Lobbyverband im CDU-Vorstand: Parteimitglied will notfalls klagen
Luke Neite greift Vorschläge aus dem Offenen Brief des Vereins LobbyControl an alle Parteimitglieder auf. Die CDU braucht aus seiner Sicht mehr Stimmen gegen den Rechtsdrall
Luke Neite lebt in Leipzig, ist Schauspieler und bisher nicht öffentlich als CDU-Mitglied in Erscheinung getreten. Nach eigenen Angaben trat er 2021 in der zweiten Jahreshälfte, aber noch vor der Bundestagswahl in die Partei ein, um Teil ihrer "Erneuerung" zu sein. Nun erwägt er, gegen das ständige Gastrecht des Lobbyverbands "Wirtschaftsrat der CDU" im Parteivorstand zu klagen.
Vergangene Woche hatte der Verein LobbyControl e. V. in einem Offenen Brief alle CDU-Mitglieder dazu aufgefordert, ihre Auskunftsrechte wahrzunehmen, "die Beendigung des rechtswidrigen Zustands" zu fordern und wenn nötig vor das Parteigericht zu ziehen. Der Wirtschaftsrat sei "anders als sein Name vermuten lässt – kein Parteigremium, sondern ein unternehmerischer Berufsverband".
Tatsächlich bezeichnet sich der Wirtschaftsrat auch selbst als "parteiunabhängig". Die Anwältin Roda Verheyen hatte im Auftrag von LobbyControl ein Gutachten erstellt, wonach der CDU-Bundesvorstand rechts- und satzungswidrig zusammengesetzt ist, solange der Wirtschaftsrat als ständiger beratender Gast an dessen Sitzungen teilnimmt.
Die Juristin beruft sich in dem Gutachten auf Paragraph 11 des Parteiengesetzes, wonach dem Vorstand "Abgeordnete und andere Persönlichkeiten aus der Partei kraft Satzung angehören, wenn sie ihr Amt oder ihr Mandat aus einer Wahl erhalten haben", sowie auf die Satzung der CDU, in der der Wirtschaftsrat nicht erwähnt wird.
Innerparteiliches Demokratieproblem
Luke Neite betonte am Mittwoch im Gespräch mit Telepolis, dass einfache Mitglieder der CDU nicht gefragt würden, ob und durch wen der Wirtschaftsrat im Parteivorstand vertreten sein soll. "Alle willensbildenden Organe müssen in den Parteistatuten genannt werden – der Wirtschaftsrat wird nicht genannt." Die Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat sei auch nicht an eine Parteimitgliedschaft gebunden, so Neite. Auf den Offenen Brief hin habe er sich bei LobbyControl gemeldet und einen Antrag auf Dokumenteneinsicht bei seiner Partei gestellt.
Glaubt der knapp 30-Jährige wirklich an die Erneuerung dieser Partei oder will er sie nur als hoffnungslosen Fall vorführen? Letzteres direkt zu fragen, hätte wenig Sinn. Die CDU wäre auch in diesem Fall schlecht beraten, mit Mobbing und Ausgrenzung zu reagieren. Doch was verspricht sich ein junger Mann aus dem von der "schwarz-roten" Koalition in der Corona-Krise eher stiefmütterlich behandelten Kulturbereich sonst von einer Unionspartei?
Trotzdem "wichtige Stütze der Demokratie"?
Die CDU sei "eine wichtige Stütze der Demokratie" und brauche jetzt besonders dringend "junge Stimmen", um den Herausforderungen der Klimakrise gerecht zu werden und sich klar gegen Rechtsextremismus zu positionieren, beschreibt Neite seine Motivation. "Die Parteien der Mitte brauchen eine Stärkung gegen Rechtsextremismus", sagt er. Das gelte besonders für die CDU, da die Gefahr bestehe, dass sie durch Zusammenschlüsse wie die Werteunion "von rechts unterlaufen" werde.
Erst im Zuge der Mitgliederbefragung für den CDU-Vorsitz habe er sich auch intensiver mit dem Wirtschaftsrat beschäftigt. Dass dessen Präsidentin Astrid Hamker ungewählt im Parteivorstand sitzt, verstößt aus seiner Sicht gegen demokratische Prinzipien innerhalb der Partei. Vielleicht lasse sich dieser Konflikt aber auf dem Parteitag am kommenden Wochenende "auf demokratischem Weg" lösen und ohne eine Klage beenden.
Das könnte schwierig werden, denn der Wirtschaftsrat gilt als Machtbasis des designierten Parteichefs Friedrich Merz, der bis November 2021 Vizepräsident des Wirtschaftsrats war. Zu den Vorwürfen von LobbyControl hat sich die CDU beziehungsweise deren Vorstand bis zum heutigen Mittwochnachmittag nicht geäußert.