Linux implementiert US-Sanktionen: Jetzt auch Huawei-Entwickler betroffen
Der Linux-Kernel hat russische Entwickler verbannt. Tatsächlich reicht der Schritt jedoch viel weiter. Inzwischen sind auch Huawei-Entwickler betroffen.
Vergangene Woche war der Linux-Systemkern Teil weltweiter Aufmerksamkeit, als dessen Chefentwickler Linus Torvalds den Rauswurf von 12 russischen Mitarbeitern ankündigte.
Wie sich herausgestellt hat, richtete sich der Schritt dabei keineswegs nur gegen Russland, sondern es wurden umfangreiche extraterritoriale Sanktionen des US-Finanzministeriums implementiert. Die jetzt auch andere getroffen haben.
Die russischen Programmierer
Der Ausschluss wurde über einen Patch in der Kernel-Version 6.12-rc4 vollzogen, der die entsprechenden Entwickler aus der "Maintainers"-Datei strich, in der alle Betreuer des Kernels aufgeführt werden.
Die meisten der ursprünglich aus der Maintainer-Liste entfernten Programmierer arbeiteten an Treibern für Hardware von Unternehmen wie Acer, Cirrus und insbesondere Baikal, einem Unternehmen, das versuchte, in Russland entwickelte Arm-CPUs zu entwickeln und 2023 Konkurs anmeldete.
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Einer der betroffenen russischen Entwickler, Serge Semin, der anscheinend für das sanktionierte russische Technologieunternehmen Baikal arbeitete, veröffentlichte einen ausführlichen Abschiedsbrief an die Kernel-Liste, in dem er sich als "Freiwilliger und Hobbyist" beschrieb.
Ofac-Sanktionen jetzt Teil der Kernel-Policy
Vordergründig steht die Entscheidung in direktem Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, wie Torvalds selbst angab: "Ich bin Finne. Dachten Sie, ich würde die russische Aggression unterstützen?", erklärte Torvalds in einer ersten Reaktion auf die anschließende hitzige Debatte.
Torwalds gab an, sich nicht auf rechtliche Diskussionen einlassen zu wollen. "Ich bin kein Anwalt, daher werde ich nicht auf die Details eingehen, die mir – und anderen Betreuern – von Anwälten mitgeteilt wurden", sagte er. Kernel-Entwickler James Bottomley gab in einer Mailingliste am 24. Oktober jedoch bekannt, dass Torvalds Begründung nicht den Kern der Angelegenheit trifft, indem er den Wortlaut der neuen "Compliance-Anforderungen" veröffentlichte:
Wenn Ihr Unternehmen auf der Sanktionsliste des US-Amts zur Kontrolle von Auslandsvermögen (Ofac) steht, einem Ofac-Sanktionsprogramm unterliegt oder sich im Besitz bzw. unter der Kontrolle eines gelisteten Unternehmens befindet, unterliegt unsere Zusammenarbeit mit Ihnen Einschränkungen und Sie können nicht in die MAINTAINERS-Datei aufgenommen werden.
40 Huawei-Entwickler ebenfalls entfernt
Noch am selben Tag wurden offenbar auch andere Kernelentwickler als Maintainers entfernt, wie aus der Mailingliste hervorgeht.
Diese sind offenbar mit dem chinesischen Technologieunternehmen Huawei assoziiert, welches ebenfalls US-Sanktionen unterliegt. Kernelentwickler Quake Wang schrieb zur Begründung:
Einige Einträge wurden aufgrund verschiedener Compliance-Anforderungen entfernt. Sie können in Zukunft nicht wiederkommen, da Huawei von den meisten freiheitlichen Ländern der Welt sanktioniert wird.
Konkret geht es um 40 Entwickler, deren eMail-Adressen auf @huawei.com enden. Den Namen zu Folge handelt es sich vermutlich nicht nur um Chinesen. Ähnlich wie bei den russischen Entwicklern, dürfte die Auswahl auf Basis der Mail-Adressenendung erfolgt sein.
Laut dem Listeneintrag arbeiteten sie an verschiedenen Treibern für HiSilicon-Produkte, wozu beispielsweise Huaweis Kirin-Smartphone-Prozessoren zählen. Die meisten Huawei-Mobilgeräte setzen auf Android, das auf dem Linux-Kernel basiert. Wie andere Hersteller auch, ist das Unternehmen auf gute Treiberunterstützung angewiesen.
Die Entwicklung wirft ein Schlaglicht auf die Frage nach der Unabhängigkeit freier Software, da die Ofac-Sanktionen prinzipiell unilaterale US-Maßnahmen sind und keinen Beschlüssen internationaler Institutionen entsprechen.
Laut dem Fachportal ArsTechnica hat die in den USA ansässige Linux-Foundation bislang weiterhin nicht auf Anfragen zu den Vorgängen reagiert.