Wirtschaftsrat der CDU: ziemlich beste Freunde
Dauergast im Parteivorstand: Der Verein Lobbycontrol hat ein Gutachten zur Verstrickung des Lobbyverbands in CDU-Strukturen veröffentlicht und hält sie für rechtswidrig
Wenn sich ein Gremium einerseits "Wirtschaftsrat der CDU" und andererseits "parteiunabhängig" nennt, wirft das Fragen auf. Nach "Hä?" und "Muss ich eigentlich besonders links sein, um das merkwürdig zu finden?" könnte zum Beispiel gefragt werden, wer von wem abhängiger ist.
"Die Wirtschaft" oder bestimmte Kapitalfraktionen können schließlich auch in anderen Parteien oder deren Umfeld vor sich hin lobbyieren und Einfluss nehmen – sie sind nicht zwangsläufig auf eine angeschlagene CDU in der Opposition angewiesen.
Als kleinste Oppositionspartei im Bundestag wirbt Die Linke sogar damit, als einzige dort vertretene Partei keine Spenden von Konzernen und Lobbyisten anzunehmen, ist aber momentan auch nur die kleinste Oppositionspartei und wird wohl auch aufgrund ihres Programms weniger von Großkonzernen umschwärmt.
Die Machtbasis des Friedrich Merz
Allerdings gibt es legale und rechtswidrige Formen der Einflussnahme – beziehungsweise der Gewährung von Einfluss durch die Parteien. Und die CDU ist nach Ansicht des Vereins LobbyControl immer noch "Player" genug, um in ihrem Fall genauer hinzuschauen. Zumal der designierte Parteichef Friedrich Merz bis November 2021 Vizepräsident des Wirtschaftsrats war.
Seinen Posten als Aufsichtsratschef des Vermögensverwalters BlackRock in Deutschland hat er für sein Comeback auf der politischen Bühne bereits 2020 niedergelegt. Auf dem digitalen Parteitag am 22. Januar soll Merz offiziell zum CDU-Vorsitzenden gewählt werden.
Zehn Tage vor dieser Wahl hat LobbyControl ein Rechtsgutachten der Anwältin Dr. Roda Verheyen veröffentlicht – der Parteivorstand der CDU ist demnach rechts- und satzungswidrig zusammengesetzt, weil der Wirtschaftsrat, der wie LobbyControl als eingetragener Verein firmiert, "als Dauergast im Parteivorstand privilegierte Zugänge ins Machtzentrum der Partei genießt".
Diese Praxis widerspreche den demokratischen Grundsätzen des Parteiengesetzes, erklärte LobbyControl am Mittwoch. Die CDU müsse dem Wirtschaftsrat seine Sonderrechte entziehen.
Die CDU wollte sich auf Presseanfragen zu dem Gutachten am Mittwoch zunächst nicht äußern, da es ihr nicht vorab zur Verfügung gestellt worden sei. Am Freitag erklärte eine Sprecherin gegenüber Telepolis, es werde dazu wahrscheinlich keine Stellungnahme mehr geben, man könne aber jederzeit Anfragen per E-Mail stellen.
Laut LobbyControl hatte sich die CDU bislang darauf berufen, dass keine "institutionalisierte Verbindung" zwischen Wirtschaftsrat und Partei bestehe – tatsächlich hatten aber die Präsidentinnen und Präsidenten des Wirtschaftsrats den Status eines beratenden Dauergastes im Parteivorstand, zwar ohne Stimmrecht, aber mit Rederecht.
In dieser Funktion waren sie auch jahrelang auf der CDU-Webseite als Vorstandsmitglieder zu sehen. Noch im Frühjahr letzten Jahres hatte ein Parteisprecher laut LobbyControl diesen Status bestätigt.
Mit "Vertretung von speziellen Lobby-Interessen nichts zu tun"
Der Wirtschaftsrat wiederum sieht zumindest für sich kein Problem und verwies auf Anfrage von Telepolis zunächst auf die CDU. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung bestätigte ein Sprecher des Wirtschaftsrats allerdings noch am Mittwoch, seine Verbandspräsidentin Astrid Hamker sei wie ihre Vorgänger an der Spitze des Verbandes bei der CDU "als Gast eingeladen, um ihren unternehmerischen und wirtschaftspolitischen Sachverstand in den über 60-köpfigen Bundesvorstand einzubringen".
Sie besitze dort kein Stimmrecht und ergreife "nur regelmäßig in wirtschafts- und europapolitischen Debatten das Wort". Das habe "mit der Vertretung von speziellen Lobby-Interessen nichts zu tun".
Die CDU gibt sich jedenfalls auch auf der Oppositionsbank Mühe, die Interessen "der Wirtschaft" – gemeint sind in der Regel bestimmte Kapitalfraktionen und im Zweifel eher die fossilen – zu vertreten.
So forderte zuletzt die CDU-Abgeordnete und ehemalige Agrarministerin Julia Klöckner im Bundestag mehr Wertschätzung für "die Wirtschaft" und monierte, der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck spreche zu viel übers Klima. "Wo Wirtschaftsminister draufsteht, muss auch Wirtschaftsminister drin sein", forderte sie. Habecks Ressort heißt aber nun tatsächlich Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
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