Lucke verlässt AfD
Der Ex-Chef und Parteimitbegründer der AfD, Bernd Lucke, will am Freitag die Partei verlassen und kündigt einen Neustart an
Die eigene Partei ist ihm nun fremd geworden: Am Freitag will der Ex-Chef und Mitbegründer der "Alternative für Deutschland" (AfD), Bernd Lucke, offiziell mit anderen Noch-Parteifreunden aus der AfD austreten. Er wolle nicht als bürgerliches Aushängeschild für Vorstellungen missbraucht werden, die er ablehne, begründete der 52-jährige Wirtschaftsprofessor am Mittwochabend in Straßburg. "Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten", sagte Lucke. Unter dem Label "Neustart 2015" plant man offenbar die Neuauflage einer "seriösen Alternative".
Lucke schrieb in einer Erklärung, er habe "zu spät erkannt […], in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen." Auf dem Parteitag in Essen (Die AfD will (nicht) rechts sein) sei "in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr diese Mitglieder inzwischen in der Mehrheit sind und von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei sogar noch aufgeputscht werden". Zudem teilte Lucke mit, die Partei sei "unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen. Bewährte und vernünftige Mitglieder verlassen in vierstelliger Größenordnung die Partei."
Drastischer formulieren ursprüngliche "Weckruf"-Anhänger auf der Website ihres neuen Projektes. Die AfD sei "in die Hand von Demagogen und Wutbürgern gefallen, die mit offen islamfeindlichen, antiwestlichen, nationalistischen und latent ausländerfeindlichen Parolen Stimmung machen. Das widert uns an. Deshalb haben wir die AfD verlassen." Man wolle nun "die rechten Phrasendrescher, die Verschwörungstheoretiker, die Querulanten, Intriganten und Karrieristen […] achtlos zurücklassen".
Laut jenen "Neustart 2015"-Kreisen sollen bis zu 2.000 Personen ihren Parteiaustritt vollzogen oder angekündigt haben. Von jenen 2.000 sollen laut Zeit Online rund 1.500 eine Parteineugründung befürworten. Nach Auskunft der AfD sollen bis Mittwoch rund 600 Mitglieder ausgetreten sein. Allerdings verwiesen einige Landesverbände darauf, dass austretende Mitglieder sich teilweise auch an die Landesverbände gewendet hätten und die in der Berliner Parteizentrale noch zu erwartende Gesamtzahl höher sein werde.
Am vergangenen Wochenende war Lucke auf dem AfD-Parteitag bei der Vorstandswahl Frauke Petry unterlegen. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland bedauerte nun die Ankündigung von Lucke, die AfD verlassen zu wollen. Er habe sich "gewünscht, dass er dabei bleibt und um seine Ansichten in der Partei kämpft", wird Gauland in Medienberichten zitiert. Dass Lucke mit der möglichen Gründung einer neuen Partei Erfolg haben könnte, glaubte Gauland demnach nicht. "Bernd Lucke ist wirklich kein guter Parteiführer", sagte der Brandenburger AfD-Landesvorsitzende. Lucke habe sich immer nur im Mittelpunkt sehen wollen.
Lucke selbst kritisierte in einer tiefer gehenden Erklärung zudem, dass in der AfD derzeit eine Stimmung herrsche, die die "ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung […] in ihr Gegenteil verkehren" würde. Dazu zählten "antiwestliche, dezidiert prorussische" Meinungen, "die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußert, während gleichzeitig die russische Politik vehement verteidigt wird".
Überdies kursierten Theorien, die "die Souveränität Deutschlands abstreiten, indem auf ein angeblich fortbestehendes Besatzungssystem oder Machenschaften amerikanischer Verschwörerkreise verwiesen wird", so Lucke. Er und weitere nunmehr ehemalige AfD-Abgeordnete im EU-Parlament wollen offenbar ihre Mandate weiterhin wahrnehmen - nur eben nicht für die AfD.