Massaker in Las Vegas: Schütze tötet mindestens 58 Menschen und verletzt über 500
Update: Überraschend bekennt sich der IS zu einem Anschlag, bei dem ein 64-Jähriger aus einem Hotelzimmer auf Besucher eines Country-Konzerts feuerte. Von der Polizei gibt es bislang keine Bestätigung über einen islamistischen Hintergrund der Tat
Man weiß es längst, die USA haben ein großes Problem mit Gewalt, besonders mit dem Gebrauch von Schusswaffen. Auf spektakulär eindringliche Weise wird dies in Las Vegas erneut vor Augen geführt. Ein 64-Jähriger schoss, ausgestattet mit mehreren Waffen (laut Fox News waren es "mindestens zehn Gewehre"), gestern Nacht von einem Hotelzimmer im 32ten Stock aus auf Besucher eines Country-Konzerts auf der anderen Seite des Vegas Strip, der Hauptstraße der Vergnügungsstadt. Am frühen Nachmittag europäischer Zeit berichteten Medien von über 50 Toten.
Viele Fragen, angefangen vom Motiv des Schützen, wie er den Massenmord vorbereiten konnte, der mehr Tote verursachte als IS-Anschläge der letzten Zeit, ob er vollständig alleine agierte, über den Ablauf der Schießerei, die Treffsicherheit des Sniper - war er ausgebildet? -, die Entfernung zwischen Hotel und dem Konzert (Nachtrag: Zwischen Hotelzimmer und Bühne liegen etwa 370 Meter), sind noch offen. Schock und Konfusion, dazu die Eile der Berichterstattung liefern noch ein ziemlich unvollständiges Bild, das nach und nach korrigiert wird.
Zu sehen ist das allein schon daran, dass man anfangs, in den Vormittagsstunden mitteleuropäischer Zeit, noch Berichte über zwei Tote las, während ein Video vom Konzert des Sängers Jason Aldean beim russischen Sender RT (jetzt hier) auf dramatische Weise hören ließ, dass es mehrere und sehr lang anhaltende Serien von Schüssen offensichtlich aus einem Automatikgewehr gab, so dass "nur" zwei Tote als Bilanz unglaubwürdig erschienen und man sich auf Schlimmeres gefasst machen musste.
Video of the shooting captured nine seconds of rapid-fire, continuous bursts, followed by 37 seconds of silence from the weapon amid panicked screaming. The barrage of gunfire then erupted again in at least two more rounds, both shorter than the first.
New York Times
Die Meldungen, die die Todeszahlen nach oben korrigierten, folgten dann auch rasch. Das mass shooting, im Deutschen schwer zu übersetzen, wird an manchen Stellen als das "tödlichste in der Geschichte der USA" bezeichnet. Die New York Times berichtet dagegen von "einem der schlimmsten mass shootings in der Geschichte der USA". Es gibt für die Konstellation - ein Schütze schießt von einer höhergelegenen Position aus auf eine Menge Zivilisten - einen berüchtigten Vorläufer in den USA: Charles Joseph Whitman, der sich am 1. August 1966 nach der Ermordung seiner Mutter und seiner Frau auf dem Turm der Universität von Texas in Austin verschanzte und von dort aus auf Passanten auf dem Campus zielte, 17 Menschen starben, 32 wurden verletzt.
Im Wikipedia-Eintrag wird der Fall Whitman als "Amoklauf" bezeichnet. Der Begriff, der auf einen psychischen Auslöser (Amok) abhebt, erscheint in der von ideologisch aufgeheizten Lagerkämpfen gezeichneten Gegenwart als nicht mehr so richtig passend (das Las-Vegas-Hotel Mandalay Bay verwendet übrigens den Begriff "tragic active shooter situation"). Als erstes gilt es in der Gegenwart, solche mörderischen Taten danach zu untersuchen, ob sie einen terroristisch-ideologisch Hintergrund haben.
Bekennermeldung des IS
Mittlerweile melden die Twitter-Accounts von Site Intel wie auch des französischen Spezialisten für Dschihad- und Terrorgruppen, dem Journalisten Wassim Nasr, dass der IS über die "Medienagentur Amaq" die Tat für sich reklamiere. Der Schütze sei "ein Soldat des IS" und er sei "vor ein paar Monaten zum Islam konvertiert", heißt es in zwei - das ist unüblich - aufeinanderfolgenden Mitteilungen.
Bestätigungen dafür, dass der Schütze mit dem IS in Kontakt stand, stehen allerdings noch aus. Das Bekennerschreiben überrascht. In den bisherigen Meldungen gab es überhaupt keinen Verweis auf einen islamistischen Hintergrund der Tat. Auch das FBI sieht "keine Verbindung". (Ergänzung: Der IS scheint den Mangel an Glaubwürdigkeit seiner Mitteilungen, der sich in der Medienöffentlichkeit zeigt, laut Site Intel dadurch wettmachen zu wollen, dass er nun mehrere Mitteilungen in unterschiedlichen Sprachen verschickt).
In einer ersten öffentlichen Stellungnahme hatte der zuständige Sheriff Joseph Lombardo noch davon gesprochen, dass Stand der Ermittlungen sei, dass es sich nicht um einen Akt mit "terroristischen Hintergrund" handele. Auf eine entsprechende Frage antwortete er: "No, not at this point".
Der am frühen Nachmittag europäischer Zeit veröffentlichte Polizeibericht identifiziert Stephen Craig Paddock als einzigen Verdächtigen. Er wird als Weißer gekennzeichnet, der in der Umgebung, in Mesquite, Nevada, lebte. Laut New York Times machten SWAT(Special Weapons And Tactic) -Einheiten die Position des Schützen im Hotel ausfindig. Kurz vor Mitternacht Ortszeit wurde der Verdächtige als getötet gemeldet.
Was genau davor passierte, bleibt noch im Dunkeln. Laut genanntem Polizeibericht soll das SWAT-Team die Tür zum Hotel aufgebrochen haben und den Verdächtigen "tot aufgefunden" haben. Laut Fox-News, das sich auf Aussagen eines undersheriffs der Polizei stützt, habe sich der Mann selbst die tödlichen Wunden zugefügt. Es wurden aber auch drei Polizisten "im Dienst verletzt" und einer getötet. Und es gibt Berichte, wie zum Beispiel von Fox News, die davon sprechen, dass das Einsatzteam den Verdächtigen getötet habe.
Laut der Pressemitteilung des Las Vegas Metropolitan Police Department (LVMPD) kamen 50 Menschen ums Leben, annähernd 406 Personen wurden in Krankenhäuser gebracht. Am Abend korrigierte die New York Times die Zahl und meldete "mindestens 58 Tote".