Lizenz zum ungehinderten Abhören

Im Senat wurden der NSA auch mit vielen Stimmen der Demokraten nun weitergehende Rechte als zuvor zum Abhören der Kommunikation zwischen Bürgern der USA und Menschen im Ausland eingeräumt

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Es ist erstaunlich, wie wenig Profil die Demokraten, die seit den letzten Wahlen die Mehrheit im Kongress halten, zeigen. Vor dem Gang in den Urlaub kam es zwar noch einmal zu heftigen Auseinandersetzungen im Kongress, der Senat ließ aber dann doch mit der großen Mehrheit von 60 zu 28 das Gesetz passieren, das das kurz nach dem 11.9. heimlich unter Umgehung der Gerichte eingeführte NSA-Lauschprogramm legalisiert und erweitert. Noch steht die Entscheidung des Repräsentantenhauses aus, aber der Druck vom Weißen Haus und die Notwendigkeit, sich für den Wahlkampf in Stellung zu bringen, lässt die Demokraten vermutlich auch dort davor zurückschrecken, als zu "weich" vor dem Terrorismus zu erscheinen.

Ein Urteil eines Sondergerichts hatte, wie sich erst vor kurzem herausstellte, die Möglichkeit der NSA eingeschränkt, ohne richterliche Genehmigung die Kommunikation von Verdächtigen im Ausland abzuhören, wenn sie über Verbindungen durch die USA stattfindet. Nach dem umstrittenen Präsidentenerlass hatte die NSA ohne richterliche Genehmigung Telefongespräche und Interverbindungen abhören dürfen, die zwischen einem Terrorverdächtigen im Ausland und einer Person in den USA stattfinden. Nach Aufdeckung des Lauschprogramms Ende 2005 und mit der demokratischen Mehrheit im Kongress wurde das Lauschprogramm dann wieder der gerichtlichen Genehmigung nach dem FISA-Gesetz durch die entsprechenden, geheim entscheidenden Sondergerichte unterstellt.

Das vor wenigen Monaten gefällte Urteil gefiel im Weißen Haus nicht, so dass man erheblichen Druck machte, unter dem Titel einer "Modernierung" die Ausnahmeregelung für die richterliche Genehmigung wieder einzuführen. Damit sollte die Möglichkeit genutzt werden, zumindest für dieses so genannte Terrorist Surveillance Program nachträglich eine legale Basis durch den Gesetzgeber zu erhalten. Die Demokraten wollten zwar einige Einschränkungen vornehmen, konnten dies aber offenbar nicht durchhalten, so dass die nun getroffene Entscheidung, wird sie vom Repräsentantenhaus bestätigt, der NSA eigentlich weitergehende Befugnisse als zuvor gibt. Musste nach dem Präsidentenerlass zumindest irgendwie belegt sein, dass einer der Kommunikationspartner ein Terrorverdächtiger sein könnte, so entfällt nun auch diese Einschränkung. Jetzt könnte die NSA die Telefongespräche und die Internetkommunikation zwischen Menschen in den USA und dem Ausland abhören. Ausdrücklich geht es auch nicht mehr nur um die Abwehr terroristischer Bedrohungen. Drohend hatte das Weiße Haus schon vier Punkte aufgeführt, die nicht verhandelt werden:

What Is Not Acceptable

  1. Some have proposed that the Government must obtain pre-approval from a court before it conducts critical surveillance of targets located overseas. This is unacceptable. The Government must be able to act immediately, particularly in the case of national security emergencies, to protect the Nation.
  2. Some have suggested that FISA must be reformed, but only to permit collection against certain overseas threats like al Qaeda terrorists. This is unacceptable. There are many threats that confront our Nation, including military, weapons proliferation, and economic, and we must be able to conduct foreign intelligence effectively on all of them.
  3. Some have suggested that we must wait to modernize FISA. This is unacceptable. Congress must act now to give our intelligence professionals the tools they need to uncover plots in time to protect our homeland.
  4. Some have suggested that a court order should be necessary before our intelligence professionals are able to gather any information about a foreign target who happens to contact someone in the United States frequently. This is unacceptable.

Unter Druck standen die Senatoren auch deswegen, weil der Präsident drohte, sie nicht in die Ferien zu entlassen, wenn er nicht zuvor ein Gesetz vorliegen habe, das er unterschreiben kann. US-Präsidenten können den Kongress zu Sondersitzungen einberufen, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Das Weiße Haus stellte denn auch die Möglichkeit, gleich und ohne richterlichen Beschluss abhören zu können, als absolut notwendiges Mittel für die nationale Sicherheit dar. Sonst könne man den Schutz der USA vor Terrorangriffen nicht gewährleisten. "Jeden Tag, an dem wir diese Genehmigung nicht haben, wissen wir nicht, was außerhalb des Landes vorgeht", machte ein hoher Mitarbeiter des Weißen Hauses geltend:

Man braucht nur eine Mitteilung etwa von Pakistan nach Afghanistan, die durch Seattle geroutet wird und sagt: "Ich mache eine Anschlag mit einer Lastwagenbombe in New York oder im Irak" – und schon ist es zu spät.

16 Demokraten stimmten mit dem unabhängigen Senator Lieberman, ehemals auch ein Demokrat, mit den Demokraten ab. Die Begründung von Lieberman ist symptomatisch: "We're at war. The enemy wants to attack us. This is not the time to strive for legislative perfection." Durchsetzen konnten die Gegner des Gesetzes einzig den Vorbehalt, dass es nach einem halben Jahr noch einmal überprüft werden muss. Gestört hat die übergelaufenen Demokraten offenbar auch nicht, dass das Lauschprogramm nur eines von mehreren ist, die vom Pärsidenten angeordnet worden und weiterhin unbekannt sind. Das Lauschprgramm war zufällig bekannt geworden und musste dann auch vom Weißen Haus offiziell bestätigt werden (Das NSA-Lauschprogramm war nur die Spitze des Eisbergs)

Nach Gregory Nojeim von der Bürgerrechtsorganisation Center for Democracy and Technology wird das Gesetz dazu führen, "dass Amerikaner, die mit einer Person im Ausland kommunizieren, einer Sache gewiss sein können: Die NSA wird mithören." Und Caroline Fredrickson von der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union fasst das Verhalten der Demokraten treffend so: Sie zeigen "einen Pawlowschen Reflex: Immer wenn der Präsident das Wort 'Terrorismus' sagt, rollen sie sich ein und stellen sie sich tot." Ganz ähnlich geht es in anderen Ländern bei denselben Themen zu, beispielsweise in Deutschland im Hinblick auf die Online-Durchsuchung.