Machtkampf im Iran: Warum Proteste noch keine Revolution sind

Seite 2: USA, Israel könnten Umsturz instrumentalisieren

Ganz im Gegenteil hatte sich sehr bald das Heer der Soldaten der antimonarchistischen Volksbewegung angeschlossen. Heute ist umgekehrt eine mindestens millionenstarke religiöse Zivilbevölkerung, die auch materiell die Hauptprofiteure der islamischen Republik sind, jederzeit bereit, mit der Waffe in der Hand ihr Leben zu opfern und den Sturz des Systems zu verhindern.

Unter Berücksichtigung dieser Realität riskieren die "Straßenanführer", ob es ihnen bewusst ist oder nicht, nichts weniger als einen Bürgerkrieg, den das militärische mächtige Regime allemal gewinnen und das Überleben ihres Systems sogar auf weitere Jahrzehnte festigen könnte.

Die despotisch herrschende Theokratie der Islamischen Republik ist nicht mehr reformierbar, sie verkörpert eine grassierende Korruption, tiefgreifende Inflation, Macht- und Einkommensungleichheit, eine – wie ich sie beschreiben würde – merkantilistische, d.h. auf einem ausbeuterischen Bündnis fußenden Ökonomie zwischen Großhändlern und Theokratie.

Diese Großhändler sind auf Importe von Fertigprodukten und Exporte von Rohstoffen ausgerichtet und blockieren die Möglichkeit einer umfassender Industrialisierung und Binnenmarktentwicklung. Die Herrschenden der islamischen Republik haben allein wegen ihres dysfunktionalen Managements von Wirtschaft und Verwaltung bei dem überwiegenden Teil der Bevölkerung längst keine Legitimität mehr. Ihnen geht es inzwischen nur noch um die eigene Fortexistenz, sei es auch mit nackter Gewalt.

Andererseits ist ein Sturz der iranischen Führung – wenn er überhaupt so ohne weiteres möglich wäre – mit der Gefahr verbunden, dass die USA, Israel und deren arabische Verbündete ihn instrumentalisieren, um den Mittleren Ostens zu destabilisieren oder gar das Land territorial aufzulösen oder in mehrere Teile zu spalten.

Immerhin hat die Islamische Republik zweifelsohne zur relativen Stabilität des Mittleren Ostens beigetragen, den islamischen Staat zurückgedrängt sowie verhindert, dass Syrien das Schicksal Libyens ereilen wird und Irak in mehrere Teile zerfällt. Jedwede interne Veränderung müsste daher der Tatsache der regional stabilisierenden Funktion des Irans Rechnung tragen. Der Iran ist unbestritten das geopolitisch wichtigste Land im Mittleren Osten.