Linksfraktion blockiert G36-Untersuchungsausschuss

Bundeswehr kaufte das Gewehr trotz einer Einstufung als als "nicht truppenverwendbar"

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Am 22. April ordnete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an, dass alle 167.000 G36-Sturmgewehre der Bundeswehr ausgemustert werden. Grund dafür ist, dass die zu einem großen Teil aus aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigten Waffen deutlich an Zielgenauigkeit einbüßen, wenn sie heiß geschossen werden.

Hinweise auf eine "bedingte Einsatztauglichkeit" hatte die Bundeswehr bereits seit 1994. Damals wurde das von der baden-württembergischen Firma Heckler & Koch gefertigte Gewehr nach einem Praxistest als "nicht truppenverwendbar" eingestuft. Gekauft wurde es drei Monate später trotzdem. Einem Wehrtechniker, der nach der Einführung mehrmals schriftlich auf Probleme aufmerksam machte, erklärte man für verrückt.

Als 2012 Beschusstests die mangelnde Treffgenauigkeit nachwiesen, kam ein Ministerialrat in den Verdacht der Untreue. Ein Strafverfahren gegen ihn konnte damals abgewendet werden, nachdem ein Gutachten die Schuld auf die Munition schob. Als dieses Gutachten widerlegt wurde, war der Beamte schon im Ruhestand - und seine dienstlichen E-Mails gelöscht. Ein anderer Beamter im Verteidigungsministerium soll aus dem Dienst entfernt werden, nachdem herauskam, dass er sich einen Vorschlag von Heckler & Koch zu eigen gemacht hatte. Der Vorschlag sah vor, dass der MAD mit geheimdienstlichen Methoden Medien zum Schweigen bringt, die negativ über das G36 berichten.

G36K. Foto: Sgt. Keith A. Stevenson für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten.

Diese Vorgänge an den Schnittstellen von Wehrbürokratie und Wirtschaft sollte man nicht nur im Wehrausschuss behandeln, meinten die Grünen im Bundestag, und forderten einen Untersuchungsausschuss. Damit solch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, müssen aktuell 120 Abgeordnete dafür stimmen. Die Grünen haben nur 63, weshalb sie dafür die Stimmen der anderen Oppositionsfraktion brauchen: Die der Linken.

Die wollen dabei jedoch "vorerst" nicht mitmachen, wie ihr außenpolitischer Sprecher Jan van Aken gestern verlautbarte. Van Aken begründete diese Ablehnung mit der Bemerkung, er wolle "Aufklärung [und] keine Schauprozesse". Folgt man dieser Argumentation, dann müsste sich die Linke allerdings fragen lassen, warum sie anderen Untersuchungsausschüssen zugestimmt hat - zum Beispiel zu NSA und NSU.

Eine andere Erklärung wäre, dass die Firma Heckler & Koch (die zu Anfang der Affäre noch mit Abmahnungen drohte, wenn der Begriff "Mängel" im Zusammenhang mit dem Gewehr bloß erwähnt wurde) nicht nur gute Kontakte zu Beamten im Verteidigungsministerium und zu alten Westparteien pflegt.

Linksfraktion-Pressesprecher Hendrik Thalheim meinte gegenüber Telepolis allerdings, es gebe "keine Kontakte" vom Linkspartei-Bundestagsabgeordneten oder Mitarbeitern zur Firma Heckler & Koch. In anderen im Bundestag vertretenen Parteien hält man das für bedingt realistisch. Und auf Nachfragen hinsichtlich Einladungen, Werksbesichtigungen und Gewerkschaften schränkt Thalheim ein, es existierten "in jedem Fall keine Kontakte, die in Richtung Lobbyismus deutbar wären". Welche Kontakte es genau gibt und wie diese zu deuten sind, könnte vielleicht ein Untersuchungsausschuss klären - wenn es denn einen gäbe.

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