Mangelnder Abstand
Konzernfreundlicher Kabinettsentwurf der Gentechniknovelle
Trotz Kritik aus den eigenen Reihen und von Umwelt- und Verbraucherverbänden will die Koalition eine Gentechniknovelle verabschieden die benachbarte Felder gefährdet und Schadensersatzforderungen an Gentech-Rechteinhaber stark begrenzt
Am 28. Februar billigte das Bundeskabinett den Entwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer, der gegenüber den im November 2006 vorgestellten Eckpunkten kaum Änderungen aufweist. Auch von Bundesumweltminister Siegmar Gabriel (SPD) gab es keine Einwände. Der Bundestag wird in einigen Wochen über den Gesetzentwurf entscheiden.
Widerstand gegen den Entwurf kam nicht nur von Umwelt-, Bauern- und Verbraucherorganisationen, sondern auch aus den Reihen der Koalitionsparteien. Doch bei den Knackpunkten blieb der Minister offenbar unbeugsam. So ist in dem abgesegneten Entwurf nach wie vor ein Mindestabstand von 150 Metern zwischen Feldern mit Gen-Mais und herkömmlich oder ökologisch bewirtschafteten Flächen vorgesehen – obwohl längst belegt ist, dass ein so geringer Abstand keinerlei Schutz vor Kontaminationen gentech-freier Kulturen bietet. Selbst Parteifreunde Seehofers wie CSU-Generalsekretär Markus Söder hatten angesichts von Protesten bayrischer Bauern für einen Mindestabstand von 300 Metern plädiert. In Luxemburg wurden unlängst vom Parlament 800 Meter festgelegt. Doch selbst bei einem solchen Abstand kann laut Untersuchungen des Umweltinstituts München eine Kontamination via Pollenflug nicht ausgeschlossen werden.
Auch die vorgeschlagene Regelung für die Haftung im Schadensfall ist für die Gegner der geplanten Novelle ungenügend. Besonders ökologisch wirtschaftende Bauern fürchten, dass ihnen mit den geplanten neuen Regelungen die Existenzgrundlage entzogen wird. Seehofers Entwurf beinhaltet, dass bei einer Verunreinigung durch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) erst ab einem Anteil von 0,9 Prozent Entschädigungen verlangt werden können. Zertifizierte Bio-Produkte gelten jedoch bereits ab einem GVO-Anteil von mehr als 0,1 Prozent als nicht mehr als gentechnikfrei – die betroffenen Bauern blieben auf ihren Produkten sitzen. Zudem müssten Öko-Landwirte, die das Pech haben, ihre Produkte neben Feldern mit Genpflanzen anzubauen, nach den Plänen Seehofers die Kosten für die notwendigen teuren Labortests selbst tragen.
Beim dritten Knackpunkt der Novelle zeigt sich der Minister ebenfalls unbeugsam. Bisher mussten geplante Anpflanzungen von gentechnisch veränderten Organismen flurstückgenau in öffentlichen Standortregistern aufgeführt werden. Diese Verpflichtung soll künftig entfallen. Zwar haben laut dem Entwurf die Anbauer von Genpflanzen die Verpflichtung, ihre Nachbarn zu informieren, doch eine entsprechende Überprüfung ist faktisch nicht durchführbar. Begründet wird dies mit der „notwendigen Erleichterung“ der Forschung auf dem Gebiet der grünen Gentechnik. Für die Gentech-Konzerne und die von ihnen finanzierten Forschungsinstitutionen ist das in der Tat eine Erleichterung, denn Anrainer geplanter Genpflanzenfelder sind in den letzten Jahren immer wieder erfolgreich mit juristischen Mitteln gegen den Anbau vorgegangen.
Dies alles geschieht, obwohl die EU-Kommission offenbar dabei ist, ihre Gentech-freundliche Haltung zu überprüfen. So hat die Brüsseler Behörde vor wenigen Wochen erklärt, dass die Auswirkungen des Anbaus von Gen-Mais – der in Deutschland wichtigsten GVO-Nutzpflanze - nicht ausreichend erforscht sei und neue Zulassungen von Genmais- Sorten daher vorläufig nicht zu erwarten seien. Selbst Seehofers Entwurf räumt ein, dass der Einsatz von Gentechnik in der der Lebensmittelproduktion von einer großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird.
Entsprechend vernichtend fällt die Kritik von Umwelt- und Verbraucherverbänden aus. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnet den vom Kabinett abgesegneten Entwurf als „Vorstufe für ein Gentechnik-Durchmarsch-Gesetz". Enttäuscht ist der BUND vor allem von der SPD. Deren ursprünglich erhobenen Forderungen zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern seien „nicht mehr aufzufinden“, heißt es in einer am 2. März veröffentlichten Erklärung. Seehofer erteile Forschungseinrichtungen und Firmen, die Gentech-Pflanzen experimentell erproben, sowie Bauern, die diese kommerziell anbauen wollen, „einen Freibrief für großflächige gentechnische Verunreinigungen.“ Landwirte und Verbraucher, die auch künftig gentechnikfrei wirtschaften und sich ernähren wollten, würde mit den Eckpunkten schwer geschadet.
Heike Moldenhauer, Gentechnikexpertin des BUND, verweist darauf, dass es auch anders ginge: Als Grenzwert oberhalb dem entschädigt werden muss, sollte nach dem Vorbild des Gentechnikgesetzes der Steiermark 0,1 Prozent gelten. „Wenn dies nicht geschieht, verliert der Verbraucher seine Wahlfreiheit und mittelfristig wird ihm jede Entscheidung für garantiert gentechnikfreie Lebensmittel genommen." Der BUND fordert, dass Forschungseinrichtungen und Gentech- Firmen Freisetzungsversuche nur durchführen dürfen, wenn Verunreinigungen von Nachbarfeldern nicht möglich sind. Sollte es trotz aller Vorsichtmaßnahmen zu Kontaminationen kommen, müssten die Firmen und Forschungseinrichtungen alle Schäden in der Produktionskette selbst übernehmen und dürften das Risiko nicht auf die Steuerzahler bzw. Lebensmittelhandel und -industrie abwälzen. Um das Risiko zu minimieren, müssten zudem die vorgesehenen Sicherheitsabstände vergrößert werden. Außerdem sei das öffentliche Standortregister von Gentech- Feldern in seiner jetzigen Form zu erhalten.