Martin Lemke: Ficken und foltern im syrischen Dschihad

Immer noch fliehen Menschen und IS-Angehörige aus Baghouz. Bild: ANF

Das Mitglied des "IS"-Sicherheitsdienstes Amniyat will aus einem kurdischen Gefängnis zurück nach Deutschland

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Eigentlich war Martin Lemke Schweißer im Braunkohlerevier in Sachsen-Anhalt. Aber er ist einer von mindestens 1050 Personen aus Deutschland, die in den letzten neun Jahren nach Syrien bzw. den Irak gingen, um sich dort dem "Dschihad" anzuschließen. Zwei Frauen aus Deutschland nahm er mit, eine weitere Fünfzehnjährige heiratete er in Raqqa, außerdem hielt er sich noch eine jesidische Sklavin.

Innerhalb der Terrororganisation "Islamischer Staat" machte er eine zweifelhafte Karriere: Er ist neben Thomas M.-C. einer der beiden Deutschen, die nachweislich Mitglied des "IS"-Sicherheitsdienstes Amniyat wurden. Weitere Deutsche, wie z. B. Nils D., wurden Mitglied der "IS"-Religionspolizei. In welchem Umfang Lemke an Morden, Hinrichtungen und Folterungen beteiligt war, müssen die polizeilichen Ermittlungen ergeben. Z. Zt. sitzt Martin Lemke in einem kurdischen Gefängnis bei Qamischli in Nordsyrien. Nun möchte er zurück zu den Ungläubigen in Deutschland.

Radikalisierung

"Abu Yasir al-Almani" (andere Schreibweise: "Abu Yassir al-Almani") alias "Nihad" alias Martin Lemke wurde Ende Dezember 1990 im Süden Sachsen-Anhalts geboren. Er wohnte zunächst am Neumarkt in Zeitz (Sachsen-Anhalt). Hier machte er eine Ausbildung zum Industriemechaniker in einer Braunkohlegesellschaft und arbeitete danach sechs Jahre lang als Schweißer bei der Mitteldeutschen Braunkohle AG (MIBRAG). Er gehörte einer arabisch-armenischen Jugendgang an, konsumierte Drogen und beging kleinere Diebstähle. Außerdem war er Mitglied in einem Box-Sportverein und Torwart beim Fußballclub "SV Motor Zeitz".

Im Jahr 2010 kam Martin Lemke über einen kurdischen Freund zum ersten Mal mit dem Islam in Kontakt. Er wurde im ersten Halbjahr 2012 in Leipzig in der Al-Rahman-Moschee (Roscherstraße 33A) radikalisiert. Im Mai 2012 beteiligte er sich an der "Lies!"-Kampagne. Ende 2012 schrieb er bereits auf "Facebook": "Muslime werden siegen, denn die Kuffar (Ungläubige) lieben ihr Leben…. Wir schauen in den Lauf der Waffe und sehen das Paradies."

Im Frühjahr oder Frühsommer 2014 zieht er mit seiner damaligen Frau Julie Maninchedda und dem gemeinsamen Sohn nach Hildesheim. Hier nimmt er an einem dreimonatigen Islam-Seminar in der Masjid-Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises e. V. (DIK) in Hildesheim-Nordstadt (Martin-Luther-Str. 41a) teil und kam so in Kontakt mit "Abu Walaa" alias Ahmad Abdulaziz Abdullah Abdullah.

Am 2. November 2014 flog Martin Lemke mit seinen beiden Frauen Julie Maninchedda und Sabina Lemke sowie dem gemeinsamen Sohn Shahir über Hannover und Istanbul nach Syrien, wo er sich dem "Islamischen Staat" anschloss.

Polygame Großfamilie

Martin Lemke ist der Ehemann von mehreren Frauen: Zunächst war Martin Lemke mit einer deutschen Ehefrau verheiratet, nachdem er diese dazu überredet hatte, zum Islam zu konvertieren. Das Paar heiratete - nach islamischem Ritus - in der Al-Rahman-Moschee in Leipzig (Roscherstraße 31A), wo Hassan Dabbagh predigte.

Das Paar lebte zunächst in Zeitz, hier arbeitete seine Ehefrau als Kellnerin im Cafe "Millenium", bis Martin Lemke ihr das verbat. Im Februar 2013 zog Martin Lemke mit seiner damaligen ersten Ehefrau von Zeitz nach Leipzig (Eisenbahnstraße). Als sich Martin Lemke eine "Zweitfrau" zulegen wollte, trennte sich das Paar. Später lernte er die Französin Julie Maninchedda aus Libercourt kennen. Die Muslima studierte am Lyzeum Faidherbe in Lille (9 Rue Armand Carrel) deutsche und französische Literatur und war für ein oder zwei Semester an die Uni Leipzig gekommen. Sie wurde noch in Leipzig - nach islamischem Ritus - seine neue "Erstfrau". Maninchedda gebar im Januar 2014 einen gemeinsamen Sohn Shahir und später noch dreimal einen Jungen.

Zwischen den Eheleuten kam es ständig zum Streit und Martin Lemke schlug dann seine "Erstfrau". Hinzu kam als "Zweitfrau" Sabina Lemke, eine Deutsche dagestanischer Abstammung, die er noch in Deutschland kennenlernte und amtlich heiratete. Im März 2015 heiratete er in Syrien die fünfzehnjährige Deutsche Leonora Lemke (geb. Messing) aus Sangerhausen als "Drittfrau", obwohl er sie gerademal drei Tage kannte, nach islamischem Ritus. Leonora Lemke bekam in Syrien zwei Kinder: Habiba und Maria. Es ist unklar, warum sowohl Sabina als auch Leonora den Nachnamen "Lemke" führen, da nach deutschem Recht Polygamie verboten ist. Außerdem kaufte Martin Lemke für 800 Dollar eine jesidische Sklavin mit ihren zwei Kindern von einem afrikanischen IS-Kämpfer ab. Ob diese Jesidin noch lebt und wo sie sich befindet, wurde nicht bekannt. Jedenfalls gilt die Versklavung eines Menschen als "Kriegsverbrechen gegen Personen" gemäß § 8 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB).

Über das "Eheleben" wusste die "Bild"-Zeitung zu berichten:

Als schließlich auch Leonora in Syrien ankam, musste sie sich mit Lemkes "Erstfrau" Julie in Raqqa eine Wohnung teilen. Das Familienoberhaupt ist selten daheim und das Klima zwischen Julie und Leonora - wohl auch aus Eifersucht - ausgesprochen schlecht.

"Die beiden haben sich ständig gestritten und in die Haare bekommen. Sie haben sich gegenseitig regelrecht tyrannisiert", sagt ein deutsches ISIS-Mitglied aus Raqqa zu BILD. "Leonora hat Julies Klamotten zerschnitten, die wiederum hat sich gerächt und Leonoras Sachen kaputtgemacht."

Die Streitereien zwischen Leonora und der deutlich älteren Julie nahmen irgendwann derart überhand, dass Lemke nach einigen Wochen seine zerstrittenen "Ehefrauen" schließlich trennte und ihnen unterschiedliche Wohnungen zuwies. Neben Julie M. und Leonora M. war Lemke noch mit weiteren Frauen "verheiratet" - unter anderem hielt er eine Jesidin als Sklavin.

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Martin Lemke entschied sich schließlich dazu, die Ehefrauen auf drei Häuser in Raqqa zu verteilen. Die jesidische Sklavin wurde im Haus der "Zweitfrau" Sabina Lemke untergebracht. Eine Wohnung wurde vom "IS" gestellt, die beiden anderen Quartiere musste Lemke anmieten. Über seinen Umgang mit Frauen berichtete Lemke in einem Interview mit dem Stern vom 28. Februar 2019:

Man muss der Frau ihre Rechte geben. Das heißt: Ich schlafe eine Nacht bei dieser Frau, eine Nacht bei dieser Frau, eine Nacht bei dieser Frau. Und die Frau möchte sich schön machen. Und wenn sie das vor der anderen Frau macht, bekommt die andere Frau vielleicht Eifersucht. (…)

Um Probleme zu vermeiden, ist es besser, einzelne Wohnungen zu beziehen. Es macht es einfacher. Man ist beruhigter. Weil jede Frau ihren eigenen Lebensstil hat. Ihre eigene Art und Weise zu kochen, zu putzen, der Umgang mit Kindern.

Stern

Während der gesamten Ehejahre hat Martin Lemke seine "Erstfrau" Maninchedda geschlagen, auch als sie hochschwanger war. Mindestens einmal hat er ihr einen Revolver an die Schläfe gehalten, berichtete ihre Mutter. Im Jahr 2018 kam zur Trennung zwischen Martin Lemke und Julie Maninchedda. Anfang Januar 2018 lief sie weg, wurde aber von Lemke nach mehreren Tagen aufgespürt und in ein "IS"-Frauenhaus gesteckt. Nachdem sie die Scheidung eingereicht hat, entzog er ihr die beiden ältesten Söhne. Um diese musste sich fortan seine "Zweitfrau" kümmern. "Ich habe Angst, dass er mich umbringt, wenn ich hingehe, um sie zu besuchen", berichtete Maninchedda ihren Eltern. Eine andere Darstellung der Problematik stammte von Leonora Lemke:

Leonora besteht darauf, dass Julies neuer Mann die Kinder nicht haben wollte. Er habe im Ehevertrag festschreiben lassen, dass er sich scheiden lasse, wenn die Jungen bei Julie bleiben würden: "Wir hatten eine Vereinbarung, drei Tage sind die Kinder bei uns, drei Tage bei ihr. Und dann ist sie nicht mehr gekommen."

Julie Maninchedda gebar schließlich - wenige Tage nach der Trennung von Lemke - am 5. Februar 2018 einen dritten Sohn Dschaffar (andere Schreibweise: Dschafar) im halbzerstörten Krankenhaus von Al-Soussa. Im Frühjahr 2018 lernte sie einen weiteren IS-Kämpfer aus Marokko kennen und heiratete diesen. Bereits neun Monate später kam ein viertes Kind auf die Welt, das nach wenigen Tagen im Oktober 2018 bei einem Luftangriff in dem Dorf Al-Shaafa (andere Schreibweise: Schafa'a) in Ostsyrien mit seiner Mutter und seinem Stiefvater ums Leben kam. Dschaffar, gerade neun Monate alt, wurde schwer verwundet, wie Martin Lemke später berichtete: "Sein rechtes Bein war gebrochen, oben und unten. Sein halbes Gesicht war offen, wurde genäht. An der linken Seite am Brustkorb ist ein Splitter reingekommen, wurde auch operiert."

Wenige Tage später nach dem Luftangriff übergab Martin Lemke seine beiden Kinder Shakir und Dschaffar einer syrisch-usbekischen Familie, wie der "Stern" am 27. Februar 2019 berichtete:

Lemkes Frau Julie stirbt bei einem Bombenangriff, Sohn Dschaffar, neun Monate alt, wird schwer verletzt. Lemke übergibt das verwundete Baby zusammen mit dem drei Jahre alten Bruder Shakir einer fremden usbekisch-syrischen Familie. "Babysitting" nennt er das. Und verliert den Kontakt. "Ich war 18, ich hatte auf einmal vier Kinder. Und ich war schwanger. Das hab ich nicht geschafft. Und dann ging die Hungerperiode beim IS los", sagt Leonora auf die Frage, warum die Familie die Jungen einfach weggab.

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Der Vater rechtfertigte die Weitergabe seiner Kinder mit den damaligen Umständen auf der Flucht: "Zu diesem Zeitpunkt waren meine deutsche und meine dagestanische Frau schwanger. Es war schwer mit einem verletzten Kind. Die Verbände müssen immer gewechselt werden. Es war schwer."

Außer den vier Kindern mit Julie Maninchedda kommen noch die beiden Kinder mit Leonora Lemke und mindestens ein gemeinsames Kind mit Sabina Lemke hinzu, so dass Martin Lemke in den 58 Monaten von Januar 2014 bis Oktober 2018 mindestens siebenmal Vater wurde. Dies war nur durch seine muslimische Polygamie möglich. Von den sieben Kindern kamen sechs in Syrien zur Welt. Hier stellt sich die Frage, ob Martin Lemke in Syrien mehr Menschen gezeugt oder ermordet hat.

Die Unterbringung seiner Frauen in mehreren Häusern könnte nun Martin Lemke zum Verhängnis werden: Wenn man unterstellt, dass die vom "IS" gestellte Wohnung vorher einer Familie gehörte, die geflüchtet ist oder vertrieben wurde, dann stellt die "Islamisierung" dieser Wohnung ein Kriegsverbrechen gemäß Artikel 9 des Völkerstrafrechts (VStGB) dar.