Land Grabbing in Europa
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Der Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen macht auch vor Deutschland nicht Halt. Großinvestoren könnten künftig auch die Art der Bewirtschaftung stark beeinflussen
Bereits "siebzig Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland gehören nicht mehr den Landwirten, die sie bewirtschaften", heißt es in einer Presseaussendung der EU-Abgeordneten Maria Heubuch (Bündnis 90/Die Grünen) anlässlich der Präsentation einer Studie zum Phänomen Land Grabbing in Europa. Die Broschüre fasst Diskussionen im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, im Agrarausschuss des Europaparlamentes und in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenpolitik der deutschen Agrarministerkonferenz zusammen.
Dass immer häufiger außerlandwirtschaftliche Investoren Ackerland aufkaufen und damit in den vergangenen Jahren die Preise auch in Deutschland hoch trieben, ist den deutschen Behörden seit geraumer Zeit bewusst. Anfang 2014 richtete die Agrarministerkonferenz deshalb besagte "Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Bodenmarktpolitik" ein. März 2015 wurden erste Ergebnisse präsentiert. Die Landwirtschaft sei mit einschneidenden Veränderungen und Herausforderungen konfrontiert, welche sich wie folgt zusammenfassen lassen würden:
- der zum Teil drastische Anstieg der Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen, der es vielen Betrieben zunehmend unmöglich macht, die für eine Existenzsicherung notwendigen Flächen zu halten oder zu erwerben,
- die zunehmenden Aktivitäten nichtlandwirtschaftlicher Investoren auf den Bodenmärkten,
- die Ausbildung von Holdingstrukturen in der Landwirtschaft,
- die Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken in immer noch beträchtlichem Umfang.
Die jüngst von der EU-Abgeordneten Maria Heubuch vorgestellte Broschüre versucht die Entwicklungen und Probleme EU-weit in den wesentlichsten Punkten darzustellen. Interessant sind dabei speziell die angeführten Fallbeispiele.
So berichten die Autoren rund um den Journalisten und langjährigen Umweltaktivisten Benedikt Härlin beispielsweise über chinesisches Engagement bei einem deutschen Agrarriesen. Konkret kaufte sich der chinesische Konzern FOSUN mit etwa neun Millionen Euro bei der deutschen KTG-Agrar ein. KTG-Agrar bewirtschaftet laut Eigendarstellung etwa 45.000 Hektar Land in Deutschland und Litauen - dies teilweise sogar nach ökologischen Kriterien. Bei den Marktfrüchten werden vor allem Getreide, Mais und Raps angebaut. Agrarrohstoffe und erneuerbare Energien sind neben der Produktion von Lebensmitteln weitere Geschäftsfelder.
Profitieren chinesische Investoren von deutschen Steuergeldern?
Die Broschüre "Landjäger - Europas Äcker im Ausverkauf" erklärt, dass "etwa12 Millionen Euro pro Jahr" allein an Direktzahlungen aus Brüssel an die KTG-Agrar gehen würden. Und: "Für 53 Megawatt Energie aus Biogas garantieren deutsche Stromkunden dem Unternehmen 20 Jahre lang Luxus-Priese." Hinzu kämen staatliche Investitions-Subventionen, die "eigentlich die ländliche Entwicklung fördern und bäuerliche Strukturen erhalten sollten", merken die Autoren kritisch an. Die Gewinne der neuen Agrarriesen würden somit zu erheblichen Teilen durch "europäische und deutsche Steuergelder" garantiert. Für die Zukunft wird die Gefahr eines durch reine Marktlogik bestimmten Agrarwesens skizziert:
Der Einstieg des chinesischen Mischkonzerns FOSUN in das größte deutsche Agrarunternehmen KTG-Agrar im Sommer 2015 wirft ein Schlaglicht darauf, wohin die Reise auf dem europäischen Bodenmarkt gehen könnte. Wenn der globale Rohstoff- und Finanzmarkt, auch nur kurzfristig, die Rentabilität eines Geschäftsmodells in Frage stellt, das in diesem Fall auf Wachstum und Monokulturen setzt, wechseln aufgrund von Liquiditätsengpässen über Nacht Tausende Hektar ihren Besitzer. Keine Statistik und kein Grundbuch vermerken dies. Keine demokratische Entscheidung kann dies verhindern, keine Behörde eingreifen.
Landjäger - Europas Äcker im Ausverkauf
Bei der Präsentation der Broschüre verwies die EU-Abgeordnete Maria Heubuch, darauf, dass der Gesetzgeber dem neuen Trend etwas hilflos gegenüber stehen würde: "Wenn nicht mehr Wiesen und Äcker, sondern Anteile an GmbHs, Aktien- oder Kommanditgesellschaften verkauft werden, denen Land gehört, sind die bisherigen Kontrollmechanismen zahnlos."
Auch Kirche und Privatpersonen treiben Preise an
Der Run auf Agrarflächen ist allerdings seit einigen Jahren in Gesamteuropa zu bemerken, wobei börsennotierte Agrarkonzerne nicht die einzigen Interessenten sind, wie ein Blick nach Österreich zeigt. Dort haben sich die Preise für Ackerland innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt. Die angestammten Landwirte haben dabei das Nachsehen. "Diese Preise kann kein Bauer mehr bezahlen", zitierte die konservative österreichische Tageszeitung "Die Presse" bereits 2012 einen Landwirt.
Ein Fall wirkt dabei recht kurios und landete sogar vor der Landesgrundverkehrsbehörde. Einer der größten Landbesitzer Österreichs, die katholische Kirche, kaufte in den vergangenen Jahren zu großzügigen Preisen Agrarland an. Rund 30.000 Euro pro Hektar wollte die Erzdiözese Wien laut "Die Presse" in einer Gegend zahlen, in der rund 17.500 Euro pro Hektar der übliche Preis war. Ein ortsansässiger Landwirt legte Einspruch ein und warf der Kirche "Feudalherren"-Methoden und Preistreiberei vor. Nach den Banken- und Börsen-Turbulenzen kauften zudem zahlreiche begüterte Einzelpersonen Agrarland auf. Die große Nachfrage sorgte für kräftige Preisanstiege - nicht nur in Österreich.
Deutschland verzeichnet ebenfalls enorme Preissteigerungen: "(...)Von 2007 bis 2013 seien die Kaufpreise insgesamt um 78 Prozent, auch innerhalb er verschiedenen Bundesländer sogar um 154 Prozent gestiegen", heißt es in der Heubuch-Broschüre unter Berufung auf einen Bericht der Agrarminister-Konferenz. Die AMK hielt dazu fest:
Die Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen sind in vielen Regionen mittlerweile auf ein Niveau gestiegen, das es zahlreichen landwirtschaftlichen Betrieben betriebswirtschaftlich unmöglich macht, sich vor Verlusten gepachteter Flächen zu schützen bzw. zum Erhalt lebensfähiger Betriebe notwendige Flächenaufstockungen über den Kauf von Boden vorzunehmen. (…) Zudem kann das Auftreten spekulativer Blasen auf den Märkten für Agrarflächen schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft haben.
AMK
Dahingegen sollte es das Ziel sein, eine breite Streuung des "Bodeneigentums und die Vermeidung marktbeherrschender Positionen" zu erreichen.
Zum Thema Preissteigerungen bleibt allerdings anzumerken, dass "verdrängte" Landwirte durchaus zu den Profiteuren zählen. Wenn jemand seinen Hof aufgibt oder aufgeben muss, weil sich die Landwirtschaft für ihn nicht mehr rechnet, darf er sich zumindest über höhere Erlöse freuen. Auf der Strecke bleiben derzeit vor allem ortsansässige Landwirte, die zukaufen möchten, um überhaupt konkurrenzfähig bleiben zu können. Die Devise in den Westländern "wachsen oder weichen" richtet sich inzwischen selbst gegen angestammte Landwirte, die diesem Slogan lange Jahre blind gefolgt sind.
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