Libyen: Migranten protestieren gegen Zustände im Lager
… und werden zusammengeschlagen. Gewalt in Triq al-Sikka führt vor, warum das Land "kein sicherer Hafen" ist
Die EU steckt in Libyen in der Bredouille. Die Wertegemeinschaft ist mitverantwortlich für einen Umgang mit Migranten, der haarsträubend ist, da sie Kräfte in Libyen unterstützt, die für diese Verhältnisse verantwortlich sind. Das ist zum einen die libysche Küstenwache, die Migranten in geschlossene Lager bringt, und zum anderen die Regierung Fajis al-Sarradsch, die zumindest für die Lager zuständig ist, in die aus Seenot gerettete oder aufgegriffene Migranten gebracht werden.
Zustände in Lagern wie Triq al-Sikka sind ein Beleg dafür, dass es in Libyen keinen "sicheren Hafen" gibt, da gerettete Menschen dort in lebensgefährliche Situationen geraten. Das Lager in der Hauptstadt Tripolis ist schon seit längerem berüchtigt; im September 2017 bezeichnete es ein BBC-Bericht als "Hölle". Daran hat sich nichts Wesentliches geändert, wie aktuelle Berichte zeigen.
Vergangene Woche kam es nach dem Besuch des niederländischen Botschafters am Dienstag zu Protesten im Lager Triq al-Sikka, in deren Folge eine Hundertschaft Polizisten herbeikommandiert wurde, die auf Migranten einprügelten, bis sie ohnmächtig wurden. Mehrere Migranten wurden nach den Protesten in andere Lager verbracht, was auch als Spurenverwischen interpretiert werden kann.
Denn im Zusammenhang mit der publik gewordenen Gewaltanwendung, die gestern von Hilfsorganisationen scharf gebrandmarkt wurde, wurde die Öffentlichkeit erneut auf unmenschlich harte Zustände aufmerksam gemacht. So werden festgehaltene Migranten in Kellerzellen gebracht, wo sie tage- oder möglicherweise gar wochenlang ohne Licht und schlecht versorgt ausharren müssen. Auch gibt es immer wieder Berichte von Folterungen.
Es kam bereits zu mehreren Selbstmorden in dem Lager, in dem sich laut UNHCRgegenwärtig etwa 400 Migranten aufhalten. Darunter stammen 200 der registrierten Migranten aus Eritrea, 100 sind Somalier, 53 sind Äthiopier und 20 kommen aus dem Sudan. Nach Informationen der irischen Journalistin Sally Hayden, die nach eigenen Angaben in Kontakt mit Migranten in den Lagern steht, sollen derzeit rund "30 Flüchtlinge, darunter 4 bis 6 Minderjährige" in diesen Kellerzellen festgehalten werden.
Sally Hayden dokumentiert die Verhältnisse, denen Migranten in Lagern in Libyen ausgesetzt sind, schon länger. Ihre Berichte und Kommentare dazu erscheinen bei al-Jazeera auch im Guardian. Viele Hinweise auf das, was auf der Rückseite des europäischen Außengrenzschutzes passiert, sind aber auch ihren Twitter-Kurznachrichten zu entnehmen.
Ihre Position ist durch eine Anteilnahme geprägt, die selten geworden ist. Die offizielle Politik hat das Thema nicht gerne, da es nach wie vor keine Lösungen gibt, die hat auch das kürzliche Gipfeltreffen zwischen der EU und der Arabischen Liga nicht erbracht.
Aufsicht, Einfluss und Kontrolle
Hayden stellt zwei Kernpunkte heraus, mit denen sich befassen muss, wer für das Zurückbringen von Migranten nach Libyen ist. Den öffentlichen Diskussionen nach zu urteilen, die Artikeln über den Einsatz von NGO-Schiffen vor der libyschen Küste folgen, gibt es viele, die dafür eintreten. Laut Hayden wurde ein großer Anteil der Festgehaltenen in Triq al-Sikka von der libyschen Küstenwache, die kürzlich vier neue Schiffe von Frankreich spendiert bekam, zurückgebracht.
Die Aufsicht über dieses Lager hat die libysche Regierungsbehörde zur Bekämpfung der illegalen Migration. Es sei de facto das Hauptquartier, so die irische Journalistin. Der zweite interessante Punkt ist, dass die EU überhaupt keinen Einfluss auf dieses Lager hat, obwohl sie in Sachen Migration der libyschen Regierung mehrere Millionen bezahlt.
Die Antwort, die der EU-Sprecher auf Haydens Hinweis zu den Umständen im Lager gibt, ist deutlich: Die offizielle Position der EU lautet, dass das Lager geschlossen werden müsste. Dazu kommt, wie dies auch in Berichten von Hilfsorganisationen angemahnt wird, das Problem, dass EU- wie auch UN-Vertretern ganz einfach der Zugang verweigert wird.
Das "Problem" hängt wie meist in Libyen mit Milizen zusammen, die möglichst viel Geld von allen Seiten einsammeln: von der Regierung und damit indirekt von der EU und von den Migranten, die gequält werden, um mehr Geld herauszupressen. Die Rückkehr, der einzige Weg, der den meisten Flüchtlingen offensteht, ist für viele ebenfalls mit großen Risiken verbunden.
Man hat eine Alternative aufgebaut. Die hat allerdings nur beschränkte Aufnahmekapazitäten. So lange die politischen Machtkämpfe anhalten und die Regierung auf dünnem Boden steht, wird sich grundsätzlich nichts Wesentliches ändern. Europa will vor allem Ruhe haben. Vor allem vor den anstehenden EU-Wahlen.