Blutkohle aus Kolumbien: Bundesregierung weiß von nichts

Verheerend für die Bevölkerung in Kolumbien: Tagebau El Cerrejón. Bild: IAEA Imagebank, CC BY-SA 2.0

Importe von Steinkohle sollen gesteigert werden. Menschenrechtler warnen vor Zunahme von Menschenrechtsverletzungen. So antwortet die Bundesregierung auf eine Anfrage der Opposition.

Die Bundesregierung hält trotz massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen an ihren Plänen fest, verstärkt Steinkohle aus Kolumbien zu importieren, um die sanktionsbedingten Lieferausfälle aus Russland zu kompensieren. Das geht aus den Antworten auf eine parlamentarische Anfrage hervor, die Telepolis exklusiv vorliegt.

Demnach preist die Bundesregierung den umstrittenen Schweizer Tagebau-Betreiber Glencore als "bei Weitem größten Arbeitgeber in der Region". Von schlechten Arbeitsstandards und Gewalt gegen Bewohner der betroffenen Region habe man keine Kenntnis, heißt es in den Antworten auf eine Kleine Anfrage an die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen.

Das Thema ist auf die politische Agenda gerückt, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem scheidenden Präsidenten Iván Duque eine Zunahme der Kohlelieferungen vereinbart hat.

Anfang April hatten Scholz und Duque über die Energiegeschäfte beraten. Kolumbien prüfe die Möglichkeit, die Kohle-Ausfuhren nach Deutschland zu erhöhen, um dessen Energiesicherheit zu stärken, hieß es danach in einer Mitteilung des Präsidialamts in Bogotá:

Wir haben über die aktuelle Krisensituation bezüglich der Energieversorgung in Europa gesprochen. Wir haben die ständigen Bedrohungen erkannt, die Russland jetzt für die Energieversorgung Europas bedeutet. Es ist daher möglich, dass wir zu diesem Zeitpunkt, in dem Länder wie Deutschland ihre Energiesicherheit stärken müssen, die kolumbianischen Kohle-Exporte erhöhen, damit sie sich gegen Energieknappheit wappnen können.

Mitteilung des Präsidialamtes von Kolumbien

In der Antwort auf die parlamentarischen Fragen stellt die Bundesregierung eine Verschärfung der Konflikte um den Steinkohletagebau in Kolumbien in Abrede. Nach Aussagen des Unternehmens gegenüber der Bundesregierung ist keine Ausweitung des Abbaugebietes geplant, um eine mögliche zusätzliche Nachfrage deutscher Firmen zu bedienen. "Entsprechend seien auch weder erneute Umsiedlungen noch eine stärkere Nutzung örtlicher Ressourcen zu erwarten", heißt es in der Antwort auf die Parlamentsanfrage.

Ausweitung der Kohle-Importe aus Kolumbien werden Folgen haben

Diese Aussagen stehen in direktem Widerspruch zu der Kritik aus dem südamerikanischen Land. Anwältin Rosa María Mateus von der Anwaltsvereinigung Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo, das die indigenen, afrokolumbianischen und bäuerlichen Gemeinschaften der Region unterstützt, bezeichnete es als "große Enttäuschung, dass Deutschland als Land, das den Kohleausstieg vollzieht, heute wieder Kohle von einer Firma kaufen will, die laut Gerichtsurteilen Menschen-, Umwelt- und Gebietsrechte verletzt hat."

Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass eine massive Ausweitung der Steinkohle-Förderung in Kolumbien in Folge des Ukraine-Krieges und der europäischen Sanktionen gegen Russland ohne Auswirkungen auf die Menschenrechtslage in dem südamerikanischen Fördergebiet bleibt.

Dafür spricht die schiere Größe des Tagebaus und die bestehenden Konflikte. In El Cerrejón wird auf gut 690 Quadratkilometern aus dem Boden geholt. Die Fläche entspricht fast der Fläche der Hansestadt Hamburg. Im vergangenen Jahr förderte Glencore, so berichtete die Nachrichtenagentur dpa in einem Korrespondentenbericht, 23,4 Millionen Tonnen Kohle: "Die gesamte Menge geht in den Export - künftig vielleicht auch vermehrt nach Deutschland."

Trotz des Ausbaus von Wind- und Solarenergie habe Steinkohle in Deutschland noch immer einen Anteil von neun Prozent an der gesamten Stromerzeugung, berichtet die Agentur: "Nach Russland, den USA und Australien war Kolumbien 2021 das viertwichtigste Herkunftsland für Kohle in Deutschland mit einem Anteil von 5,7 Prozent an allen Steinkohleimporten." Gut 2,3 Millionen Tonnen Steinkohle kämen insgesamt von dort.

Die Mine in der trockenen Region Guajira verbraucht täglich bis zu 24 Millionen Liter Wasser. Das sei genug, um 150.000 Menschen zu versorgen, so die Menschenrechtsorganisation Cienp. 17 Flüsse und Bäche seien bereits verschwunden, dutzende wurden umgeleitet.

Abgeordnete: "Regierung verharmlost Menschenrechtsverletzungen"

"Die Bundesregierung verharmlost die systematischen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch den Steinkohle-Abbau in Kolumbien und verhöhnt damit die seit Jahrzehnten unter Gewalt, Vertreibung und Umweltverseuchung leidenden indigenen Gemeinden", sagte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen gegenüber Telepolis.

Statt im Zuge der Wirtschaftssanktionen gegen Russland vermehrt teure, umweltschädliche Blutkohle rund um den Globus verschiffen zu lassen, sollte die Bundesregierung effektivere Entschädigungen für die durch die deutsche Nachfrage entstandenen Schäden in Kolumbien leisten und die von der neu gewählten kolumbianischen Regierung angestrebte ökologische Transformation unterstützen. Dagdelen sieht auch einen "bemerkenswerten Opportunismus der Grünen, die Klimaschutz propagieren, aber immer mehr Klimasünden begehen".

Der designierte kolumbianische Präsident Gustavo Petro hält sich in Bezug auf die zunehmende Nachfrage aus Deutschland und Europa bedeckt. Grundsätzlich will er die Ausbeutung der Bodenschätze beschränken. Dies gelinge aber nur in einem schrittweisen Übergang, sagte er gegenüber der Wochenzeitung Cambio. Es gebe derzeit 180 Verträge im Energie- und Bergbaubereich. Er habe sich stets dafür ausgesprochen, keine neuen Förderverträge zu schließen.

Was aber bedeutet das für El Cerrejón? Bei der dpa heißt es, eine Erhöhung der Importmengen könnte die Bundesregierung "vor ein moralisches Dilemma stellen". Indigene und Aktivisten im Verwaltungsbezirk La Guajira klagten schließlich wiederholt über Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards rund das Fördergebiet.

"Ohne Zweifel wird die Entscheidung der deutschen Regierung negative Folgen für die Rechte der indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften von La Guajira haben", zitiert die Agentur die Koordinatorin des Menschenrechtsprogramms der Nichtregierungsorganisation Cinep, Jenny Paola Ortiz.