Maas stellt 50 Justizministeriumsmitarbeiter für Durchsetzung des NetzDG ab
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat angekündigt, die FDP wolle dafür "kämpfen", dass das Social-Media-Zensurgesetz das am kürzesten gültige Gesetz in der Bundesrepublik wird
Gestern trat das "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" (NetzDG) benannte Social-Media-Zensurgesetz der ab dem 24. Oktober nur noch geschäftsführend amtierenden alten Bundesregierung formell in Kraft (vgl. "Facebook-Gesetz" in Kraft getreten). FDP-Generalsekretärin Nicola Beer verlautbarte dazu auf Twitter im 140-Zeichen-Telegrammstil: "Werden darum kämpfen, dass es Gesetz mit kürzester Gültigkeitsdauer wird."
Dort und in anderen Sozialen Medien gaben sich viele User skeptisch, ob das Gesetz (das die Grenzen der Meinungsfreiheit von profitorientierten Unternehmen ziehen lässt und bei einer Anhörung im Bundestag von acht der insgesamt zehn Sachverständigen für verfassungswidrig erklärt wurde) bald Geschichte sein wird. Oliver Gorus fragte beispielsweise: "Was heißt kämpfen konkret? Drüber reden oder juristische Schritte einleiten? Auf welchem Wege wollen Sie das tun?" Für Dushan Wegner ist der "Kampf" dagegen einfach: "Zur Bedingung für [eine] Koalition machen." Ob das die FDP tatsächlich tut, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
Mehr Plattformen als erwartet
Justizminister Heiko Maas hat den Informationen des Spiegel nach währenddessen ungefähr 50 Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums zur Durchsetzung dieses Gesetzes abgestellt. Die Hälfte davon soll damit bereits diese Woche beginnen. Dem Nachrichtenmagazin zufolge trifft das Gesetz "mehr Plattformen als erwartet": Nicht nur bei Facebook, YouTube und Twitter, sondern auch bei Reddit, Tumblr, Flickr, Vimeo, VKontakte und Gab soll kontrolliert werden, "ob sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten" (vgl. Nach dem NetzDG).
Das begründet das Bundesjustizministerium damit, dass es "für alle Plattformen, die die gesetzliche Definition des sozialen Netzwerks erfüllen" eine Pflicht gebe, Ansprechpartner in Deutschland zu benennen." Von wem man das konkret fordere, liege im "Ermessen des Bundesamts für Justiz." Wer die Netzwerke mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland sein werden, für die ab dem 1. Januar 2018 zudem eine Pflicht zum Sofortlöschen gelten soll, weiß das Justizministerium angeblich noch nicht und meint, "erst nach Aufnahme der Ermittlungstätigkeiten" werde es "möglich sein, zu dieser Frage eine abschließende Aussage zu treffen."
Vollendete Tatsachen
Bei Facebook baut man bereits seit August eine Zensurinfrastruktur mit 500 neuen Beschäftigen auf - darunter ein eigenes "Team für die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden", das nach Angaben des Konzerns "weitestgehend aus ehemaligen Mitarbeitern von Strafverfolgungsbehörden" besteht (vgl. Facebook vergrößert sein Löschteam in Deutschland). Bei Twitter begann die Zensurwelle ebenfalls bereits vor dem Inkrafttreten des NetzDG. Betroffene berichten von Accounts, die zwar von außen sichtbar, aber für sie selbst weitgehend gesperrt sind. Pauschale Hinweise auf Tweets, die angeblich gegen Nutzungsbedingungen verstoßen, lassen offen, um welche es sich dabei konkret handelt. Und auf Rückfragen gibt es nach Angaben betroffener Nutzer regelmäßig keine Reaktion.
Ob die neu einzurichtenden Beschwerdestellen daran etwas ändern werden, ist insofern zweifelhaft, als sie dem NetzDG nach nicht für die Beschwerden gesperrter, sondern für die über "Hate Speech" und "Fake News" empörter Nutzer zuständig sein sollen. Die Anfragen zum Entfernen von Inhalten, für die die Sozialen Netzwerke" dem Justizministerium nach ihre neuen Ansprechpartner schaffen sollen, kamen den vom prominenten Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel vertretenen Sperropfern von Einzelfallinfos nach im zweiten Halbjahr 2016 zu 90 Prozent jedoch nicht von einfachen Nutzern, sondern von "Jugendschutz.net", einem auf Druck des Justizministers eingesetzten "vertrauenswürdigen Partner" von Twitter.