Libyen: Geheime Militäreinsätze von Frankreich und den USA
"Alternatives Interventionsmodell" braucht keine Zustimmung einer Einheitsregierung
Bengasi wurde von Islamisten befreit. Das war gestern die große Jubelmeldung in Libyen. Tatsächlich war es hauptsächlich der Stadtbezirk Lithi, der befreit wurde, nicht ganz Bengasi. Das mussten alle jene feststellen, die sich in ihrer Freude zu voreilig nach Bengasi aufmachten und dort von Granatenbeschuss erschreckt wurden. Kämpfe in der Stadt gehen weiter. An der Relevanz der Rückeroberung des Stadtviertels rührt das wenig.
Der Sieg bleibt strategisch wichtig, weil er als Sieg der libyschen Armee gegen Islamisten Schlagzeilen - und vor allem Hoffnungen - macht und weil er General Haftar in einem Machtkampf Vorteile verschafft. Der Oberbefehlshaber der libyschen Armee hat viel damit zu tun, dass sich die Einsetzung der nationalen Einheitsregierung verzögert.
Chalifa Haftar verliert in der neuen Regierung seinen Einfluss. Als Verteidigungsminister ist ein anderer vorgesehen, die neue Regierung bekäme darüber hinaus nach der mit der UN ausgehandelten politischen Vereinbarung die alleinige Macht, die Spitzenposten der Streitkräfte zu besetzen. Der ehemalige Gaddafi-Getreue und spätere Gegner des ermordeten Machthabers, der auch Mitarbeiter der CIA war, verfügt aber über wichtige politische Gefährten in der Tobruker Regierung.
Regierungsbildung verzögert sich weiter
Dass die Abstimmung des Tobruker Parlaments (HoR, Repräsentantenhaus) über die neue Regierung wieder einmal verschoben wurde, hat zu keinem geringen Anteil mit der Haftar-Lobby zu tun. Spektakuläre militärische Erfolge wie nun in Bengasi stärken diese Seite, weswegen es einige Stimmen gibt, die prognostizieren, dass der Feldzug gegen Islamisten Fakten schaffen wird, die das Tobruker Parlament nicht ignorieren kann. Also habe das militärische Vorgehen Priorität.
Ohnehin zeichnet sich das Parlament im Osten durch eine Uneinigkeit oder Zerstrittenheit auch zwischen anderen Blöcken aus, was in den letzten Tagen noch deutlicher geworden ist.
Mittlerweile befürchten Beobachter, dass sich in Tobruk wiederholt, was im Großen bereits stattgefunden hat: eine Zweiteilung. Der von der UN vermittelte politische Prozess sollte ja aus zwei Parlamenten in Libyen eine Einheitsregierung bilden. Jetzt sehe es fast danach aus, als ob aus dem Parlament im Osten zwei entstünden, kommentieren Landeskenner die gegenwärtige Lage.
Der "geheime Krieg" in Libyen
Wie ein heute veröffentlichter Bericht in der französischen Tageszeitung Le Monde aufklärt, warten Frankreich und die USA nicht auf die Bildung einer neuen Regierung, um die Erlaubnis für eine militärische Hilfe, bzw. Intervention zu bekommen.
In Libyen werde längst ein geheimer Krieg geführt, berichtet Le Monde, mit französischen und amerikanischen Spezialeinheiten, die "inoffizielle militärische Aktionen" durchführen. Dabei käme es zu enger Zusammenarbeit zwischen dem französischen Auslandsgeheimdienst DGSE und amerikanischen Geheimdiensten und Militärs.
Dahinter verberge sich eine neue Strategie, die auch in Irak und Syrien angewendet wird. Der Einsatz von Spezialeinheiten ersetzt eine breit angelegte Intervention, für welche die Regierungen offizielle Rückendeckung, ein Mandat, braucht - und schlechte Presse einstecken muss. Insofern hat man aus den Erfahrungen der Nato-Intervention in Libyen und dem Irak-Krieg gelernt, lässt der Zeitungsbericht verstehen. Wie viel die beiden westlichen Interventionsmächte in einem größeren Rahmen gelernt haben - außer ihre Aktionen besser der Öffentlichkeit zu entziehen - muss sich erst noch zeigen.
Die Probleme sind nicht einfach zu lösen. Das wird im kleinen Rahmen der französische Verteidigungsminister Le Drian erfahren, der nun erwägt gerichtlich gegen die Veröffentlichung - den "Geheimnisverrat" - von Le Monde vorzugehen. Damit wird der geheime Krieg wohl noch mehr Wellen erzeugen.
Die Erfolgsmeldung, die mit der geheimen Kooperation zwischen den USA und Frankreich verbunden wird, der US-Luftangriff auf ein Islamistenausbildungslager in Sabratha vergangene Woche, demonstriert, wie verwickelt die Geschehnisse in Libyen sind.
Die Waffenhandelsverbindung zwischen Serbien und Libyen
So stellte sich zum Beispiel heraus, dass bei den Angriffen von US-Kampfjets - die sich über internationales Recht hinwegsetzen - zwei serbische Geiseln getötet wurden. Ein Medienbericht aus Serbien weist darauf hin, dass die beiden Getöteten im Zusammenhang mit einer wichtigen Waffenhandelsverbindung zwischen Libyen und Serbien standen. Als Gast in Belgrad wird dabei der oben erwähnte General Haftar genannt. Allerdings soll aus seinen Besuchen, laut Bericht, kein Waffendeal resultiert haben
Im Hintergrund spielt hier die lange gehegte Absicht hinein, das Waffenembargo gegen Libyen aufzuheben, das sich die Tobruker Regierung ganz oben auf ihre Forderungsliste gestellt hatte. Sobald die nationale Einheitsregierung gebildet wird, dürfte die Forderung an die UN neu erhoben werden. Anscheinend hat Haftar manche Hindernisse auch anders umgehen können.
Vernetzungen der Dschihadisten
Dass der Angriff auf Sabratha der dortigen IS-Gewalt wenig zusetzte, dokumentierten Hinrichtungen, welche die Dschihadisten dort aus Rache durchführten. Schwieriger wird das Bild noch dadurch, dass verschiedene islamistische Gruppen in Libyen ganz verschiedene Beziehungen zum IS unterhalten. Man könnte dies so zusammenfassen, dass sie immer dann Allianzen eingehen, wenn es ihnen opportun erscheint, und sie sich im anderen Fall wieder distanzieren.
Wie weit die Vernetzungen der Dschihadisten reichen zeigt sich auch im UN unterstützten Präsidialrat. Dieser ist verantwortlich für die Nominierungsliste der neuen Einheitsregierung. Ratsmitglied war ein Mann namens Mohammed al-Amari, der der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG) angehört, die eng mit al-Qaida verbunden ist. Eine Blamage für die USA, so Beobachter.
Als Schluss ist daraus in aller Zurückhaltung zu ziehen, dass es nicht danach aussieht, als ob die verwickelten Verhältnisse in Libyen mit westlicher Hilfe rasch in Ordnung und Stabilität münden werden. Das Land wird wohl noch eine ganze Zeit Herkunftsland vieler sein, die die Flucht nach Europa ergreifen und derjenigen, die damit gute Geschäfte machen. Die Situation könnte nicht günstiger sein für sie.