Macron und von der Leyen in China: "Bedingungen für ein gesundes Engagement"
Der französische Präsident braucht außenpolitischen Erfolg und von der Leyen kann bei der Nato punkten. Französische Unternehmer hoffen auf Verträge; die EU-Kommissionspräsidentin ist auf "De-Risking-Misson".
Es sei weder machbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in einer Rede, die deutlich Wert auf einen politisch-moralischen Anspruch legte. Es geht ihr darum, "Bedingungen für ein gesundes Engagement" mit dem "systemischen Rivalen" klar festzulegen.
Von der Leyen soll morgen in Peking ankommen, wo sie erstmal in der US-Botschaft frühstücken wird, um dann erst den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang zu treffen und anschließend Staats- und Parteichef Xi Jinping. Das setzt ein Zeichen, so die FAZ. Der Schulterschluss mit Amerika sei der Kommissionspräsidentin wichtig.
Es ist nicht das einzige Zeichen bei diesem Treffen, etwa drei Wochen nach dem viel beachteten Besuch des chinesischen Staatschefs bei Putin in Moskau. Von der Leyen tritt die Reise auf Einladung des französischen Präsidenten Macron an, dem sie 2019 maßgeblich ihren Posten zu verdanken hatte.
Ebenfalls zur Reise eingeladen sind 60 Chefs französischer Unternehmen: Darunter Airbus, Alstom, Club Med, Danone, EDF, L'Oréal, Michelin, Orano, Safran, Suez, Ubisoft und Veolia. Sie alle wollen den Besuch Macrons nutzen, um das chinesische Geschäftsumfeld nach Covid einzuschätzen, so die französische Publikation Le Vent de la Chine.
Dort wird angemerkt, dass die französischen Exporte zurückgehen. 2022 gab es den Megaauftrag von Airbus (Volumen 37 Milliarden US-Dollar), die Luxusgüter verkauften sich nach wie vor gut, aber alles andere ging zurück. Die Importe aus China stiegen.
Macron dokumentiert mit seiner französischen Reisebegleitung also ein größeres geschäftliches Interesse. Es ist ein traditionelles Rezept von innenpolitisch angeschlagenen Präsidenten der 5. Republik, das Thema auf Außenpolitik zu lenken.
Und Macron kann, wenn es um französisch-chinesische Beziehungen geht, auf De Gaulle verweisen. Der "lange Mann", chinesisch Dài Gāo Lè, war der erste westliche Präsident, der 1964 das kommunistische China anerkannte und damit einigen Wirbel in den transatlantischen Beziehungen auslöste.
Es ist die Distanz zur Nato, die De Gaulle eine Reputation eintrug, die Macron politisch kapitalisieren will. Damit ist er für Peking ein westlicher Gesprächspartner, der aus einer besonderen Position sprechen kann. Ob er damit, wie es französische und deutsche Medien berichten, Peking zu einer entschiedeneren Haltung gegenüber Russland bringen kann, das die Ukraine militärisch überfallen und mit Krieg überzogen hat – was gegen alle von China verlautbarten Prinzipen der internationalen Beziehungen verstößt –, ist zumindest auf kurze Frist unwahrscheinlich. Er wird sich auf Pragmatisches konzentrieren.
Aber seine Begleiterin, die die EU vertritt und seit Kurzem auch als Kandidatin für die Nachfolge des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg gehandelt wird, kann da mit einem anderen Repertoire in die Gespräche gehen. Good cop, bad cop war zur Rollenaufteilung zu lesen. Die Rede von der Leyens setzte dazu moralische Richtwerte:
Wir müssen in diesem Punkt ganz offen und ehrlich sein. Chinas weitere Positionierung gegenüber Putins Krieg wird ein entscheidender Faktor für die künftigen Beziehungen zwischen der EU und China sein. (…) Wir unterstreichen auch die Bedeutung von Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße. Jede Schwächung der regionalen Stabilität in Asien, der am schnellsten wachsenden Region der Welt, beeinträchtigt die globale Sicherheit, den freien Handel und unsere eigenen Interessen in der Region. (…) Wie China seinen internationalen Verpflichtungen in puncto Menschenrechte nachkommt, wird ein weiteres Kriterium dafür sein, wie und in welchem Umfang wir mit China zusammenarbeiten können. So wie China militärisch aufgerüstet hat, hat es auch seine Politik der Desinformation und des wirtschaftlichen und handelspolitischen Drucks forciert.
Ursula von der Leyen
Welchen Effekt das auf China hat, ist offen. "Diese Rede enthielt viele falsche Darstellungen und falsche Interpretationen von chinesischer Politik und chinesischen Positionen", zitiert die FAZ den chinesischen Botschafter bei der EU.
Als mögliche Erfolge werden dort aufgezählt: Dass es zu einem Gespräch zwischen Selenskyj und Xi Jinping kommt und dass das Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China wieder vom Eis geholt wird. Diese Hoffnung wird auch in Handels- und Wirtschaftszeitungen geäußert.