Mainzer-Studie: Vertrauen in deutsche Medien bleibt geteilt
Beobachtet wird eine vorläufige Konsolidierung des Vertrauens und Misstrauens in die Medien. Es zeigt sich eine wachsende Kluft in der Gesellschaft.
Das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien bleibt geteilt. Das geht aus der neunten Befragungswelle der Langzeitstudie Medienvertrauen der Universität Mainz hervor, die im November und Dezember 2023 durchgeführt wurde.
Erhoben hat die Studie das Meinungsforschungsinstitut Verian (früher Kantar Public), finanziell unterstützt wird sie von der Bundeszentrale für politische Bildung, bundesweit wurden 1.200 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren befragt.
Schwankendes Medienvertrauen in Post-Pandemie Deutschland
Die Studie zeigt, dass das Gesamtvertrauen der Deutschen in die Medien im Vergleich zu den Spitzenwerten während der Pandemie im Jahr 2020 weiter gesunken ist. Ende 2023 stimmten 44 Prozent der Aussage zu:
"Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen – kann man den Medien vertrauen."
Dieser Wert liegt auf dem Niveau von 2019, dem letzten Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie. 2020, als die Corona-Krise begann, gaben 56 Prozent an, dass sie Medien "in wichtigen Dingen" eher voll und ganz vertrauen. 16 Prozent der Befragten vertrauen eher nicht oder überhaupt nicht.
Das Bild im November, Dezember 2023 sieht anders aus: Jeder vierte Bürger, genau 25 Prozent, gab Ende vergangenen Jahres an, den Medien tendenziell nicht zu vertrauen. Im Vorjahr war es nur jeder Fünfte.
Vertiefte Spaltung: "Der harte Kern"
Die Studienautoren Oliver Quiring, Marc Ziegele, Tanjev Schultz et al. gehen davon aus, dass es sich dabei um ein stabiles Phänomen handelt, mit dem zu rechnen ist.
Der harte Kern an Menschen, der Medien nicht vertraut, ist mittlerweile fester Bestandteil der Nutzerinnen und Nutzer.
Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023
Doch enthalten sie sich, das ist positiv anzumerken, vorschneller Urteile und Einordnungen. "Die Gründe für diese Ablehnung können jedoch verschiedener Natur sein", schreiben sie.
Es bleibt festzuhalten, dass Medienvertrauen, wie es hier sehr "global" auf der Ebene des gesamten Mediensystems abgefragt wurde, gesellschaftlich keine eindeutige Wertigkeit besitzt. Blindes Vertrauen in falsch oder unzureichend informierende Medien wäre als gesellschaftlich problematisch einzuschätzen. (…) Eine skeptisch konstruktive Grundhaltung gegenüber verschiedenen Medien kann folglich durchaus gesellschaftlich positiv wirken.
Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023
Die Studie zeigt auch die Diskrepanzen zwischen den Nutzern und Medienmachern auf, die den relativ hohen Anteil derjenigen, die den Medien nicht gänzlich vertrauen, etwas näher beleuchten.
Es ist mit insgesamt 56 Prozent die Mehrheit. Zum genannten harten Kern ohne Vertrauen (eher nicht/überhaupt nicht) kommen noch 31 Prozent, die nur "teils, teils" vertrauen.
Vertrauenswürdige Medienkanäle identifiziert
Doch zuvor noch ein paar Umfrageergebnisse, die die Verfasser der Mainzer Studie in ihrem Fazit von einer "Phase relativer Stabilität" sprechen lässt, in der "von einer vorläufigen Konsolidierung des Vertrauens und Misstrauens in die Medien in Deutschland ausgegangen werden kann".
Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind hinsichtlich ihrer Einstellungen zu ihren Medien deutlich stabiler, als es in der oft hitzigen öffentlichen Debatte über einzelne Streitfragen erscheint.
Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023
So ergab die Studie, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als vertrauenswürdigste Einrichtung gilt, gefolgt von regionalen und überregionalen Tageszeitungen. Die Frage dazu lautete:
"Es gibt verschiedene Medienangebote, aus denen man sich informieren kann. Können Sie mir bitte ein Medienangebot nennen, dem Sie besonders vertrauen? Also einen konkreten Radio- oder Fernsehsender, eine Zeitung oder eine Zeitschrift – oder eine bestimmte Internetseite oder einen Account oder Kanal auf einer Social-Media-Plattform?"
Auch Tageszeitungen sind laut Studie "Objekte des Vertrauens".
Wegen der Art der Abfrage dominieren dabei die überregionalen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Süddeutsche Zeitung (SZ) und Die Welt. Diese können aufgrund der Verteilung der Stichprobe über Gesamtdeutschland mehr Einzelnennungen erzielen als die ebenso sehr häufig genannten einzelnen Lokalzeitungen (z. B. Märkische Oderzeitung, Hannoversche Allgemeine Zeitung, Mannheimer Morgen).
Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023
64 Prozent der Befragten vertrauten Ende 2023 dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, 59 Prozent den regionalen und lokalen Zeitungen und 52 Prozent den überregionalen Tageszeitungen. Das sind die Spitzenwerte bei den Angaben zum "Vertrauen in Mediengattungen".
Private Nachrichtenangebote und Online-Angebote erzielen weiterhin "niedrige Vertrauenswerte", stellt die Studie fest.
Entfremdung zwischen Journalisten und Bürgern
Ein weiterer Aspekt der Studie betrifft die wahrgenommene Entfremdung zwischen der "Welt der Medien" und der Alltagswelt der Menschen.
An dieser Stelle zeigen sich die weiter oben erwähnten Diskrepanzen zwischen den Nutzern und Medienmachern, die das festgestellte Misstrauen gegenüber Medien etwas beleuchten.
So wird festgestellt, dass fast ein Drittel der Menschen die gesellschaftlichen Zustände im persönlichen Umfeld ganz anders wahrnimmt, als sie von den Medien dargestellt werden. Ein Viertel der Befragten fühlt sich von den Medien mit ihren Themen nicht ernst genommen.
Offenbar bleibt eine Lücke zwischen der Lebenswelt der Menschen bzw. deren Wahrnehmung der Realität der Medien bestehen. Diese Lücke ist durch zahlreiche medienspezifische Eigenheiten, wie z. B. die Orientierung am Nachrichtenwert (z. B. Negativität, Prominenz der Akteure, Reichweite und Relevanz der Geschehnisse) erklärbar und nicht zur Gänze zu schließen. Denn auch Nachrichten aus dem fernen Ausland, Nachrichten von prominenten Akteuren und vielfältige Meinungen sind Teil eines gesellschaftlich sinnvollen Medienangebotes.
Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023
Der Anteil der Bevölkerung, der der Auffassung ist, dass Journalistinnen und Journalisten in einer ganz anderen Welt leben als sie selbst, ist gewachsen. Von 25 Prozent im Jahr 2022 auf 29 Prozent im vergangenen Jahr.
Es bestehe "ein deutlicher Unterschied zwischen der Wahrnehmung des Journalismus und der Bevölkerung", heißt es dazu in der Studie.
Wie das Vertrauen zurückgewinnen?
Die Studie zeigt also ein geteiltes Bild: Einerseits erkennen die Menschen in Deutschland die Leistung der Medien an, andererseits gibt es Kritik und ein Gefühl der Entfremdung. Es bleibt die Frage, wie die Medien dieses Vertrauen zurückgewinnen und die wahrgenommene Kluft überbrücken können.
Was erwarten Leser, die sich nicht repräsentiert fühlen?