Marokko: Brutstätte von Terroristen?

Der marokkanische Kulturwissenschaftler Jamal Eddine Benhayoun sieht die größte Gefahr von den Immigranten ausgehen, die sich in Europa nicht integrieren können oder wollen

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Vor Weihnachten 2006 hatten sich neun Marokkaner im Irak als Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Alle kamen aus der Stadt Tetouan, die im Norden von Marokko an der Mittelmeerküste liegt, unweit der spanischen Enklave Ceuta. In den ersten Januarwochen wurden rund 20 weitere potentielle Selbstmordattentäter in Tetouan und Umgebung verhaftet. Westliche Medien berichteten über die „Stadt, die Selbstmordattentäter züchtet“. Alfred Hackensberger sprach in Tetouan mit Jamal Eddine Benhayoun, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Abdelmalik Essaadi Universität. Benhayoun ist Gründer der Forschungsgruppe für marokkanischen Studien (REGMOSE) und Autor zahlreicher Artikle und Essays, sowohl in arabischer wie englischer Sprache. Vor kurzem ist sein Buch Narration, Navigation, and Colonialism erschienen.

Marokko wurde bereits mehrmals als Land bezeichnet, "das Terroristen züchtet“. Nun gibt es mit den Selbstmordattentätern aus Tetouan neue Nahrung für diese Behauptung. Was halten Sie von Marokko als „breeding ground“ für Terroristen?

Jamal Eddine Benhayoun: Nein, Marokko ist ganz bestimmt nicht ein spezielles Biotop für Terroristen. Man muss die ganze, globale Situation, die globale Geografie der Gewalt in Betracht ziehen. Es wäre ein Fehler, den Fokus auf eine ‚islamische Geografie’ zu richten. Dabei würde man die Formen der Gewalt und Akte von Terrorismus, die sich in Europa und der westlichen Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten ereignet haben, vollkommen vernachlässigen. Wir müssen nach ideologischen und religiösen Faktoren suchen, nicht nach geografischen.

Ist diese geografische Fokussierung nicht ein Resultat, dass man im Westen davon ausgeht, die meisten gewalttätigen Konflikte weltweit haben islamischen Hintergrund?

Jamal Eddine Benhayoun: Das kann gut möglich sein. Eine Annahme, die im Übrigen falsch ist, macht man sich mal die Mühe alle gewalttätigen Konflikte der Erde zusammenzurechnen.

Diese Fokussierung hat natürlich auch etwas mit den Medien zu tun. Nehmen Sie jetzt als aktuelles Beispiel Tetouan. Eine Stadt, um die sich die Medien nie kümmerten, jedenfalls nicht in dem Ausmaß wie momentan. Kaum gehen ein paar junge Leute in den Irak, um sich in die Luft zu sprengen, wird eine ganze Stadt und ihre Bevölkerung dafür haftbar gemacht und diskreditiert. Irak steht im Zentrum des Medieninteresses und was dazu in Beziehung steht, wird eben ausgeschlachtet. Das sind die Gesetze des Marktes, nicht der Realität. Tetouan ist nach wie vor eine der sichersten Städte der Welt.

Von der keinerlei Gefahr ausgeht?

Jamal Eddine Benhayoun: Ich würde sagen, die weitaus größere Gefahr kommt nicht schon gar nicht aus Tetouan, auch nicht aus den Krisengebieten im Nahen Osten, sondern aus Europa. Von den Immigranten in europäischen Ländern, die sich nicht integrieren können oder wollen. Sehen Sie, radikale Islamisten haben in ihren Heimatländern Familie, andere soziale Kontakte, können unter Umständen auch friedlich Veränderungen erreichen. In Europa sind diese Leute vollkommen isoliert, abgeschnitten, was die Sache langfristig gefährlicher macht. Europa muss Wege finden, diese Leute zu integrieren.

Der Terrorismus ist ein nomadisches und globales Phänomen

Aber die Männer, die sich im Irak in die Luft sprengten, kamen nicht aus Europa, sondern aus Marokko. Die marokkanische Polizei verhaftet beinahe jeden Monat neue Terroristen, die zum Al-Qaida-Netwerk gehören sollen.

Jamal Eddine Benhayoun: Das mag wohl richtig sein, aber wir haben es mit einem globalen Phänomen zu tun, mit einer neuen Form von Terrorismus. Das steht meiner Meinung außer Zweifel, spätestens seit 9/11. Es gibt ein neues, globales Phänomen der Gewalt, das man auch so betrachten sollte.

Welche Rolle spielen dann die Selbstmordattentäter aus Marokko in diesem neuen, globalen Phänomen?

Jamal Eddine Benhayoun: Man muss dazu mehrere Komponenten berücksichtigen Erstens geht es um eine globale Mission, die diese Männer erfüllen wollen. Zweitens ist ein sporadisches Phänomen. Heute steht Marokko im Blickwinkel, morgen könnte es Tunesien sein. Damit sind wir beim dritten Punkt, es ist ein nomadisches, mobiles Phänomen, das quasi von Land zu Land wandern kann. Irgendwann sind es Terroristen aus dem Jemen, dann aus Jordanien, Ägypten oder eben auch aus Deutschland. Das macht es auch so schwierig, es zu bekämpfen.

Gibt es bestimmte Muster, die ein Ort oder ein Land zum Gastgeber des mobilen Terrorismus werden lassen?

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, es muss erstens ein Grenzgebiet sein, wo es Fluktuation gibt, wo man herein und hinaus kann.

Wie die Tetouan, das nicht weit von Ceuta, der spanischen Enklave auf marokkanischen Boden, liegt.

Jamal Eddine Benhayoun: Ganz richtig. Hinzukommt eine Person, die qualifiziert und ausgebildet ist, Leute zu rekrutieren. Mental sehr stark, um zu manipulieren und die auch über die nötige Ausdauer verfügt. Es braucht seine Zeit, Leute zu überzeugen, dass der Weg ins Paradies über den Umweg Irak funktioniert. Das kann Jahre in Anspruch nehmen. Hinzu kommen natürlich internationale Kontakte, die falsche Papiere, finanzielle Mittel zur Verfügung stellen und die Betreffenden unter Umständen durch verschiedene Länder Vorort, zu den richtigen Personen bringen. Dieses Netzwerk beweist, es ist kein lokales Phänomen.

Eine Fata Morgana von einem noblen Ziel einer höheren Mission

Gibt es außer diesen organisatorischen Dingen keine lokalen Gegebenheiten, die Menschen für die Parolen des islamischen Befreiungskampfes empfänglich machen? Was ist mit „Armut und Elend“, das immer wieder als Argument für eine Rekrutierung genannt werden.

Jamal Eddine Benhayoun: Nein, Armut hat, gerade bei Al Qaida, nichts damit zu tun. Diese Leute sind meistens gebildet, intelligent, haben einen Doktortitel und stammen aus wohlhabenden Verhältnissen. Mit vorschnellen Analysen und Generalisierungen kommt man nicht weiter. Das Phänomen ist wesentlich komplexer, als es viele wahrhaben wollen. Wir haben nicht einmal über religiöse Faktoren gesprochen, über unterschiedliche religiöse Interpretationen und wie daraus eine politische Agenda konstruiert wird.

Dass aus einem einzigen, kleinen Stadtviertel von Tetouan in relativ kurzer Zeit neun Selbstmordattentäter und rund 20 potentielle kommen, ist also purer Zufall?

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, das kann man so sagen. Alles ist abhängig von einer Person, die nach welchen Gründen auch immer einen Ort auswählt und Menschen dort mit einer radikalen Ideologie rekrutiert. Das kann überall passieren und hat nichts mit einer spezifischen Befindlichkeit einer Stadt zu tun. Das Problem hat einen globalen Zusammenhang. Die Leute kämpfen ja keinen lokalen, sondern einen globalen Dschihad. Sie sprengen sich ja nicht in ihrer Heimatstadt, sondern im viele tausend Kilometer entfernten Bagdad in die Luft.

Jeder kann sich in eine gewalttätige Person verwandeln

Viele der Attentäter waren ganz normale junge Leute. Sie waren bisher nie in religiösen oder politischen Gruppen aktiv, die die Welt verändern wollten. Man kann sich kaum vorstellen, wie der plötzliche Wechsel funktioniert, der einen binnen weniger Wochen oder Monate zum Märtyrer werden lässt.

Jamal Eddine Benhayoun: Das ist gerade das Erschreckende daran. Jeder kann sich in eine gewalttätige Person verwandeln. Meistens gibt es eine dramatische Erfahrung, die einen den wahren Weg, die wahre Bestimmung erkennen lässt. Das kann persönliche Hintergründe haben, aber ein Stück Gehirnwäsche ist immer dabei. Um so etwas zu verhindern, müssen wir liberaler, pluralistischer werden und mehr Wert auf Erziehung und Ausbildung legen. Statt abgedriftete Radikale zu verhaften, sollte man lernen, den Jugendlichen in einem früheren Stadium zuzuhören.

Es gibt Bestrebungen eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln, um zu verhindern, dass Menschen zu Terroristen werden. Macht das Sinn?

Jamal Eddine Benhayoun: Ich halte so etwas eher für fragwürdig. Bei allen Analysen steht Armut als Erklärungsmuster an erster Stelle, das wie schon gesagt, gar nichts damit zu tun hat. Nehmen Sie die Attentate von Casablanca zum Beispiel. Die Bomben wurden nicht als Protest gegen Armut gelegt, sondern man wollte am internationalen Kampf gegen den Westen und die Juden teilnehmen. Die Attentäter kamen zwar aus armen Verhältnissen, hatten aber nicht eine proletarisches Bewusstsein, sondern ein religiöses, das sich nach einer internationalen Solidargemeinschaft ausrichtete.

Zudem haben wir es auch mit einer völlig neuen Organisationsstruktur zu tun. Nehmen wir Al Qaida, das ist keine militante Gruppe, wie man sie von früher kennt, zu der ein bestimmter Personenkreis gehört, der sich untereinander kennt und zumindest in Kontakt miteinander steht. Al Qaida ist vielmehr ein ideologisches Konzept, zu dem man sich überall in der Welt zugehörig fühlen und durch Aktionen teilnehmen kann. Niemand muss jemals mit der Al-Qaida-Spitze in Kontakt getreten sein. Man teilt einfach diese Idee der Weltverbesserung, die es erlaubt unschuldige Menschen zu töten.

Gibt es nicht unterschiedliche Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielen?

Jamal Eddine Benhayoun: Ehrlich gesagt, ich mache da keine großen Unterschiede, solange sie darüber einstimmen, sich selbst und andere für irgendwelche höheren Ziele in die Luft zu sprengen. Außerdem schießen neue Fraktionen wie Pilze aus dem Boden. Kaum gehen drei oder vier Leute zusammen, schon hat man einen neuen Namen und eine sich oberflächlich unterscheidende Ideologie. Was zählt ist, dass sie im Namen der Religion Destruktion erzeugen und wahllos Menschen töten.

Politische Ziele werden mit kriminellen Aktionen verwechselt

Was muss getan werden, um weitere, neue Gruppen zu verhindern, die eines Tages hier oder dort plötzlich aktiv werden?

Jamal Eddine Benhayoun: Man muss diese Form von Gewalt diskriminieren, wo immer sie praktiziert wird. Ob nun im Irak, Spanien, Großbritannien, Marokko oder Algerien. Man muss ihnen jede Anziehungskraft nehmen, diese Fata Morgana von einem noblen Ziel einer höheren Mission.

Sie meinen die Sympathien in der arabisch-islamischen Welt, die dem Befreiungskampf im Irak gelten?

Jamal Eddine Benhayoun: Oft werden politische Ziele mit kriminellen Aktionen verwechselt. Widerstand ist nicht gleich Widerstand, wenn dabei universale menschliche Werte verletzt werden.

Welche Rolle spielen in Marokko die konservativen, islamischen Gruppen, wie etwa die Bewegung „Gerechtigkeit und Spiritualität“?

Jamal Eddine Benhayoun: Diese Bewegung ist ja in Marokko offiziell nicht anerkannt, da sie sich als politische Partei nicht registrieren lassen will. Viele Aktivitäten finden im Untergrund statt und man weiß natürlich nicht, was bei geheimen Treffen besprochen wird, und kann auch nicht einschätzen, was dabei herauskommt. Etwas, über das sich alle Marokkaner Gedanken machen sollten.

Das klingt so, als würde Sie diese Bewegung beunruhigen.

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, ich bin tatsächlich in Sorge. Ich würde gerne in einem liberalen, pluralistischen Land leben, in dem Niemandes Existenz in Frage gestellt wird. Gleichzeitig möchte ich natürlich, dass auch meine eigene Existenz als Autor und Kritiker nicht in Frage gestellt wird. Bisher konnte ich schreiben und veröffentlichen, was ich wollte, ohne je belästigt zu werden. Ich möchte, dass dies so bleibt.

Verglichen zu anderen Staaten der arabischen Welt ist Marokko eines, wenn nicht das liberalste Land. Man versucht nicht den Westen blindlings zu kopieren, sondern versucht seinen eigenen Weg zu einer pluralistischen Gesellschaft zu finden.

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, so hat es den Anschein. Aber ich will Ihnen ein Beispiel geben, von welchen Faktoren heutzutage gesellschaftliche Entwicklungen und Meinungen abhängig sind. Es ist nämlich unglaublich, wie das Lynchen von Saddam Hussein die öffentliche Meinung in Marokko und der arabischen Welt veränderte. In letzter Zeit wurde Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah, als Held gefeiert und der islamische Staat Iran als nachahmenswertes Modell gepriesen. Bis zur Exekution von Saddam Hussein, dann war alles plötzlich vorbei.

Was war dann vorbei? In meiner Nachbarschaft sagte man mir zwar, die Hinrichtung habe das islamische Opferfest gestört, das eine Zeit der Vergebung, nicht der Hinrichtungen sei. Was hat das zu tun mit dem Wechsel der öffentlichen Meinung?

Jamal Eddine Benhayoun: Ganz einfach. Vorher hatten die Sunniten mit den Schiiten sympathisiert, was in den meisten arabischen Ländern mit sunnitischer Mehrheit ein besonderes Ereignis war. Hisbollah hatte im Libanon erfolgreich Israel standgehalten; die schiitischen Milizen machen den US-Truppen im Irak immer mehr Probleme; und der iranische Präsident macht, ohne jede Rücksicht auf die USA, was er gerne tut.

Mit dem ‚unehrenhaften’ Tod von Saddam Hussein ist plötzlich wieder sunnitische Solidarität anstelle von Sympathie für Schiiten getreten. Daran sieht man, wie oberflächlich Meinungsbildung sein kann. Man kann ein ideologisches Erfolgsmodell nicht aus emotionalen Gründen gut heißen, sondern muss es aus rationalen Gründen tun.

Was sagen Sie, wenn ich behaupte die Renaissance des Islam der letzten Jahre ist eine Modeerscheinung?

Jamal Eddine Benhayoun: Da würde ich ja und nein sagen. Sicherlich hat die Renaissance etwas mit Medialisierung im Sinne von Popularkultur zu tun. Andererseits mit realen Ereignissen wie illegitime Wahlen in verschieden Ländern, kombiniert mit Korruption und Vetternwirtschaft. Ich habe nichts einzuwenden, wenn die Menschen religiöser werden. Das Problem ist die Radikalisierung, wenn Leute glauben, sie kennen die einzige Wahrheit und wenn sie bereit sind, diese mit Gewalt gegenüber anderen durchzusetzen.

Gibt es in Marokko eine islamistische Gefahr?

Jamal Eddine Benhayoun: Nein, das glaube ich nicht. Die Menschen in Marokko sind an einen offenen Lebensstil gewöhnt, den sie nicht aufgeben wollen. Es existiert eine starke liberale Bewegung, die eine islamistische Umwälzung nicht geschehen lassen würde. Daneben gibt es bestimmte Prozeduren, Wahlen, Abstimmungen, die man nicht einfach außer Kraft setzen könnte. Nicht viele Politiker lassen sich von den Islamisten benutzen.

Der Norden Marokkos wird ökonomisch völlig umgestaltet. Der drittgrößte Containerhafen am Mittelmeer soll im Juni 2007 in Betrieb gehen, Freihandelszonen werden eingerichtet und neue Tourismuszentren gebaut. Wirkt ein ökonomischer Aufschwung nicht gegen Radikalisierung?

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, davon bin ich überzeugt. All diese neuen Projekte sind viel versprechend. Trotzdem bleibt noch ein großes Hindernis. Die Korruption muss bekämpft werden, denn sollte sie in dem Rahmen wie bisher weitergehen, schmälern sich die positiven Resultate der Zukunft.

Terroristen sind Oppurtunisten

Abschließend möchte ich noch einmal Bezug auf Ihre Bemerkungen über muslimische Immigranten in Europa nehmen. Welche Identität haben diese religiösen Immigranten, die sich nicht integrieren wollen?

Jamal Eddine Benhayoun: In Deutschland oder in Frankreich versteht man sich als deutscher oder als französischer Staatsbürger. Diese Leute definieren sich nicht über ihre Staatszugehörigkeit, sondern über ihre Muslim-Identität. Sie sind zuerst Muslim und danach Pakistaner, Deutsche, Franzosen oder Marokkaner. Die Staatsangehörigkeit oder die Kultur des Landes, in dem sie leben, spielen eine untergeordnete Rolle.

Dieses Missverhältnis ist für die europäischen Einwanderungsländer ein großes Problem. Normal adaptiert man sich an die Kultur des Landes, in dem man lebt. Diese Leute können und wollen das nicht, weil sie andere Präferenzen haben. Für sie bedeutet Muslim sein eine Art Weltbürgerschaft, die alle Muslime verbinden sollte. Auch an diesem Beispiel kann man gut erkennen, dass Terrorismus an keine Lokalität gebunden und grenzüberschreitend ist, so dass kein Land davor sicher ist.

In Deutschland müssen neue Staatsbürger einen „Kulturtest“ machen. Das scheint also vergebliche Liebesmühe zu sein, von Prävention vor dem so genannten gefährdeten Personenkreis keine Spur?

Jamal Eddine Benhayoun: Wohl kaum. Diese Leute nutzen nur die Vorteile des Westens aus. Angefangen von Ausbildung, über Job bis hin zur Freiheit, die eine Demokratie bietet und die sie aus ihren Heimatländern nicht kennen. Sie nutzen die Vorteile, um zu agitieren oder um Terrorismus logistisch oder finanziell zu unterstützen.

Muslim sein, ist für diese Leute mit einem politischen Programm verbunden, nämlich gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt zu kämpfen.

Jamal Eddine Benhayoun: Das genau muss man diesen Leuten immer wieder absprechen. Wer Gewalt benutzt, um seine politischen Ziele durchzusetzen, hat keine politische Agenda, agiert nicht wie ein Politiker, sondern einfach wie ein Terrorist.

Sie sprechen ihnen also jegliche politische Beweggründe ab?

Jamal Eddine Benhayoun: Ja, natürlich. Terroristen sind Opportunisten, die ihre Taten mit den Ungerechtigkeiten dieser Welt rechtfertigen. Man muss dagegen deutlich Position beziehen.

Glauben Sie, dass die Lösung des Palästina-Konflikts dazu beitragen würde, diese Rechtfertigungsstrategie zu entkräften?

Jamal Eddine Benhayoun: Ich bin überzeugt, dass es helfen würde, das Ausmaß der Gewalt zu reduzieren. Natürlich würde es nicht das Ende des Terrorismus bedeuten. Terrorismus weiß immer neue Beweggründe zu finden, um weiter zu machen.

Und welche Rolle spielt der Irak?

Jamal Eddine Benhayoun: Ich halte die Okkupation des Iraks auch für einen vorgeschobenen Grund. Sie kann keine Rechtfertigung für derartige Massaker an Zivilisten sein, wie sie sich täglich in Bagdad ereignen. Genauso wenig ein Grund, in Amman, Madrid, Casablanca oder London Zivilisten zu töten.