Lockdowns vs. Lieferketten II
Anders als im Frühjahr spricht im Winter kaum jemand mehr von einer "De-Globalisierung"
Die "Angebotsstörungen", vor denen Ökonomen bei den ersten Lockdowns im Frühjahr gewarnt hatten, wenn "globale Lieferketten" anlässlich der Sars-Cov-2-Pandemie unterbrochen werden, blieben bis auf kurzzeitig ausverkaufte Klopapierrollen, Nudelpakete und andere haltbare und weniger haltbare Lebensmittel weitgehend aus. Ob sie nun mit den zweiten, dritten oder weiteren Lockdowns folgen, ist unklar.
Knapper Frachtraum
Von einer im Frühjahr debattierten "De-Globalisierung", einem Zurückschrauben der internationalen Arbeitsteilung, wollen europäische Unternehmen aber wenig wissen. Nicht nur aufgrund der Preisunterschiede, sondern auch, weil ein Lockdown in der Nachbarschaft die Lieferkette ebenso unterbrechen kann wie einer in Fernost. In der Autoindustrie, die ihre ausländischen Teile vor allem aus Tschechien, Polen und Frankreich bezieht, und bei der China erst an vierter Stelle folgt, versucht man stattdessen mit Blockchain-Technologie Frühwarnsysteme wie die BMW-PartChain einzurichten.
In Asien hielten sich die Zulieferprobleme bei der Fertigung bislang ebenfalls in Grenzen. Das mit Abstand größte Problem, das dort bekannt wurde, ist nicht den Sars-Cov-2-Viren geschuldet, sondern amerikanischen Sanktionen, die zeitweise die Lieferung von Chips aus Taiwan und Südkorea an Huawei verboten. Der chinesische Konzern hat darauf bereits reagiert und in einer für deutsche Bürokratieverhältnisse unglaublichen Geschwindigkeit eine nun fertige 200.000 Quadratmeter große neue Chipfabrik errichtet.
Weil nach der schnellen Erholung in Asien und der unerwartet ungebrochenen Nachfrage in Europa Lieferungen aus der Zeit nachgeholt werden, als in Fernost strengere Lockdowns herrschten, ist jedoch der Frachtraum auf den Schiffen knapp geworden. Die Bahnstrecken sind trotz der chinesischen Neue-Seidenstraße-Bemühungen bei weitem noch nicht so ausgebaut, dass sie hier für spürbare Entlastung sorgen könnten (vgl. Neue Seidenstraße eröffnet) - und ein Transport mit Frachtflugzeugen würde viele Kalkulationen sprengen.
Verstärkte Nachfrage nach Unterhaltungselektronik, Fitnessgeräten und Möbeln
Lars Jensen vom dänischen B2B-Logistiker Maersk spricht gegenüber der Financial Times bereits von einem "Teufelskreis" aus "Staus" an den Terminals. Der zwingt Containerschiffe dazu, immer mehr Zeit wartend in Häfen zu verbringen, anstatt Wege zurückzulegen, was die Frachtkapazitäten weiter verringert. Frachtlinien wie CMA-CGM nehmen deshalb aktuell gar keine neuen Aufträge mehr an. Rolf Habben Jansen, der Vorstandschef des B2B-Logistikers Hapag-Lloyd, warnt deshalb vor längeren Lieferfristen für im Lockdown besonders gefragte Waren wie Unterhaltungselektronik, Fitnessgeräte und Möbel.
Wenn Läden aufgrund von Lockdowns zusperren müssen, dann führt das nämlich nicht unbedingt zu einem Sinken der Nachfrage. Womöglich wird zwar das eine oder andere Geschenk nicht gekauft, wenn man weniger Personen persönlich treffen darf - aber viele Menschen weichen auf Online-Händler aus, die die Optionen für Geschenkverpackungen mit Glückwünschen und eine Auslieferung über DHL, Hermes, GLS, DPD oder eigene Lieferanten anbieten.
Belastungsgrenze erreicht oder überschritten?
Bei den deutschen Logistikunternehmen ist man mit Auskünften dazu eher sparsam und meint beispielsweise bei DHL lediglich, dass es "aufgrund der aktuell hohen Paketmenge und der verstärkten Corona-Schutzmaßnahmen […] in einigen Fällen zu Verzögerungen bei der Auslieferung [einer] Sendung kommen" kann. Konkretere Auskünfte gab die österreichische Post dem Kurier: Sie erwartet in diesem Jahr im Vergleich zum letzten eine Steigerung von 127 auf 160 Millionen Pakete.
Alleine in den letzten Tagen wurden in der Alpenrepublik mit 8,86 Millionen Einwohnern bis zu 1,3 Millionen Pakete täglich transportiert. Während der österreichische Post-CEO Georg Pölzl deshalb von einer Arbeit "an der Belastungsgrenze" spricht, ist diese für die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) bereits weit überschritten, auch wenn zusätzlich 1.300 Mitarbeiter neu eingestellt wurden.
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