Luftnummer Euro Hawk
Laut Medienberichten stellt die Bundeswehr das Drohnenprojekt ein, weil Sicherheitsysteme fehlen. Angebliche Kosten des Projekts: 1,3 Milliarden Euro. Update
Schaut man sich die längere Absturzliste von Unbemannten Luftfahrzeugen an, die auf der britischen Webseite Drone Wars veröffentlicht ist und bis Januar dieses Jahres aktualisiert wurde, so kann man verstehen, dass die Flugsicherung an Drohnen bestimmte Anforderungen stellt, wenn diese für den "Betrieb im zivil kontrollierten Luftraum" vorgesehen sind. Auch der Typ Global Hawk RQ-4, der so groß ist wie ein Passagierjet, ist auf der Crash-Liste zu finden.
Auf diesem Typ, hergestellt von Northrop Grumman, basiert die Aufklärungsdrohne Euro Hawk. Die Bundeswehr hat bislang ein Testflugzeug dieses Modells gekauft; es sollten vier weitere gekauft werden, berichtet die Tagesschau. Doch laut Informationen aus dem Verteidigungsministerium werde es "keine weiteren Beschaffungen geben". Begründet werde dies mit "zu hohen Kosten", die für eine luftverkehrsrechtliche Zulassung anfallen würden. Selbst wenn das Verteidigungsministerium dazu bereit sei, die Summe von mindestens 600 Millionen Euro für die luftverkehrsgerechte Aufrüstung zu berappen, sei eine Zulassung nicht garantiert.
Geht es nach Informationen der ARD, so hat der Staat bislang bereits 600 Millionen Euro für das Projekt Euro Hawk ausgegeben. Der geplante und nun abgesagte Kauf der anderen vier Drohnen hätte weitere 517 Millionen gekostet. Das lässt auf einen Verkaufspreis pro Drohne von etwa 130 Millionen schließen und lässt die Möglichkeit offen, dass die bisherigen Ausgaben von 600 Millionen zu einem größeren Teil in die Aufklärungssensorik gesteckt wurden. Eine Investition, die eventuell auf andere Projekte übertragen werden könnte. Die Bundeswehr wolle die, von EADS entwickelte, Sensortechnik für den "Euro Hawk" behalten und eine "neue Plattform", ein anderes Fluggerät, dafür suchen. Das ist die mildere Lesart eines hunderte Millionen schweren Debakels.
Die in markanten Punkten schärfere Sichtweise auf einen verschwenderischen Pfusch in Milliardenhöhe liefert dazu ein Bericht der FAZ. Geht es nach deren Informationen, die von einem ungenannten Verteidigungspolitiker und Luftfahrtexperten stammen, so hat die Bundeswehr schon ingesamt etwa 1,3 Milliarden Euro in das Projekt investiert und das Scheitern seit zehn Jahren voraussehen können: Denn den Behörden und Ämtern, die mit dem Euro Hawk-Projekt befasst waren, sei seit diesem Zeitraum bekannt, "dass sich die Hindernisse, die einer Zulassung entgegenstehen, kaum beseitigen lassen".
Obwohl laut Fachleuten schon bei einer Präsentation der Drohne darauf hingewiesen wurde, dass sie nicht über ein Sense and Avoid-System verfüge, habe die Luftwaffe den Kauf des UAV mit "großem Nachdruck" betrieben. Über die Gründe lässt sich spekulieren. Dachten die Militärs, dass Regeln für die zivile Luftfahrt für sie nicht gelten? Standen den Falken vor lauter Drohnenbegeisterung die Tränen in den Augen? Waren sie Northrop Grumman verpflichtet? Dachten sie, dass die Forschung zu Sense and Avoid-Systemen bei UAVs schnellere Fortschritte macht?
Man hätte aber doch wissen müssen, dass ein solches System für den Betrieb "im zivil kontrollierten Luftraum Deutschlands und von 190 weiteren Ländern der Erde, die Mitglieder der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) sind", vorgeschrieben ist. Die Drohne hätte ohne dieses Sicherheitssystem nur "Ozeane, Alaska oder Grönland" überfliegen können, konstatiert der Zeitungsbericht.
[Update]: Ein später in der FAZ erschienener Bericht korrigiert die 1,3 Milliarden Euro Kosten nach unten. Nun ist nicht mehr von gut einer Milliarde Euro, die "versenkt wurde, die Rede, sondern von "hohen Kosten" in Höhe von nur mehr 250 Millionen Euro - und einem "gescheiterten Kauf".
Ähnlich wie hier beim Tagesschau-Artikel als "milde Lesart" ausgeführt wurde, wurden bei dem kostenkorrigierenden FAZ-Artikel die Investitionen in die Aufklärungselektronik nicht als verloren angerechnet. Das ist eine optimistische Ansicht.
Darüber hinaus heißt es, dass man bei dem ausgemachten Kauf der vier weiteren Drohnen "eine Reißleine" ziehen konnte, angeblich ohne "Stornierungs-" oder Entschädigungskosten, weil Northrop Grumman verabredete Zusicherungen nicht einhalten habe können. Dass die Verantwortlichen im Verteidigungsressort die Flug-Zulassungen nicht im Blick hatten, wird nicht erklärt