Das Debakel mit der Rheintalstrecke
Die Eidgenossen fühlen sich ausgebremst - Lötschberg- und Gotthard-Tunnel sind gebaut, doch auf der deutschen Seite kommt der vierspurige Ausbau im Oberrheingraben nicht voran
Als es am 12. August südlich von Rastatt beim Bau der östlichen Röhre zu einem Wassereinbruch kam, der eine Absenkung der dort über der Tunnelbohrung verlaufenden Gleise auslöste, kam der Güterverkehr zwischen Rotterdam/Duisburg und Genua ziemlich schlagartig zum Erliegen. Wo sonst täglich 200 Güterzüge verkehrten, war nun plötzliche Betriebsruhe angesagt. Was die Anwohner erfreute, wurde für die Spediteure zum gewaltigen Problem.
Auch wenn jetzt ab dem 2. Oktober der Verkehr sukzessive wieder aufgenommen wird, steht noch Einiges an Aufräumarbeiten an. Und da geht es nicht nur um die 12 Millionen Euro Verlust pro Woche, welche das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) aufgrund der Trassensperrung zwischen Rastatt und Baden-Baden geltend macht.
Für die Rheintalstrecke gibt es praktisch keine Ausweichstrecken. Die parallel zur Rheintalstrecke verlaufende Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen ist zwischen Horb und Hattingen (Kreis Tuttlingen) nur noch eingleisig, seit die französische Besatzungsmacht das zweite Gleis als Reparationsleistung abgebaut hatte. Bis heute konnte man sich über die Erweiterung um das zweite Gleis nicht einigen.
Den Personenfernverkehr zwischen der Schweizer Grenze und Stuttgart hätte die Deutsche Bahn gerne auch ganz aufgegeben. Durchgeführt wird er inzwischen mit Wagons der schweizerischen SBB. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ist beabsichtigt, die Züge aus der Schweiz in Stuttgart-Vaihingen enden zu lassen und die Passagiere des Fernverkehrs auf die S-Bahn zu zwingen.
Rheintalstrecke ist ein Nadelöhr des europäischen Güterverkehrs
Obwohl die Rheintalstrecke zu den meistfrequentierten Bahnstrecken in Deutschland zählt, wurde ihr Ausbau über Jahrzehnte vernachlässigt. Schon im ″Ausbauprogramm für das Netz der Deutschen Bundesbahn″ von Ende 1970 war eine so genannte Ergänzungsstrecke mit dem dritten und vierten Gleis vorgesehen. Der Ausbau der 182 Kilometer langen Rheintalstrecke ist jedoch schon seit Jahrzehnten ein Trauerspiel. So wurde die Strecke zwar schon im Jahre 1980 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.
Geschehen ist jedoch wenig. Schon damals wurde große Teile der Strecke an der Kapazitätsgrenze betrieben. Und so wurde immer wieder propagiert, dass zusätzlich zu den vorhandenen zwei Gleisen zwei weitere für den Güterzugverkehr reserviert werden. Sowohl in Bonn als auch später in Berlin war die Bahnstrecke im Oberrheingraben jedoch nicht im Fokus und wurde schlichtweg vertrödelt. Die Nord-Süd-Strecken in der deutschen Südwestecke kamen schlicht zu kurz. Mit der deutschen Wende wurde der Fokus beim Bahnnetz dann zudem deutlich auf die Ost-West-Strecken gelegt.
Und als der Ausbau im Rheintal dann in Angriff genommen wurde, beabsichtigte die Bahn aus Kostengründen, einfach zwei weitere Gleise neben die vorhandenen zu verlegen und dies auch quer durch Städte wie Rastatt und Offenburg. Als Lärmschutz wollte man bis zu sieben Meter hohe Lärmschutzwälle errichten. Da legten sich die betroffenen Kommunen und ihre Einwohner jedoch quer und setzten in Rastatt eine Tunnellösung durch. Nur wurde der Tunnel erst einmal nicht gebaut.
Bei Rastatt hätte man schon vor fast 20 Jahren mit dem Bau des Tunnels beginnen können. Damals lag eine gültige Baugenehmigung vor. Doch die Tunnellösung war dem Bund als Bauträger zu teuer. Er forderte damals die Bahn auf, nach billigeren Alternativen zu suchen. Letztlich wurden jedoch alle geprüften Alternativen verworfen und so blieb der Tunnel als einzige praktikable Lösung. Dummerweise war der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss inzwischen jedoch verfallen.
Somit musste der Tunnel neu geplant werden. Nach dem inzwischen geltenden EU-Recht musste der Tunnel jetzt aus zwei getrennten Röhren bestehen. Bis zum Jahre 2012 gab es jedoch überhaupt kein Geld zum Bauen. Die 2012 geschlossene Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn über 693 Millionen Euro läuft bis 2022, also zehn Jahre lang. Früher wird dieses Teilstück also auch nicht fertig werden.
Seit 2016 wird nun an dem Rastatter Tunnel gebaut. Nach der Unterbrechung am 12. August wird jetzt die westliche Tunnelröhre weitergebaut, bevor entschieden wird, wie die auf 50 Metern mit Beton vergossene östliche Röhre weitergeführt wird. Dort steckt auch noch die ebenfalls eingegossene Tunnelbohrmaschine fest.
Der gemächliche Ausbau der Bahntrasse ist besonders für die Schweiz eher ärgerlich. Mit Blick auf die neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) hatte die Eidgenossenschaft im Jahre 1996 in Lugano den Ausbau des nördlichen Zulaufs zwischen Karlsruhe und Basel mit der deutschen Bundesregierung vereinbart. Außer dem 18 Kilometer langen Katzenbergtunnel und einem 44 Kilometer langen Teilstück zwischen Baden-Baden und Offenburg ist bislang noch keine weitere Strecke in Betrieb.
Letztlich wird die neue Trasse in Siedlungsnähe tiefer gelegt
Der Idee, einfach zwei weitere Gleise neben den vorhandenen zu verlegen, folgten die Planer der Bahn auch auf der weiteren Strecke nach Süden. Die Bahn bekam jedoch in zunehmendem Maße Widerspruch von Seiten der betroffenen Bevölkerung, die sich in Bürgerinitiativen organisierte. In der Folge wurde es zunehmend schwierig, eine Trasse zu entwickeln, die sich nicht sofort dem Widerstand von Anliegern, aber auch Natur- und Umweltschützer ausgesetzt sah. Vor zehn Jahren lagen 172.000 Einsprüche gegen die geplante Trassenführung vor, was dann erst einmal die weitere Planung blockierte.
Im Falle Offenburgs wurde die oberirdische Streckenführung inzwischen als nicht genehmigungsfähig erklärt und so läuft seit etwa vier Jahren ein neues Planfeststellungsverfahren für zwei Tunnelröhren. Bis wann dort mit dem Bau begonnen werden kann, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Bahn rechnet mit einer Fertigstellung dieses Teilstücks nicht vor 2035. Für das Teilstück südlich von Offenburg bis Riegel am Nordrand des Kaiserstuhls befindet man sich noch in der Planungsphase. Deshalb wird die Fertigstellung nicht vor 2042 erwartet. Ähnlich sieht es auch auf der weiteren Strecke bis zum Katzenbergtunnel aus. Auch die Gemeinden im Freiburger Umland haben inzwischen Tunnellösungen für die beiden neuen Gleise durchgesetzt.
Güter sollen auf die Bahn
Poltisch wird zwar immer gefordert, dass die Güter auf die Bahn sollen. Wenn es dann jedoch um die Trassenkapazitäten geht, sieht die Situation schnell anders aus. Auf der Rheintalstrecke wird der Verkehr inzwischen vom Gütertransport dominiert. Vor Allem bei Gefahrguttransporten ist die Bahn dem LKW deutlich überlegen, benötigt man doch für den Transport auf der Straße für jedes Fahrzeug einen Fahrer der über die entsprechenden Bescheinigungen für den Transport von Gefahrgut verfügt.
Aufgrund der hohen Belastung durch Güterzüge kann der ÖPNV zwischen Freiburg und Basel bis auf weiteres nur in eingeschränktem Umfang über die Bahn abgewickelt werden. Mit dem Umstellung auf neues rollendes Material im Jahre 2020 wird die Zahl der Haltepunkte solange reduziert werden, bis die beiden neuen Gleise verlegt sind. Erst dann soll es zu einer Anpassung des Fahrplans an den Bedarf kommen.
Auch heute schon muss der regionale Personenverkehr vielfach gegenüber dem Güterverkehr zurückstehen. So kommt es beispielsweise beim Abzweig Leutersberg, wo die Güterbahn, die Freiburg westlich umfährt wieder auf die Hauptstrecke einmündet, häufiger zu Staus und nicht selten hat der Güterzug dort Vorfahrt und bremst somit den regionalen Personenzug aus. Verspätungen sind daher auch auf kurzen Verbindungen die Regel.