französische Loire ist nur noch ein schüchternes Rinnsal und vom italienischen Po hatten wir schon mehrfach das gleiche berichtet. In Norditalien zeichneten sich schon im April schwere Probleme ab, nachdem es dort den ganzen Winter über praktisch keinen Niederschlag gegeben hatte.
Auch in deutschen Flüssen sinken die Pegel immer weiter und an Rhein und Elbe tauchen, wie zum Teil schon in den Vorjahren, sogenannte Hungersteine auf, die von Anwohnern eingeritzte Jahreszahlen früherer Niedrigwasser tragen.
Der Rhein-Pegel bei Emmerich nahe der niederländischen Grenze erreichte vor einigen Tagen mit vier Zentimetern einen neuen historischen Tiefstand. Der bisherige Negativ-Rekord betrug sieben Zentimeter und wurde im Oktober 2018 erzielt, dem ersten in der Serie von Dürre-Jahren, die Mitteleuropa gerade erlebt. Am Dienstagabend wurde aus Emmerich ein Pegelstand von minus einem (-1) Zentimeter gemeldet.
Kein Wasser, keine Kohle
Diese niedrigen Wasserstände gefährden nicht nur die Versorgung der Kraftwerke mit Kühlwasser, sondern auch mit Kohle. Zumindest, sofern sie mit importierte Steinkohle versorgt werden. Egal ob diese aus Russland kommt oder aus Kolumbien, wo ihr Abbau mit schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden ist, immer muss sie in den Seehäfen umgeschlagen, auf Binnenschiffe verladen werden.
Doch die Flüsse sind derzeit, wenn überhaupt, dann nur noch sehr begrenzt schiffbar. Also muss vermehrt die Bahn einspringen, was diese vor Probleme stellt. Nicht nur, weil es an den dafür nötigen Waggons mangelt, sondern auch, weil in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Nebenstrecken stillgelegt wurden, nicht zuletzt in der Nachbarschaft der für den internationalen Güterverkehr so wichtigen Rheinschiene.
Dort wird es jetzt also mal wieder besonders eng, was sicherlich die Schweizer und Norditaliener erfreuen wird, für die dies die wichtigste Verbindung zu Nordwesteuropas großen Umschlagplatz Rotterdam ist. Beim Nachbarn südlich des Bodensees ist man ohnehin schon seit längerem über das hiesige "Chaos auf Schienen" not amused.
Seit vielen Jahren wartet man in Bern darauf, dass die Deutschen den viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn fertig stellen, um die Schiene Rotterdam-Genua endlich für die aktuellen Anforderungen auszubauen. Längst haben die Schweizer ihren Beitrag geleistet und neue Tunnel durch die Alpen getrieben, die den Transit nach Norditalien deutlich einfacher und schneller machen. (Das Debakel mit der Rheintalstrecke).
Doch im Norden lässt man sich alle Zeit der Welt und schlampt dann auch noch. Letzte Woche, am 12. August, jährte sich zum fünften Mal der Einbruch einer Tunnelbaustelle beim baden-württembergischen Rastatt. Dort sollten unter der bestehenden zweigleisigen Trasse zwei weitere Gleise sozusagen in den Keller verlegt werden.
Das Ergebnis: Der für die Schweiz so wichtige Schienengüterverkehr von und nach Rotterdam wurde für Monate erheblich durcheinander gebracht. "200 Güterzüge pro Tag mit je einer Kapazität von 40 Lastwagen standen still", erinnert sich dieser Tage im Schweizer Fernsehen der seinerzeitige Geschäftsleiter von SBB Cargo, Michael Stahlhut. SBB Cargo ist die Güterverkehrstochter der Schweizer Bundesbahn.
Schadensersatzklagen gegen die Deutsche Bahn sind noch anhängig, hat der Schweizer Sender in Erfahrung gebracht. In diesen Tagen hätte die Strecke, oder zumindest der Rastatter Tunnel, eigentlich in Betrieb genommen werden sollen, doch davon kann keine Rede mehr sein. 2026 soll es nun so weit sein.
Schwindende Gletscher
Doch zurück zu den aktuellen Problemen der Binnenschifffahrt. Versorgungsnöte haben nicht nur die Kraftwerke. Auch Erdöl und Kraftstoffe werden auf den großen Flüssen transportiert. Eventuell könnte sich also in Süddeutschland Benzin und Diesel demnächst zusätzlich verteuern.
Außerdem sind auch große Industriebetriebe wie BASF in Ludwigshafen für eine erheblichen Teil ihrer Vorprodukte auf die Binnenschifffahrt angewiesen. Reeder Steffen Bauer beschreibt in der Wirtschaftswoche die Situation als kritisch.
Derweil haben niedrige Wasserstände auch damit zu tun, dass in begradigten Strömen wie dem Rhein das Wasser schneller abfließen kann und es an Flussauen mangelt, die als Zwischenspeicher dienen können.
Außerdem werden sich die Probleme der Binnenschifffahrt in den nächsten Jahrzehnten weiter verschärfen, wenn die Alpen-Gletscher gänzlich verschwinden und damit der stetige Zufluss des Schmelzwassers im Sommer entfällt.
Über 200 Gletscher seien seit Beginn des 20. Jahrhunderts bereits verschwunden, schrieb vergangene Woche der österreichische Standard, wobei nicht ganz klar ist, ob sich die Zahl nur auf die italienischen Alpen oder den gesamten Alpenbogen bezieht.
Wetteronline berichtet, dass in der Schweiz der Gibidum Stausee überläuft, weil es am ihn speisenden Aletschgletscher zu einer Rekordschmelze komme. Der Gletscher liegt im Kanton Wallis und entwässert zur durch Frankreich ins Mittelmeer fließenden Rhone.
In Österreich, so hieß es bereits im Januar bei der dortigen Akademie der Wissenschaften, versucht man derzeit noch möglichst viele Eisbohrkerne aus dem Eis der hohen Gletscherkuppen zu gewinnen, bevor diese ganz verschwunden ist.
Im Eis sind Informationen über Klima und Wetter vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende konserviert. Informationen darüber liefern unter anderem Aufschluss über frühere Extremereignisse. Derlei Erkenntnisse sind nicht zuletzt für den Schutz Siedlungen in den Tälern unterhalb der Gletscher wichtig.
Naturnahe Lösungen
Unterdessen muss man in vielen mitteleuropäischen Städten nicht mehr an die Flüsse gehen oder in die Wälder hinausfahren, um die verheerenden Auswirkungen der Wasserknappheit zu beobachten. Schon ein Blick auf die Straßenbäume reicht. In der unmittelbaren Nachbarschaft des Autors dieser Zeilen sind zahlreiche Straßenbäume am Absterben.
Der Umweltverband WWF (World Wide Fund for Nature) warnt davor, dass sich die Wasserknappheit in den kommenden Jahrzehnten weiter verschärfen wird. Besonders in der Mittelmeerregion drohe in Landwirtschaft und Tourismus enormer wirtschaftlicher Schaden.
Als Gegenmaßnahmen seien nicht nur die "schnellstmöglichen Abkehr von fossilen Energien" notwendig, sondern auch eine ganze Palette "naturbasierte Lösungen", um den Wasserhaushalt in der Landschaft zu fördern und die Aufnahmefähigkeit der Böden zu erhöhen. Dazu zählt unter anderem auch die Wiedervernässung von Mooren, die zudem einen nennenswerten Beitrag zum Schutz des globalen Klimas leisten könnte, wie auf Telepolis erst letzte Woche beschrieben wurde.
In Südfrankreich haben derweil Umweltschützerinnen und -schützer auf einen Golfplatz die Löcher zubetoniert. Der Platz in der Nähe von Toulouse hatte eine Sondergenehmigung für das Bewässern des Rasens, während ansonsten in Frankreich der Trinkwasserverbrauch beschränkt wurde. In über 100 Dörfern kommt derzeit gleich gar kein Wasser mehr aus den Hähnen, wie wir bereits kürzlich hier auf Telepolis erwähnten.