Le Pen: Alles wird französisch

Foto: Gauthier Bouchet, © 2012 G. Bouchet/Front national / CC BY-SA 3.0

Ausstieg aus dem Euro, Ausstieg aus der EU, wahrscheinlich auch aus der Nato. In der Innenpolitik soll das Französische als Priorität Verfassungsrang bekommen

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Es herrschte kurz Verwirrung darüber, was progressiv und links und was reaktionär und rechts ist. Mit dem Auftakt zur Endrunde des Wahlkampfs in Frankreich, des Landes, wo rechts und links erfunden wurden, werden die Pole wieder eindeutiger gesetzt.

Der Kandidat der Linken, Jean-Luc Mélenchon, trat an zwei Orten zugleich auf, in Lyon als echte Person präsent und in Aubervilliers (Seine-Saint-Denis) als Hologramm. Er sprach vom Glanz der Wissenschaften ("Gloire à l’esprit humain, gloire à nos chercheurs!") und davon, dass auf die Meere aufgepasst werden soll.

Die Kandidatin der Rechten, Marine Le Pen, präsentiert ein reaktionäres Programm, das Frankreich zusammenschließen soll. Sie sprach vor allem davon, dass Franzosen künftig bevorzugt werden sollen.

Ein radikales Programm

Rechtsextrem? In jüngster Zeit haderten die Journalisten und Experten im Nachbarland, ob man Le Pen und den Front National noch als "rechtsextrem" bezeichnen kann. Dass dies im Gegensatz zu früher nicht mehr so eindeutig feststand, lag an einer sorgfältigen Imagkampagne, die Le Pen von der politischen Herkunft der Partei befreien sollte. Dieser Weg wird weiter beschritten.

Le Pen positioniert sich gegenüber der Öffentlichkeit, als eine Politikerin, die gegen rechts und links argumentiert, sie setzt ganz auf ihre Person: die Patriotin und Französin. Ihr Wahlkampflogo zeigt keinen Hinweis auf den Front National.

Ihr Programm, dass sie am Sonntag in Lyon vorstellte und zuvor schon Interviews, ist Nationalismus in einer bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar ausgeprägten Form und extrem, weil es einen radikalen Bruch bedeutet, im Wirtschaftsleben, im Zusammenleben in der Gesellschaft, in der Distanz zu Bürgerrechtsbewegungen, in der Forcierung des starken, autoritären Staates.

Das Selbstverteidigungsrecht der Sicherheitskräfte soll juristisch den Rang bekommen, der dem der Unschuldsvermutung gleichkommt, die Sicherheitskräfte werden aufgestockt, die Ausrüstung verbessert. Den Bürgermeistern soll mehr Macht zukommen. Das mag als Petitesse erscheinen, steht aber symptomatisch für ihren grundsätzlichen Ansatz, der zwar das Volk, "le peuple" als Adressat benennt, aber nominal, als Menge ohne Gesichter.

Es geht um die Stärkung von Top-Down-Befehlsketten - Zwischeninstanzen, Ansprechpartner wie zivilgesellschaftliche Gruppen, werden in ihrem Programm nicht erwähnt. Dem Peuple verspricht sie, dass "Made in France" wirtschaftlichen Aufwind bringen soll.

Bevorzugung der Franzosen

Die Produkt- und Arbeitskräfte-Konkurrenz aus anderen Ländern soll mit einem Zoll auf ausländische Produkte auf Abstand gehalten werden. Französische Bewerber sollen bevorzugt werden. Das Gleiche soll für die Vergabe von Sozialwohnungen gelten.

Dabei geht Le Pen vorsichtig vor, weniger extrem als US-Präsident Trump, der den "intelligenten Protektionismus" nach Le Pens Auffassung von ihr übernommen hat. Sie droht nicht micht 30-Prozent Strafzöllen, sondern mit einem Aufschlag von 3 Prozent auf alle Produkte, die importiert werden. Davon will sie Gelder abzweigen, um die Kaufkraft der Ärmeren mit monatlichen Zahlungen - es kursieren Zahlen von etwa 80 Euro im Monat - zu verbessern.

Frankreich ist nicht Amerika. An der vorsichtigen Bemessung der Importzölle ist abzulesen, dass Le Pen bewusst ist, dass Frankreich eine sehr viel kleinere wirtschaftliche Macht ist, die abhängiger von ihren Nachbarn ist.

EU-Austritt

Auch in den großen Linien ist sie darauf bedacht, ihr Radikalprogramm mit einer gewissen Vorsicht zu formulieren, um ihr Bewegungsspielraum zu verschaffen. Der Ausstieg aus der EU soll nun, anders als ursprünglich angesagt, nicht mit einem Ruck über ein Referendum nach ihrem Amtsantritt vollzogen werden. Möglicherweise ist man sich im Lager des FN nicht mehr so sicher, dass man auf jeden Fall eine Mehrheit dafür hat.

Denn jetzt schlägt sie ein Stufenmodell vor. Sie verspricht, dass sie sofort nach ihrer Wahl mit der EU verhandeln wird, um vollkommene Souveränität in der Währungspolitik und allgemein in der Wirtschaftspolitik zu bekommen. Sollte die EU nicht darauf eingehen - was höchstwahrscheinlich ist - werde sie ein Referendum initiieren. Auch über die Todesstrafe, die sie bisher im Programm hatte, soll in einer Volksbefragung abgestimmt werden. Möglich ist die Einführung der Todestrafe nur bei Austritt aus der EU.

Le Pen macht klar, dass sie zu einer französischen Währung zurückkehren will, Großunternehmen und Banken könnten künftig wieder mit dem ECU rechnen. Auch in der Nato will sie eine Sonderstellung für Frankreich, eine lose Bindung. Auch hier gilt ihre Maxime, dass Frankreichs Souveränität so wenig wie möglich eingeschränkt werden soll.

Die innere Ordnung Frankreichs

Das zweite Referendum, dass sie ankündigt, betrifft die innere Ordnung Frankreichs. Sie will die Verfassung in dem Sinne ändern, dass dort eine "nationale Priorität" eingeschrieben werden soll. Wie präzise Formulierungen oder Gesetze dazu aussehen, ist noch nicht klar.

Ein tragendes Gesatltungselement dürfte der Umgang mit Einwanderern sein, die in Verbindung mit dem Islamismus gebracht werden. Hierzu äußerte sie Vorstellungen einer eindeutigen Verschärfung der Gesetze: die Ermöglichung der Inhaftierung von Gefährdern auf Verdacht, ein rigides Vorgehen gegen den "Communautarisme", was im Deutschen grob mit dem Reizwort "Parallelgesellschaften" übersetzt werden kann. Wie man ein Verbot, von dem sie spricht, dieses Phänomens durchsetzen kann, ist allerdings offen.

Am liebsten wäre es ihr, wenn "die anderen", die nicht mit ihrem Bild von Frankreich korrespondieren, zu Hause bleiben:

Es gibt und es wird in Frankreich keine anderen Gesetze und Werte geben als diejenigen, die französisch sind. Diejenigen, die nach Frankreich kommen, kommen hierher, um Frankreich zu finden, nicht um das Land nach dem Bild ihres Herkunftslandes zu transformieren. Wenn sie so leben wollen wie bei Ihnen zu Hause, dann brauchen sie nur dort zu bleiben. Marine Le Pen

P.S. Die jährliche Obergrenze für Zuwanderer setzt Le Pen bei 10.000 an.